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Interpharm 2012
Diabetes-Prävention fördern
In Deutschland werden ca. 1,7% des Wirtschaftswachstums für die Diabetes-Behandlung ausgegeben. Für die Weltwirtschaft haben Finanzexperten ausgerechnet, dass chronische Erkrankungen wie Diabetes eine Belastung darstellen, die um das Achtfache schwerwiegender ist als die Finanzkrise. Doch immer mehr und bessere Wirkstoffe sowie moderne, individualisierte Therapiestrategien für chronische Erkrankungen, sind in absehbarer Zeit finanziell nicht mehr zu schultern. Es müsste also mehr dafür getan werden, chronische Erkrankungen zu verhindern statt sie zu behandeln. Schwarz berichtete, dass in jüngster Zeit zahlreiche politische Diskussionen darüber stattgefunden haben, wie Präventionsmaßnahmen besser in die Versorgung implementiert werden können. Nach seiner Ansicht sollen die Apotheken in Deutschland hierbei eine größere Rolle spielen. Denn dort können auch Menschen, die nicht zum Arzt gehen, durch niedrigschwellige Angebote erreicht werden. Ein qualifizierter und entsprechend geschulter Apotheker kann direkt intervenieren und weiß auch am besten, welche Maßnahmen für welchen Patienten sinnvoll sind.
Risikopatienten frühzeitig identifizieren
Wenn Zahlen zur Diabetes-Prävalenz in Deutschland genannt werden, wird häufig vergessen, dass etwa 4,3 Millionen Bundesbürger unter einer nicht diagnostizierten Erkrankung leiden. Denn die Blutglucosespiegel können bereits 25 Jahre vor der Diagnose erhöht sein. Ziel muss es daher sein, so Schwarz, diese Menschen frühzeitig zu identifizieren. Auch bei der Behandlung von Diabetikern müssen Veränderungen stattfinden. Um den Therapieerfolg messen zu können, wird es in Zukunft nicht mehr ausreichen, Werte wie die Nüchternglucose, den postprandialen Blutzuckerwert oder den HbA1c zu bestimmen. Vielmehr müssten Modelle entwickelt werden, die auch die Blutglucoseschwankungen mit einbeziehen. Denn für das Outcome der Patienten ist es erwiesenermaßen langfristig wichtig, die Blutglucose-Schwankungen zu reduzieren.
Fokus auf viszerales Fett
Berechnungen zufolge kostet die medizinische Betreuung eines adipösen Diabetikers die Krankenkassen pro Jahr fast 3000 Euro mehr als die eines Normalgewichtigen – ganz gleich, welche Erkrankungen zusätzlich vorliegen. Besonders dem viszeralen, also dem unsichtbaren, unter der Muskulatur liegenden Bauchfett muss mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, erläuterte Schwarz. Denn dieses verhält sich wie eine endokrine Drüse und produziert mehr als 200 Hormone, die an der Entwicklung einer Insulinresistenz beteiligt sind. Weniger viszerales Fett bedeutet jedoch nicht nur weniger Diabetes, sondern auch weniger Hypertonie, Demenz, Depressionen sowie bei Männern eine bessere Zeugungsfähigkeit.
Politiker mit ins Boot holen
Dass Diabetes-Prävention noch nicht den Stellenwert hat, den sie haben müsste, liegt nicht daran, dass es zu wenige gute Programme gibt, ganz im Gegenteil. Doch viele von ihnen landen nach einer vielversprechenden Startphase letztendlich in der Schublade, weil die Anschlussfinanzierung fehlt. Außerdem wird oft versäumt, die Politiker mit ins Boot zu holen. Es genügt also nicht, medizinische Zielwerte wie den HbA1c-Wert festzulegen, es müssen auch politische Ziele formuliert werden.
Weiterhin ist es wichtig, Präventionsmaßnahmen daran zu messen, wie sie die Lebensqualität verbessern – sonst funktionieren sie nicht.
Jeder Schritt zählt
Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen, die ihren Lebensstil umgestellt hatten, 22 Jahre länger ohne Diabetes leben konnten. Ein wichtiges Element der Lebensstilumstellung ist mehr Bewegung. Diese ist mit einfachen Maßnahmen wie z. B. durch die Anschaffung eines Schrittzählers zu realisieren. Bereits durch das Gehen von 1000 Schritten (entspricht ca. 700 m) kann der postprandiale Glucosespiegel messbar gesenkt werden.
Im Präventionsprogramm "Beweg Dich – Jeder Schritt zählt", einem dezentralen Programm für einen gesunden Lebensstil, kommen beispielsweise solche Schrittzähler zum Einsatz, und die Teilnehmer werden auch im Umgang geschult. Weiterhin erhalten sie ein Begleitheft als Hilfsmittel für zu Hause und 14-tägig einen Newsletter mit verschiedenen Themen zu Bewegung und Ernährung. Für die Durchführung solcher und ähnlicher Präventionsmaßnahmen ist die Apotheke viel besser geeignet als die Arztpraxis, meint Schwarz – doch viele Arztverbände würden das anders sehen.
Ein weiteres niedrigschwelliges Angebot, um das Diabetes-Risiko ohne Labordiagnostik zu bestimmen, ist der FIND-Risk-Fragebogen, den weit mehr als 1000 Apotheken in Deutschland bereits eingesetzt haben (http://diabetes-risiko.de/diabetes-findrisk.html). Schwarz warb außerdem dafür, sich am "Global Diabetes Survey" (www.globaldiabetessurvey.com) zu beteiligen. Damit sollen einmal im Jahr Patienten, Haus- und Fachärzte, Wissenschaftler, Vertreter aus Politik, Wirtschaft sowie von Krankenkassen zur Qualität der Diabetesversorgung standardisiert befragt werden. Ziel ist es, die Qualität der Versorgung unabhängig und transparent darzustellen und damit alle Beteiligten zu motivieren, erkennbare Schwachstellen zu beseitigen. Derzeit gibt es schon 4000 Menschen, die beim Survey mitmachen, berichtete Schwarz nicht ohne Stolz. Zwar würden die meisten aus Deutschland stammen, doch auch kleine Länder und sogar arme afrikanische Länder wie Tansania beteiligen sich.
Wer bereits in der Diabetesprävention tätig ist oder sich für eine Teilnahme interessiert, sollte die Website www.activeindiabetesprevention.com besuchen. In diesem Netzwerk sind die Apotheker bisher deutlich unterrepräsentiert.
Ein weiteres Projekt, das die Diabetesprävention verbessern helfen soll, ist IMAGE ("Development and Implementation of a European Guideline and Training Standards for Diabetes prevention", www.image-project.eu/). Damit wurde in Deutschland die Ausbildung von Präventionsmanagern mit europäischer Unterstützung durchgeführt.
cb
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DAZ 2012, Nr. 12, S. 68
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