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Interpharm 2012
Zum Erfolg verpflichtet
ABDA-KBV-Modell in der Diskussion
Die gesamte Diskussion war gezeichnet von den Unstimmigkeiten zwischen der Apotheker- und der Hausärzteseite – ebenso wurden die Differenzen zwischen KBV und Hausärzten offenbar. Gleich zu Beginn erklärte Weigeldt, das Modell sei zu kompliziert, zu ungenau und bringe weder für Ärzte noch für Patienten einen Vorteil. Es sei "zum Scheitern verurteilt". So sei noch nicht einmal klar, welche Leitlinien für die "leitliniengerechte Versorgung" angewandt werden sollen. "Das überblickt der Apotheker in seiner Offizin vielleicht nicht", gab sich Weigeldt provokant. Zudem ist es für ihn nicht vorstellbar, wie die Pharmazeuten von den Ärzten mit allen nötigen Patienteninformationen versorgt werden können, die Aufschluss über mögliche Wechsel- und Nebenwirkungen geben. Aus seiner Sicht kann nur die hausarztzentrierte Versorgung mit der Datenhaltung an einem Ort für mehr Arzneimitteltherapiesicherheit sorgen. Gut wäre zwar auch, wenn die Daten portabel wären – aber so weit sei man nicht. Nicht zuletzt, so Weigeldt, sei es auch der Wunsch der allermeisten Patienten, ihre Medikation mit ihrem Arzt abzustimmen – das ABDA-KBV-Modell sei daher ein "Irrweg".
Vertrauensbasis zwischen allen Beteiligten erforderlich
Schmidt sieht in Weigeldts Bedenken gerade den Grund, warum das Konzept nötig ist. Er räumte ein, dass die Details des Modells derzeit noch ausgearbeitet würden. Aber es stehe für mehr Arzneimitteltherapiesicherheit – und dafür sei ein gleicher Informationsstand von Arzt und Apotheker notwendig. Dieser Austausch von Informationen müsse nun noch operationalisiert werden. Frau Steiner ergänzte, dass dafür auch die Kompetenzen nicht erweitert werden müssten – weder auf der Ärzte- noch auf der Apothekerseite. Alle Beteiligten müssten für regen Austausch sorgen und als Team zusammenarbeiten, das stärke das Vertrauensverhältnis zum Patienten. Hierzu merkte Weigeldt an, dass das Problem mangelnder Informationen auch vom Patienten herrühre, denn "was der Patient nicht erzählen will, das erzählt er keinem innerhalb des Teams". Steiner verwies zudem auf die Rationale des Konzepts für die Ärzteschaft: Es gehe darum, den Ärzten die wirtschaftliche Bedrohung vor Regressen und Richtgrößenprüfungen zu nehmen.
Weigeldt warf seiner KBV-Kollegin vor, den Bezug zur Praxis verloren zu haben. Die generische Verordnung sei schließlich nicht das Problem, die Wirtschaftlichkeitsprüfung werde durch das Modell keinesfalls besser, die Regressgefahr höchstens verschärft. Deutlich wurde dabei nicht zuletzt der innere Konflikt zwischen KBV und den Hausärzten: Weigeldt – vor einigen Jahren selbst im KBV-Vorstand – zeigte sich sichtlich unzufrieden, weil er und die Hausärzteschaft bei der Planung des Konzepts nicht einbezogen worden waren, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt wurden: "Ich wäre vorher gerne gefragt worden". Anders war dies 2004 beim Hausapotheken/Hausarztvertrag der Barmer Ersatzkasse. Dies sei ein guter Ansatz gewesen, so der Hausärzte-Chef. Allerdings hatte der Vertrag sein Ende gefunden, nachdem ihm gerichtlich der Charakter als Vertrag zur Integrierten Versorgung abgesprochen wurde – 2008 letztinstanzlich durch das Bundessozialgericht. Es sei festgestellt worden, so Weigeldt, dass Apotheker bei der Zusammenarbeit mit Ärzten lediglich "Hilfsmenschen" sein dürfen.
Auswahl der Modellregion steht kurz bevor
Vom Diskussionsleiter Dr. Benjamin Wessinger (Deutscher Apotheker Verlag) danach gefragt, ob die Begeisterung für das Projekt nachlasse – nicht nur die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe hatte jüngst abgelehnt, sich daran zu beteiligen – antwortete Schmidt, an der Ablehnung aus Westfalen-Lippe werde die Welt nicht untergehen. "Wir stehen jetzt kurz vor der Auswahl der Region." Er bat um Geduld bis Ende März, bis zu diesem Zeitpunkt sei die Benennung einer Testregion realistisch. Der genaue Zeitpunkt hänge von der Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Organisationen ab. Seit die Formulierung des mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz neu eingefügten § 64a SGB V – der Rechtsgrundlage für das ABDA-KBV-Modell – bekannt ist, sei auch klar, dass es ein "extrem schwieriger Prozess werden würde". Daher sei er selbst zufrieden damit, wie weit man bereits sei. Schmidt betonte zudem, dass die geführte Diskussion eine "Scheindebatte" sei. Es stimme nicht, dass – wie Weigeldt behaupte – alle 33.000 Hausärzte im Land gegen das Modell seien. Es sei bedauerlich, dass hier ein innerärztlicher Konflikt ausgetragen werde. An der Basis funktioniere die Zusammenarbeit bereits, wenn die Beteiligten dies wollten. Der ABDA-Vize wies auch Weigeldts Formulierung zurück, Apotheker seien lediglich "Hilfsmenschen". "Wir leisten einen originären Beitrag, etwa bei der Selbstmedikation", sagte Schmidt.
Langsamer Rollout geplant
"Hoch erfreut über die systematische Kooperation zwischen Ärzten und Apothekern" zeigte sich Andreas Niclas Förster, Apotheker in Velbert (NRW). Er gab sich überzeugt, dass mit dem ABDA-KBV-Konzept das Ziel einer verbesserten Arzneimitteltherapiesicherheit erreichbar sei. "Wir wollen doch die Marginalisierung unseres Berufes bekämpfen, das ist ein Weg", so der Apotheker. Ein mögliches Problem könne jedoch sein, dass ein Patient sich bei Teilnahme am Modell auf einen Arzt bzw. Apotheker festlegen müsse, obwohl er zu diesem eventuell noch kein Vertrauen gefasst habe. Förster fragte Schmidt danach, wie die Qualifizierung der teilnehmenden Apotheker sichergestellt werde. "Wegen der Expansion des bisherigen Leistungsspektrums sind umfangreiche Schulungen nötig", antwortete der – "insbesondere im Kommunikationsbereich". Ein Wochenendseminar werde hierfür nicht ausreichen. Geplant sei, mit einem kleinen Stamm zu beginnen und diesen langsam auszuweiten. "Wir dürfen nichts versprechen, was wir nicht halten können", so Schmidt. Weil man nun in gewisser Weise zum Erfolg verpflichtet sei, wolle man lieber einen kleinen Kreis wachsen lassen, als ihn später von oben herab schrumpfen lassen zu müssen.
Die Diskussionsrunde zeigte: Das ABDA-KBV-Modell muss noch einige Hürden überwinden. "Es ist eine riesige Chance, aber auch ein erhebliches Risiko zum Einstieg in diesen Leistungsbereich", konstatierte Schmidt. Aber diesen Weg müssten die Apotheker ohnehin gehen. Frau Steiner zeigte sich am Ende zuversichtlich: Das Konzept sei ein "gutes Angebot, das die Arzneimitteltherapiesicherheit fördere, die evidenzbasierte Medizin stärke und den Weg ins Interaktionsmanagement ebne.
jz/ks
DAZ 2012, Nr. 11, S. 68
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