Arzneimittel und Therapie

Schnellerer Therapieerfolg durch Vitamin-D-Gabe?

Eine randomisierte Studie hat den klinischen Nutzen einer Vitamin-D3-Substitution begleitend zu einer Therapie mit Antituberkulotika untersucht. Es zeigte sich, dass nur Patienten mit einem speziellen Genotyp des polymorphen Vitamin-D3-Rezeptorgens von dieser Behandlung profitierten.
Lungentuberkulose Von einer Therapie-begleitenden Supplementation mit Vitamin D3 erhoffte man sich eine Beschleunigung des Heilungsprozesses bei Patienten mit Tuberkulose. Eine statistische Signifikanz zeigte sich ­jedoch nur bei einer Untergruppe mit einer speziellen Mutation am Vitamin-D-Rezeptorgen. Foto: Dr.Ley, DGK

Nach einer Schätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab es 2008 weltweit 9,4 Millionen Tuberkulosefälle, 1,8 Millionen Menschen starben an der Erkrankung. Die durch Mycobacterium tuberculosis verursachte Krankheit tritt nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch in Industrienationen auf. Dort sind bevorzugt ärmere Bevölkerungsgruppen, darunter viele Migranten, betroffen.

Erstmalig randomisierte Studie durchgeführt

Die Idee, bei Tuberkulose Vitamin D3 zu verabreichen, ist nicht neu: sie stammt aus einer Zeit, als Antituberkulotika noch nicht verfügbar waren. Jüngere In-vitro-Studien konnten mittlerweile die zugrunde liegenden Wirkmechanismen (unter anderem aktiviert der Vitamin-D3-Metabolit Calcitriol das antimikrobielle Peptid Cathelicidin, ein Molekül des angeborenen Immunsystems) aufdecken. Vereinzelte Fallberichte hatten gezeigt, dass Tagesdosen zwischen 625 µg und 2,5 mg Vitamin D3 das Ansprechen von Tuberkulosepatienten auf eine antimikrobielle Behandlung verbessern können. In der kürzlich im Fachblatt Lancet publizierten britischen randomisierten kontrollierten Studie waren 146 Patienten zu Beginn (innerhalb der ersten sieben Tage) sowie 14, 28 und 42 Tage nach dem Start einer antimikrobiellen Tuberkulose-Behandlung (mit Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid und Ethambutol) auf eine tägliche Gabe von 2,5 µg Vitamin D3 bzw. Placebo randomisiert worden. Primärer Endpunkt war die Zeit von Behandlungsbeginn bis zur Sputumkultur-Konversion. Darüber hinaus wurde der Einfluss der Vitamin-D3-Rezeptor-Genotypen TagI und FokI auf das Ansprechen bestimmt.

Synthese von Vitamin D3 und Calcitriol im Organismus Die stoffwechselaktive Verbindung 1,25(OH)-Vitamin D3 (Calcitriol) ist ein Steroidhormon, das seine physiologischen Effekte überwiegend durch die Bindung an Vitamin-D-Rezeptoren ausübt. Vitamin D ist nicht nur ein Regulator der Calcium- und Phosphathomöostase, sondern weist zahlreiche extraskelettäre Wirkungen auf. So ist der Einfluss auf das Immunsystem sowie auf die Zelldifferenzierung und das Zellwachstum bedeutsam.

126 Patienten (62 aus der Vitamin-D-Gruppe, 64 aus der Placebogruppe) wurden in die Auswertung einbezogen. Die mittlere Zeit bis zur Sputumkultur-Konversion konnte durch die Vitamin-D-Supplementation um mehr als eine Woche verkürzt werden (Behandlungsgruppe: 36,0 Tage, Placebogruppe: 43,5 Tage). Dieser Unterschied war jedoch nicht statistisch signifikant (adjustierte hazard ratio HR = 1,39, 95% CI 0,90 bis 2,16, p = 0,14). In einer Subgruppenanalyse zeigte sich jedoch bei Patienten mit dem tt-TagI-Genotyp ein stärkeres Ansprechen (p = 0,02). Allerdings lag dieser Genotyp nur bei fünf Probanden der Behandlungsgruppe und sieben aus der Placebogruppe vor. Die mittleren Konzentrationen des Vitamin-D3-Metaboliten 25-Hydroxy-Colecalciferol lagen nach 56 Tagen in der Behandlungsgruppe bei 101,4 nmol/l und bei 22,8 nmol/l in der Placebogruppe (p < 0,0001). Serumspiegel von ≥ 75 nmol/l zeigen eine gute Versorgung mit Vitamin D an, bei Spiegeln von < 25 nmol/l spricht man von einem Defizit.

Genetischer Polymorphismus des Vitamin D-Rezeptor-Gens


Der Vitamin D-Rezeptor (VDR) ist im menschlichen Körper weit verbreitet, z. B. in der Niere, den Betazellen des Pankreas, im Darm, im Herzen. Sein Hauptligand ist das Calcitriol. Vom Gen des VDR-Rezeptors auf Chromosom 12 sind zahlreiche Mutationen bekannt (genetischer Polymorphismus). Die in der Studie beschriebenen Allele TaqI und FokI zählen zu den häufig vorkommenden Polymorphismen.

Weitere Studien notwendig

Bei der Auswertung wiesen die Studienautoren darauf hin, dass mehr als die Hälfte der Patienten vor Studienbeginn einen Vitamin-D-Mangel oder zumindest niedrige Vitamin-D-Spiegel aufwiesen. Sie führen dies unter anderem auf eine geringe Sonnenlichtexposition der untersuchten Personen zurück. Wenn auch kein statistisch signifikanter Effekt bezüglich des primären Endpunktes erreicht werden konnte, so führte die Vitamin-D3-Supplementation jedoch bei fast allen Behandelten zum Ausgleich des Vitaminmangels. Weshalb nur die Untergruppe der Patienten mit dem tt-Genotyp des TaqI-Vitamin-D-Rezeptor-Gens von der Behandlung profitierte, muss nach Meinung der Autoren Gegenstand weiterer Untersuchungen sein. In einem begleitenden Kommentar zur Studie wird die Frage aufgeworfen, ob der Ausbruch der Erkrankung durch eine frühzeitige Vitamin-D3-Substitution nicht hätte verhindert werden können. Auch zur Klärung dieser Fragestellung wären weitere Studien erforderlich.


Quelle

Martineau A.R., et al.: High-dose vitamin D3 during intensive-phase antimicrobial treatment of pulmonary tuberculosis: a double-blind randomized controlled trial. Lancet (2011) 377: 242 – 250.

Vieth, R.: Vitamin D nutrient to treat TB begs the prevention question. Lancet (2011) 377: 189 – 190.

Uitterlinden A.G., et al.: Genetics and biology of vitamin D receptor polymorphisms. Gene (2004) 338: 143 – 156.


Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

Zum Weiterlesen: Vitamin D3 – mehr als ein Knochen-Vitamin


Lange Zeit wurde lediglich die Bedeutung von Vitamin D für den Calcium- und Phosphatstoffwechsel gesehen. Dank zahlreicher Untersuchungen der letzten Jahre weiß man heute, dass Vitamin D zahlreiche weitere Funktionen besitzt, vor allem im Immunsystem, bei der Regulation der Insulinsekretion, der Herz-Kreislauf- und Muskelfunktion und in der Haut.

Prävention: Mit Vitamin D3 chronischen Erkrankungen vorbeugen.

DAZ 2009, Nr. 25, S. 62 – 69.



DAZ 2011, Nr. 7, S. 36

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