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Prävention wirkt!
Die Ottawa-Charta wird 25 Jahre alt. Die Forderungen nach gesunden Lebenswelten gelten bis heute unverändert. Doch zeigt sich, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien geringere Chancen auf ein gesundes und erfolgreiches Leben haben. Ungleichheit in Gesundheit ist die Folge sozialer Ungerechtigkeit. Aber nicht nur Kindheit, auch Arbeitswelt, möglicherweise Arbeitslosigkeit und Alter sind vulnerable Lebensphasen. Jede Phase bedarf spezifischer Präventionsangebote – am besten miteinander verknüpft. Experten sprechen dann von Präventionsketten. Allerdings sind für spezifische Angebote weder Schubladen noch unreflektierte Einzelmaßnahmen als Strategien geeignet. Dies machten in ihren Grußworten die Staatssekretärin für Gesundheit in Berlin, Emine Demirbüken-Walter, und der Gesundheitswissenschaftler Prof. Rolf Rosenbrock deutlich: Prekäre Lebenssituationen treffen Migranten und Nicht-Migranten gleichermaßen und eine gute Idee allein wird kaum einen nachhaltigen Erfolg zeigen.
Tabak und Weltwirtschaftskrise
Dies unterstrich auch Prof. Dr. Margaret Whitehead, die in Liverpool zu sozialen Determinanten von Gesundheit forscht, in ihrem Einführungsreferat. Sie berichtete über den Erfolg der Tabakprävention. Aufklärung über gesundheitliche Risiken reduziert vor allem bei sozial höheren und bildungsaffinen Schichten die Zahl an Rauchern. Viel effektiver ist – dies belegt auch eine Vergleichsstudie in 18 europäischen Ländern – eine umfassende und strukturierte Tabakkontrollpolitik. Dazu gehören fiskalische und regulatorische Maßnahmen, wie das Rauchverbot am Arbeitsplatz und im öffentlichen Raum. Hiervon profitieren alle Bevölkerungsgruppen. Whitehead warnte zudem vor den Folgen der globalen Wirtschaftskrise. Einschnitte in die soziale Absicherung träfe vor allem Frauen, die in wirtschaftlichen Krisen schneller entlassen würden, sich um Kindererziehung und Pflege kümmerten. Kinder armer Mütter wiederum hätten selbst ein höheres Risiko für soziale und gesundheitliche Ungleichheit.
Neues nationales Gesundheitsziel für Senioren
Zahlreiche Präventionsaspekte wurden in rund 75 Workshops und Foren diskutiert. Sie berücksichtigten spezielle Fragestellungen zu allen Altersgruppen, unter anderem auch zu HIV und Aids, Wohnungslosigkeit, Männergesundheit, Sucht und Bildung. Ein Workshop war dem neuen nationalen Gesundheitsziel "Gesund älter werden – Entwicklung einer Umsetzungsstrategie im kommunalen Setting" gewidmet. Die Empfehlungen der Arbeitsgruppe werden Ende März der Öffentlichkeit vorgestellt. Erste Einblicke gewährte Rudolf Herweck. Er berichtete, dass insgesamt 13 Ziele formuliert wurden. Gesellschaftliche Teilhabe, Ressourcen stärken, die körperliche Aktivität fördern, altersgerechte Ernährung und Mundgesundheit sollen Gesundheitsförderung und Prävention stärken. Um die medizinische und psychosoziale Versorgung zu optimieren, stehen Maßnahmen zur Strukturverbesserung, die Zusammenarbeit von Gesundheitsberufen und die gezielte Information von Angehörigen und informellen Helfern im Vordergrund. Als besondere Herausforderungen werden zudem Lebensqualität und Teilhabe psychisch oder an Demenz erkrankter sowie behinderter Menschen gesehen. Darüber hinaus wurden Multimorbidität und Pflegebedürftigkeit als weitere Optimierungsansätze für das neue nationale Gesundheitsziel identifiziert. Wie sich die Empfehlungen angesichts der schwierigen finanziellen Situation in den meisten Kommunen umsetzen lassen, wird abzuwarten sein. Eine aktive, intersektorale sowie bürgerschaftlich getragene und alle Bereiche des politischen, städteplanerischen, gesellschaftlichen und kulturellen Lebens berücksichtigende Herangehensweise sei dafür zwingend notwendig, so Herwecke.
Drei Fragen an Rudolf Herweck von der Arbeitsgruppe "Gesund älter werden"
DAZ: Wie sind bei den Empfehlungen des neuen Gesundheitsziels "Gesund älter werden" die Apotheker als Ansprechpartner und Unterstützer im Bereich Prävention berücksichtigt?
Herweck: Wir haben die Apotheker vor allem im Blick, wenn es um das Umfeld der Demenzerkrankten und von Pflegebedürftigen geht. Apotheker können hier durch ihr Wissen und ihre Erfahrung das Umfeld stützen. Ein anderes Beispiel ist, dass wir pharmakotherapeutische Probleme bei der Versorgung multimorbider Menschen sehen. Da wäre es ganz wichtig, dass die Apotheker in Therapiempfehlungen einbezogen würden.
DAZ: Wie weit decken sich Ihre Empfehlungen an dieser Stelle mit dem ABDA-KBV-Modell?
Herweck: Das Konzept des ABDA-KBV-Modells ist zu begrüßen. Auch wir sprechen uns für die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Apothekern und Ärzten aus. Der Apotheker hat in unserer Empfehlung vor allem die Funktion des "Arzneimittelerklärers" bei der Betreuung älterer Patienten.
DAZ: Bislang gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Apothekern und Ärzten sowie weiteren Akteuren der regionalen Gesundheitsdienstleister in kommunalen Gesundheitskonferenzen oder an vergleichbaren kommunalen runden Tischen jedoch relativ schwerfällig. Welche Anregung haben Sie für ein besseres und effizienteres Schnittstellenmanagement zwischen den Akteuren?
Herweck: Konkrete Einblicke in den Ablauf solcher Konferenzen oder Runde-Tisch-Veranstaltungen habe ich nicht, aber eine sektoral übergreifende Arbeit im Gesundheitswesen trägt deutlich zu einer Verbesserung der Versorgung bei. Solche Prozesse müssen deshalb professionell moderiert werden. Dabei sollte der Moderator solcher intersektoralen Arbeitsgruppen vor allem die Zusammenarbeit bestimmter Berufsgruppen gezielt forcieren.
DAZ: Danke für das Interview!
DAZ 2012, Nr. 11, S. 28
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