Gesundheitspolitik

Befreiungsschlag?

Christian Rotta

Die Schnäppchenjäger-Apotheke wurde selbst zum Schnäppchen: Für über 200 Millionen Euro hatte Celesio im April 2007 DocMorris erworben – jetzt erhielt für etwas mehr als einem Zehntel dieser Summe die Schweizer Versandapotheke "Zur Rose" den Zuschlag. Die kreativen Zerstörer haben ganze Arbeit geleistet. Soll man jetzt lachen oder weinen?

Die DocMorris-Story ist wechselvoll. Ihre Akteure sind kühle Zocker, Möchtegern-Visionäre und willfährige Politiker. Die Geschichte ist eine Geschichte grandioser Fehleinschätzungen und eines aus den Fugen geratenen Managements, das untrennbar mit dem Namen Fritz Oesterle verbunden ist. Deregulierung, Sharholder-Value, Allmachtsphantasien ohne Bodenhaftung und Gespür – den Global Players schien, auch in der Apothekenbranche, die Welt und die Zukunft zu gehören. Welch ein Irrtum! So schamlos Celesio eine ganze Landesregierung (Saarland) zum offenen Rechtsbruch anstiftete und die Rechtsprechung für ihre Ketten-Bildung zu instrumentalisieren versuchte, so bodenlos war der Fall, der dem publizistisch hochgejazzten Blend-Flug folgte: vor Ort in den Apotheken erlebten die Cannstatter mit dem grünen Kreuz ihr blaues Wunder. Insbesondere bei Gehe hinterließ die Politik wider die inhabergeführte Apotheke viel verbrannte Erde. Dabei durften alle Beteiligten nachdrücklich zur Kenntnis nehmen, dass Apotheken, wenn sie nur zusammen stehen, so machtlos nicht sind – eine der erfrischendsten Erfahrungen jener Zeit!

Für "Zur Rose" ist die Übernahme wohl die letzte Chance, das ins Trudeln geratene Versandhandelsgeschäft doch noch am Laufen zu halten. Immerhin stand die Ärzte-AG mit ihrem fremdbesitzaffinen Filialapothekenkonstrukt in Halle schon öfters – nicht nur rechtlich – am Rande des Abgrunds. Es scheint, als ob mit DocMorris/Zur Rose jetzt zusammen findet, was irgendwie schon immer zusammengehört hat. Aber ob der Deal für die Beteiligten wirklich ein Befreiungsschlag ist?

Und Celesio/Gehe? Sind sie in der Branche jetzt rehabilitiert? Wohl kaum, denn bei Lichte betrachtet hat sich durch den Verkauf des lästig gewordenen Oesterle-Kindes nur wenig geändert. Mit Zur Rose/DocMorris entsteht nunmehr Europas Arzneimittelhändler Nr. 1, der weiterhin Versandhandel betreiben und den Fremd- und Mehrbesitz favorisieren wird. Ab nächstem Jahr steht ihm dabei mit "dm" eine potente Drogeriemarkt-Kette zur Seite, die mit Pick up- und anderen Tricks weiterhin versuchen wird, das bestehende System inhabergeführter Apotheken aufzuweichen.

Ein Befreiungsschlag sieht anders aus. Konsequent wäre es gewesen, wenn Celesio/Gehe ihren DocMorris-Versandhandel nicht an einen Dritten weitergereicht, sondern schlicht und einfach eingestellt hätten.

Aber so?


Christian Rotta



AZ 2012, Nr. 44, S. 1

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