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AMNOG & Co. tun weh …
In den Räumen der Noweda eG in Essen diskutierten unter der Moderation von Prof. Dr. Andreas Kaapke Dr. Klaus G. Brauer, Apotheker und Mitherausgeber der DAZ, Werner Heuking, Apotheker und stellvertretender Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein, Dr. Heidrun Hoch, Apothekerin und Vorsitzende der TGL Nordrhein, Peter Hippe von der Workpool GmbH, Uwe Hüsgen, Unternehmensberater, Carsten Aehlen von der Bayer AG, Gerd Weiler, Verkaufsdirektor Europa der L’Oréal Active Cosmetics, und Wilfried Hollmann, Vorstandsvorsitzender der Noweda eG. Nach einer anfänglichen Politikschelte kamen die Diskutanten bald auf die Chancen und Potenziale sowie die Eigenverantwortlichkeit der Apotheken zu sprechen. Ein erfrischend optimistischer Blick in die Zukunft der klassischen Apotheke war das Ergebnis.
AMNOG-Belastungen, aber nicht für alle
Als den Gipfel zahlreicher gesetzlicher und wirtschaftlicher Entwicklungen beschrieb Dr. Heidrun Hoch die Auswirkungen des AMNOG. Zusätzlich zu der überfälligen Anpassung des Fixaufschlags, dem Streit um den Kassenabschlag, dem Mehraufwand infolge der Rabattverträge, den steigenden Personalkosten und den Auswirkungen von Versand und Pick up sei das AMNOG noch on top gekommen: "Es sieht schlimm aus", so Hoch. Werner Heuking fügte hinzu: "Der Apotheke wird Raum für Investitionen und Planungssicherheit genommen, da nicht absehbar ist, welchen Schritt die Politik als nächstes tut."
Doch sind die Apotheken in unterschiedlichem Maße von den gesetzlichen Regularien betroffen. "Eine Apotheke mit einem hohen Sortimentsanteil verschreibungspflichtiger Medikamente hat ein Riesen-Problem. In diesem Bereich erwirtschaftet die Apotheke nicht einmal mehr die steuerlich abzugsfähigen Kosten", sagte Dr. Klaus Brauer. Apotheken mit einem hohen Anteil an OTC-Produkten könnten dies eher durch eine "Quersubventionierung" aus dem Bereich OTC oder Privatrezepte auffangen. Vor diesem Hintergrund wäre ein Aufschwung der Ergänzungssortimente in den Apotheken zu vermuten. Dieser ist aber ausgeblieben. Als Grund hierfür sah Gerd Weiler die Beratungsintensität der Produkte. Insbesondere die Beratungszeit, die die Apotheker infolge der Einführung der Rabattverträge aufbringen müssen, gehe zulasten der Beratungszeit für Produkte aus dem Ergänzungssortiment. Als weiteren Grund nannte Weiler das Erstarken der Drogeriemärkte in diesem Bereich.
Die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage und die damit einhergehende Unsicherheit in der Apothekerschaft spiegeln sich in einem zunehmenden Filialisierungstrend bei einem gleichzeitigen Anstieg des Altersdurchschnitts der Apothekeninhaber wider. "Scheinbar haben die Jungen weder die finanziellen Ressourcen noch den Mut, eine Apotheke zu übernehmen", so Heuking. "Dazu kommt, dass viele Apotheken bei Ab- oder Weitergabe finanziell schwer belastet sind und die potenziellen Nachfolger nicht bereit sind, die (elterlichen) Altlasten zu übernehmen", fügte Peter Hippe hinzu. Auch Uwe Hüsgen machte deutlich, dass es zwar von der Politik im Jahr 2004 gewollt war, dass die Apotheken mit ihren Rx-Umsätzen die steuerlich abzugsfähigen Kosten erwirtschaften, dass dies aber nach weiteren Kostendämpfungsgesetzen nun nicht mehr möglich ist und OTC-Arzneimittel und das Ergänzungssortiment das auffangen müssen, was bei Rx verloren geht. "Dies kann nicht im Sinne des Erfinders gewesen sein."
Megatrend Gesundheit eröffnet enorme Marktchancen
Wilfried Hollmann bestätigte, dass das AMNOG die Apotheken stark belastet. Er wies jedoch darauf hin, dass in vielen Apotheken die Ursachen für die prekäre finanzielle Situation auch hausgemacht sind. Beispielhaft nannte er die Preispolitik der Apotheken sowie die teilweise stark erweiterten Öffnungszeiten. Beides schmälert die Deckungsbeträge. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Apotheken es durchaus selbst in der Hand haben, ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern.
Diesem Gedanken schloss sich Carsten Aehlen an. Er betonte die Bedeutung des Themas Gesundheit für den Verbraucher. Die Gesundheitsbranche ist ein Wachstumsmarkt. Dies sei auch der Grund, weshalb andere Vertriebsformen zunehmend in diesen Markt hineindrängen. Dabei sei nicht die (vergleichsweise geringe) Rendite ausschlaggebend, die mit nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erwirtschaftet werden könne, sondern vielmehr die Kundenfrequenz, die diese Produkte schafften. Provokant fügte Aehlen hinzu: "Der Handel traut sich tatsächlich zu, mit weniger qualifizierten Mitarbeitern und ein paar Regalen eine höhere Wertschöpfung aus dem Kunden ziehen zu können als es die Apotheke zur Zeit tut." Um dem entgegenzutreten, müssen die Apotheken ihr zweifelsohne vorhandenes Potenzial nutzen, sich auf den neuen Markt einlassen und entsprechend aufstellen. "Dabei können sie auf einen nahezu einzigartigen Wettbewerbsvorteil aufbauen, der sie von allen anderen Vertriebskanälen abgrenzt: das Apotheken A, das in der Wahrnehmung der Verbraucher nach wie vor für Vertrauen und Glaubwürdigkeit steht", so Aehlen weiter.
"Back to the Roots"
Um das Marktpotenzial für sich zu nutzen, müssen sich die Apotheken auf das Wesentliche konzentrieren, konstatierte Hollmann. "Die Apotheke muss es schaffen, an ihrem Standort eine ‚Unikat-Apotheke‘ zu werden." Dem pflichtete Heuking bei. "Die Apotheken müssen sich dabei auf ihre Wurzeln besinnen. Kunden müssen aktiv gewonnen werden. Dabei können nicht Preise und Rabatte im Vordergrund stehen. Vielmehr muss es darum gehen, wie Kundenberatung stattfindet, welche Dienstleistungen die Apotheke anbietet, über welche Ausstattung und welches Sortiment sie verfügt usw." Heuking betonte hierbei auch die Bedeutung starker Partner vor Ort. Um den Markt erfolgreich zu gestalten, müssten Apotheken mit den anderen Marktakteuren, zusammenarbeiten. Dies erhöhe nicht zuletzt die Verhandlungsmacht gegenüber der Politik.
Auch Aehlen sah den Erfolgsfaktor der Apotheken darin, ihr Wissen und ihre Kompetenz zu nutzen und ihre Leistungen aktiv zu kommunizieren. "Die Apotheke ist in der Lage, eine Gesundheitsmanufaktur zu sein. Das kann kein anderer." Hieraus müssen die Apotheken Selbstbewusstsein schöpfen, sagte Brauer. "Apotheken können viel mehr als die konkurrierenden Branchen in ihrem Umfeld. Sie müssen ihre Vorteile nur deutlicher kommunizieren." Während Weiler eine nicht vorhandene "Zukunftsvision der deutschen Apotheke" seitens der Apotheken zu bedenken gab, glauben Hippe und Aehlen nicht, dass es einen Königsweg für die Apotheke im Allgemeinen gibt. Vielmehr müsse jede Apotheke ein Konzept für ihren Standort finden und eine Vision für sich selbst entwickeln. Dabei sei es nicht die Aufgabe der ABDA oder des DAV, eine Vision für alle Apotheken zu entwickeln, sondern vielmehr möglichst gute rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen und sicherzustellen, dass politische Auseinandersetzungen auf Augenhöhe stattfinden, so Aehlen.
Nur die "ewig Gestrigen" werden es nicht schaffen
Abschließend richteten die Diskutanten den Blick auf die Zukunft der Apotheken. Aehlen griff dabei noch einmal das brachliegende Potenzial der Apotheken auf, das diese "noch nicht einmal annähernd ausgeschöpft" hätten. Apotheken werden dann erfolgreich sein, wenn sie es schaffen, die vorhandene Leistung auf die komplette Fläche zu übertragen und sie deutlich zu kommunizieren. Auch Hippe glaubt an den zukünftigen Erfolg, wenn die Apotheke sich auf ihre Schwerpunkte konzentriert und diese nutzt. "Nur die ewig Gestrigen, die glauben, andere müssen es für sie regeln, werden es schwer haben", so Aehlen in seinem Abschlussplädoyer. Auch Heuking ging davon aus, dass nicht jede Apotheke in der Lage sein wird, das vorhandene Potenzial zu nutzen und dass es daher zu weiteren Apothekenschließungen kommen wird. Er betonte abschließend noch einmal die Wichtigkeit, den Kunden und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen. Ähnlich sah es Hollman. Er appellierte, nicht die Politik in den Vordergrund der Bemühungen zu stellen. Vielmehr gelte es die "genialen Stärken" der Apotheken strategisch zu nutzen, um den Kunden zu gewinnen. Auch Weiler sah die Apotheke der Zukunft in der inhabergeführten Apotheke, die sich durch neue Konzepte von konkurrierenden Vertriebskanälen abheben muss. Unterstützung werde sie vom Großhandel und der Industrie erhalten. Brauer sah die ideale Partnerschaft dabei in einem genossenschaftlich organisierten Modell und betonte erneut die Notwendigkeit, sich auf bestehende Stärken und Kernleistungen zu besinnen. Hoch stellte in ihren Abschlussworten noch einmal die Kommunikation der Leistungen in den Vordergrund. "Die Apotheken tun viel und können viel, aber sie reden zu wenig darüber." Die Apotheke der Zukunft müsse ihre Leistungen genauer spezifizieren und nach außen tragen. Damit werde auch die Basis für die erfolgreiche Durchsetzung politischer Forderungen geschaffen. In eine ähnliche Richtung argumentierte Hüsgen. Er griff das unbegründete mangelnde Selbstbewusstsein der Apotheken auf und forderte sie auf, mehr Verantwortung zu übernehmen – sowohl was die Patientenbetreuung als auch was Forderungen gegenüber der Politik betrifft.
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