- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 12/2012
- Homöopathie beim ...
Interpharm 2012
Homöopathie beim geriatrischen Patienten
Laut Wiesenauer können homöopathische Arzneimittel
eine Alternative für chemisch-synthetische Arzneimittel sein,
als Zusatztherapie ("add-on") bei einer notwendigen Arzneimitteltherapie deren Nebenwirkungen mildern,
bei Erkrankungen, die nicht mit Homöopathika therapierbar sind, einzelne mit der Krankheit assoziierte Beschwerden lindern.
Ausgehend von häufigen Symptomgruppen stellte er zahlreiche bewährte Homöopathika vor.
Verwirrtheitszustände, Schlaflosigkeit
Spezielle Mittel gegen Demenz kennt die Homöopathie – verständlicherweise – nicht, wohl aber psychotrope Mittel, die bei den verschiedenen Ausprägungen von "Verwirrtheit" eingesetzt werden. Sie sollen die Progredienz der Symptome verlangsamen und können auch als Dauermedikation gegeben werden. Wie fast alle Homöopathika können sie mit anderen Arzneimitteln kombiniert werden; bewährt hat sich hier die Kombination mit Ginkgo-Spezialextrakten.
Bei ausgeprägter Verwirrtheit vorzeitig gealterter Menschen empfiehlt Wiesenauer Barium carbonicum D12. Menschen, die "in ihrer eigenen Welt" leben und dabei pflegeleicht sind, lassen sich durch die Gabe von Barium phosphoricum D12 psychisch stabilisieren. Geht die Verwirrtheit mit verbaler Aggressivität (Schimpfen, Fluchen) und großem Misstrauen gegen die Pfleger und Mitbewohner einher, ist Hyoscyamus D12 indiziert, während Stramonium D12 das Mittel der Wahl bei Altersstarrsinn ist. Leidet der Patient zusätzlich unter Verdauungsproblemen (Appetitlosigkeit, Diarrhö, Brennschmerzen am After), setzt Wiesenauer Arsenicum D12 zweimal täglich ein, das in dieser Potenz auch analgetisch wirkt; in Kliniken hat sich Arsenicum auch in der Potenz C30 bewährt.
Homöopathische TablettenFür Senioren empfiehlt sich als Arzneiform die Tablette. Sie ist anwendungsfreundlicher, aber ebenso wirksam wie Globuli, die die Standardform fester Homöopathika darstellen. Zudem kann der Apotheker bei der Belieferung von Altenheimen die homöopathischen Tabletten problemlos in die Tablettenboxen der jeweiligen Patienten hineingeben oder sie auch mit den anderen verordneten Arzneimitteln verblistern. |
Schwindel, Fallneigung, Tremor
Muskelschwäche, Gleichgewichtsstörungen und verminderte Sinnesleistung sind die Hauptursachen für Schwindel, Gangunsicherheit und Fallneigung. Ist der Patient zusätzlich dehydriert, empfiehlt Wiesenauer Alumina D12, weil es das abhanden gekommene Durstgefühl zurückholt. Viele alte Menschen sind krank, weil sie zu wenig trinken; insofern ist Wasser (ohne Kohlensäure) häufig das wichtigste "Arzneimittel".
Wiesenauer kritisierte, dass die Schulmediziner den systolischen Blutdruck oft zu stark senken; der Nutzen ist oft fragwürdig, weil er sich theoretisch erst nach einer Zeitspanne einstellt, die der Patient sehr wahrscheinlich nicht überlebt, und die Risiken sind oft beträchtlich, beispielsweise Schwindelanfälle. Erhält der Patient dennoch ein potentes Antihypertonikum, rät Wiesenauer, ihm zusätzlich Plumbum metallicum D12 einmal täglich zu geben, weil dieses den diastolischen Blutdruck senkt, sodass die Pulsamplitude größer wird.
Hat der "Schwindelpatient" sich innerlich zurückgezogen und grübelt still vor sich hin, ist Conium maculatum D6 das Mittel der Wahl. Ist er hingegen sehr unruhig und schreckt nachts häufig aus dem Schlaf auf, ist Zincum metallicum D12 indiziert, das Wiesenauer gern mit Johanniskrautöl oder Hypericum D6 kombiniert. Eine Alternative ist Zincum valerianicum D6, wobei hier zwei Tabletten einzunehmen sind: die eine beim Zubettgehen und die andere eine halbe Stunde vorher. Beim Restless Legs Syndrom erzielte Wiesenauer mit dem anthroposophischen Mittel Cuprum metallicum praep. 0,4% Oleum gute Erfolge.
"Das Befinden ist wichtiger als der Befund." Dr. Markus Wiesenauer |
Appetitlosigkeit, Schwäche
Viele ältere Menschen sind untergewichtig, was durchaus behandlungsbedürftig ist. Zur supportiven Therapie von kachektischen Krebspatienten hat sich Abrotanum D3 bewährt, insbesondere in der palliativen Phase. Ist der Schwächezustand die Folge einer akuten Erkrankungen, kann dem Patienten mit Chininum arsenicosum D6 (insbesondere nach Infekten und chirurgischen Eingriffen) oder Gelsemium sempervirens D6 (insbes. virale Infekte) geholfen werden. Ist die Ursache eher psychischer Art, ähnlich einem Burnout-Syndrom, empfiehlt Wiesenauer Acidum phosphoricum D12. Alle diese Mittel sollen auch den Appetit anregen, sodass der Patient wieder zu Kräften kommt.
Verdauungsstörungen
Als das "Iberogast der Homöopathie" lobte Wiesenauer Nux vomica D12; es sei auch bei Zytostatika-induzierter Übelkeit von unschätzbarem Wert. Zur Restaurierung des Darm-assoziierten Immunsystems nach einer antibiotischen Therapie empfiehlt Wiesenauer Okoubaka D3. Bei starken Blähungen unterschiedlicher Genese wie Roemheld-Syndrom oder Nebenwirkungen oraler Antidiabetika können Carbo vegetabilis D6 und Asa foetida D6 helfen; das letztere Mittel – auf Deutsch "Stinkasant" – kommentierte Wiesenauer so: "Der Name ist Programm."
Aloe D6 ist ein Mittel gegen den "falschen Freund" (Gefühl von Blähungen, jedoch Abgang von Kot). Bei extremer Verstopfung ist Opium D12 das Mittel der Wahl, ein typisches Beispiel für das Simile-Prinzip, denn nicht dynamisiertes Opium verursacht Obstipationen.
"Viele typische Kinderarzneimittel kommen auch beim alten Patienten zum Einsatz." Dr. Markus Wiesenauer |
Inkontinenz
Die Inkontinenz der Harnwege beruht bei Frauen häufiger auf einer Schließmuskelschwäche der Harnblase, bei Männern häufiger auf einer Prostatahyperplasie. Vereinfachend sagte Wiesenauer, Causticum D6 sei das Mittel für die Frau und Conium D6 das Mittel für den Mann; das Letztere lässt sich gut mit Tamsulosin kombinieren. In Sonderfällen sind Staphisagria D12 (z. B. bei Mobbing-Opfern) und Arnica D6 oder D12 (bei Hypertonikern) indiziert.
Schmerzen
Krämpfe der Rückenmuskulatur können stärkste Schmerzen verursachen; in solchen Fällen wie auch bei stechenden Kopfschmerzen kann Bryonia D6 den Patienten helfen. Als pflanzliches Kombinationspräparat empfahl Wiesenauer Phytodolor (40 Tropfen nach dem Essen). Bei sonstigen Muskelkrämpfen ist Cuprum metallicum D6 zu nehmen. Ein den Krämpfen zugrunde liegender Magnesiummangel sollte möglichst behoben werden, jedoch dürfen orale Mg-Präparate nicht zu hoch dosiert werden, weil sie dann eine Diarrhö auslösen können.
Rheumatische Schmerzen lassen sich am besten mit Rhus toxicodendron D12, osteoporotische Schmerzen mit Calcium phosphoricum D12 behandeln.
"Die Regulationsmedizin legt großen Wert auf Behandlungspausen, um Tachyphylaxien zu vermeiden." Dr. Markus Wiesenauer |
Haut und Schleimhäute
Eine verletzte Mundschleimhaut lässt sich laut Wiesenauer mit Hydrastis canadensis D6 schnell regenerieren. Bei stärkeren Entzündungen rät er zu Mercurius solubilis D12. Wenn die Schleimhaut von Candida befallen ist, kann der Patient ergänzend zu Kamistad-Gel Borax D6 nehmen.
Bei offenen Verletzungen der Haut ist Calendula D6 ein Standardmittel, während Arnica eher bei stumpfen Verletzungen angezeigt ist. Druckstellen, die zu einem Dekubitus führen könnten, sind mit einer Abrotanum-haltigen Salbe einzureiben; "Kandidaten" eines Dekubitus sind insbesondere Diabetiker aufgrund der für diese Krankheit typischen Mikroangiopathien. Für einen manifesten Dekubitus und andere schwer heilbare Wunden wie Ulcus cruris oder diabetischen Fuß empfahl Wiesenauer die Anwendung von Kreosotum D6.
Das bereits oben als Mittel gegen Brennschmerzen am After genannte Arsenicum album D12 ist auch bei Patienten mit einem schmerzenden künstlichen Darmausgang (sog. Anus praeter) anzuwenden.
cae
Zurück zum Inhaltsverzeichnis Interpharm 2012
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.