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Türen müssen nicht zu sein

Verwaltungsgericht hat Zweifel, dass die Apothekenbetriebsordnung noch zeitgemäß ist

BERLIN (jz). Das derzeitige Verbot offener Apothekentüren entspricht nicht dem Wandel, der sich in der apothekenrechtlichen Landschaft Deutschlands und Europas vollzogen hat. Dieser Ansicht sind die Richter der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Schwerin. In einem Eilverfahren befanden sie, dass dies jedenfalls für in Ladenstraßen befindliche Apotheken gelten müsse. (Verwaltungsgericht Schwerin, Beschluss vom 27. Februar 2012, Az. 6 B 300/11)

Türe zu? Das Verwaltungsgericht Schwerin sieht hierin keine Notwendigkeit. In der Apothekenbetriebsordnung steht das Gegenteil.
Foto: DAZ/Sket

Der Inhaberin einer Apotheke, die in einer Ladenstraße eines Einkaufscenters gelegen ist, war per Unterlassungsverfügung untersagt worden, die Eingangstüren ihrer Apotheke permanent offen zu halten. Ihr wurde für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld angedroht, zudem wurde die sofortige Vollziehbarkeit der Verfügung angeordnet. Gegen Letzteres ging die Apothekerin im Rahmen eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vor: Sie wollte zumindest bis zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung der Frage, ob die permanent geöffneten Eingangstüren gegen § 4 Abs. 5 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) verstoßen, die Türen offen lassen dürfen.

Türen dürfen vorerst offen bleiben

Mit Erfolg: Die Richter des Verwaltungsgerichts stellten die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs her und ermöglichten der Apothekerin damit, ihre Türen vorerst geöffnet zu halten. Sie hatten ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Unterlassungsverfügung. Nach einhelliger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte seien Apothekenleiter zwar dazu verpflichtet, die Tür zum Betriebsraum im geschlossenen Zustand zu halten, so die Richter. Auch eine verfassungsrechtliche Betrachtung habe in der Vergangenheit zu keinem anderen Ergebnis geführt. An dieser Sichtweise wollte die Kammer allerdings nicht länger uneingeschränkt festhalten. Jedenfalls soweit es Apotheken in Ladenstraßen betreffe, müsse geklärt werden, ob § 4 Abs. 5 ApBetrO noch zeitgemäß sei oder ob eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift es gebiete, besagte Apotheken aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift herauszunehmen.

Eine Folge der Versandhandelserlaubnis

Als Grund gaben die Schweriner Richter die zunehmende Liberalisierung des Apothekenrechts in den letzten Jahren an. Dies gelte sowohl für das Warensortiment und die Preisgabe für OTC-Arzneimittel, aber auch für die Vertriebswege, das Marketing und die Bewerbung von Arzneimitteln. Damit verwies die Kammer auf die veränderte Apothekenlandschaft und den damit einhergehenden intensiven Preiswettbewerb, in dem Präsenzapotheken mit den Versandapotheken stehen. Durch Einführung des Versandhandels habe der Gesetzgeber außerdem eine Form der Medikamentenabgabe zugelassen, bei der das Arzneimittel zwar aus der Apotheke heraus abgegeben werde, der Kunde die Apotheke aber nicht betreten müsse. Damit sei das Argument, die besondere Funktion der Apotheke verbiete eine bauliche Anlage – offene Türen – , die den Kunden zum "Arzneimittelshopping" einlade, weil dies mit der ordnungsgemäßen Erfüllung des Versorgungsauftrags der Apotheke nicht vereinbar sei, weggefallen bzw. zumindest kritisch zu hinterfragen. "Wäre die Versorgungssicherheit nur durch Präsenzapotheken mit permanent geschlossenen Eingangstüren zu gewährleisten, hätte der Versandhandel vom Gesetzgeber erst gar nicht zugelassen werden dürfen", argumentierten die Richter.

Der derzeit noch gültige § 4 Abs. 5 ApBetrO schreibt vor, dass Apotheken-Betriebsräume "von anderweitig gewerblich oder freiberuflich genutzten Räumen sowie von öffentlichen Verkehrsflächen und Ladenstraßen durch Wände oder Türen abgetrennt sein" müssen. Sollte der aktuelle Entwurf der neuen ApBetrO unverändert den Bundesrat passieren, würde sich daran inhaltlich nichts ändern. Dort heißt es in § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1b ebenfalls, dass die Betriebsräume durch Wände oder Türen von öffentlichen Verkehrsflächen und Ladenstraßen abzutrennen sind.



DAZ 2012, Nr. 11, S. 22

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