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Arzneimittel und Therapie
Folgeerkrankungen neo nataler Herpes-Infektionen
Neonatale Herpes-simplex-Infektionen treten mit einer Häufigkeit von 1:3000 bis 1:20.000 selten auf, können aber je nach Ausprägung gravierende Folgen haben und mit einer hohen Letalität einhergehen. Gefährdet sind vor allem Kinder, deren Mütter perinatal an einer asymptomatischen Herpes-simplex-Infektion (verursacht durch HSV1 oder HSV2) erkrankt sind.
Man unterscheidet drei klinische Manifestationen einer neonatalen Herpesinfektion:
Die lokalisierte Infektion. Sie ist mit rund 50% die häufigste und zugleich mildeste Form. Sie manifestiert sich an der Haut, den Augen und/oder am Mund und heilt folgenlos aus.
Die neonatale Herpesenzephalitis. Sie macht 33% aller neonatalen HSV-Infektionen aus, ist durch Lethargien und Krämpfe charakterisiert und führt bei etwa 70% der Erkrankten zu bleibenden Spätfolgen und neurologischen Defiziten. Die Letalitätsrate beträgt 6%.
Die disseminierte Form. Sie ist für 17% aller neonatalen Herpes-simplex-Infektionen verantwortlich, hat eine hohe Letalität – 30% der betroffenen Säuglinge sterben – und geht mit Hepatitis, Pneumonie, disseminierter intravasaler Gerinnung und Schock einher. Rund 20% der Überlebenden leiden an neurologischen Folgeerkrankungen.
Die Standardtherapie besteht bei lokaler Manifestation in einer zweiwöchigen, bei einer ZNS-Beteiligung oder bei einer disseminierten Infektion in einer dreiwöchigen parenteralen Aciclovir-Gabe. Trotz dieser Behandlung können neurologische Folgeerscheinungen und/oder kutane Rezidive auftreten. Daher untersuchte eine amerikanische Studiengruppe, ob eine längerfristige antivirale Therapie mit Aciclovir die Folgeerscheinungen reduzieren kann.
Verdächtige SymptomeDie Symptome einer Herpes-simplex-Infektion können in seltenen Fällen bereits bei der Geburt vorliegen, treten aber meist später als fünf Tage nach der Entbindung, manchmal auch vier bis sechs Wochen postnatal auf. Verdächtige Symptome sind
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Zwei Parallel-Studien
Für die zwei parallelen, doppelblinden, placebo-kontrollierten und multizentrischen Studien wurden 74 Neugeborene ausgewählt, bei denen eine Infektion mit dem Herpes-simplex-Virus vorlag. Zunächst erhielten alle Säuglinge eine parenterale Standardtherapie mit Aciclovir. Anschließend wurden die Säuglinge unterschiedlichen Gruppen zugeteilt. Die Säuglinge, deren ZNS betroffen war, wurden einer ersten Studie (ZNS-Gruppe) zugeteilt, die Säuglinge mit lokalen Manifestationen einer zweiten (Haut-Gruppe). Jede Studie bestand aus einem Verum- und einem Placebo-Arm. Die Säuglinge der Verum-Gruppen erhielten über sechs Monate hinweg oral eine Aciclovir-Suspension (300 mg/m², dreimal täglich), die Säuglinge der Vergleichs-Gruppe entsprechende Placebo-Gaben. Traten bei einem Säugling rezidivierende Hautreaktionen auf, wurde er entblindet und erhielt eine orale Aciclovir-Therapie.
Der primäre Studienendpunkt war der Stand der neurologischen Entwicklung nach zwölf Monaten, weitere Endpunkte ermittelten das erneute Auftreten kutaner Läsionen sowie die toxischen Effekte der Therapie.
Bessere neurologische Entwicklung unter Aciclovir
Bei 28 von 45 Säuglingen der ZNS-Gruppe konnte nach zwölf Monaten der Stand der neurologischen Entwicklung festgestellt werden. Dieser wurde mithilfe des Mental Development Index of the Bayley Scales of Infant Development beurteilt, der eine Skala von 50 bis 150 Punkten aufweist. Der Mittelwert liegt bei 100 Punkten, höhere Werte weisen auf eine bessere, niedrigere Werte auf eine beeinträchtigte Neuroentwicklung hin. Für die mit Aciclovir behandelten Säuglinge wurde ein signifikant höherer Wert ermittelt als für die Säuglinge der Placebo-Gruppe (88,2 vs. 68,1; p = 0,046), was den Schluss zulässt, dass Aciclovir die neurologische Entwicklung verbessert. In der Haut-Gruppe wurde kein Unterschied festgestellt, was wenig erstaunt, da diese Art der Erkrankung selten mit neurologischen Folge erscheinungen einhergeht.
Um den Einfluss einer Aciclovir-Therapie auf die Hautreaktionen zu untersuchen, wurden die Daten aller 74 Säuglinge kombiniert ausgewertet. Dabei wurde zwischen den Verum- und den Placebo-Gruppen ein signifikanter Unterschied zugunsten von Aciclovir festgestellt. Analysiert man nur die Daten der Haut-Gruppe, so war der Unterschied nicht mehr signifikant, was möglicherweise auf die geringe Zahl der Säuglinge (insgesamt 29) zurückzuführen ist.
Die Therapie wurde von den Säuglingen gut vertragen und es kam zu keinem Studienabbruch aufgrund von Nebenwirkungen. In den Aciclovir-Gruppen wurde ein Trend zu mehr Neutropenien festgestellt. Bei weiteren hämatologischen oder biochemischen Laborparametern zeigt sich kein Unterschied zwischen den Verum- und Placebo-Gruppen, dasselbe gilt für weitere Nebenwirkungen der Therapie.
Empfehlung der Autoren: sechs Monate Aciclovir
Die Studienautoren und ein Kommentator raten daher, der Standardtherapie mit parenteral appliziertem Aciclovir eine sechsmonatige orale Aciclovir-Therapie anzuschließen. Dem jetzigen Kenntnisstand zufolge profitieren vor allem Kindern mit ZNS-Befall von der Aciclovir-Gabe, da sich ihre neurologische Entwicklung verbessern lässt. Ist die Erkrankung nur lokalisiert, so kann unter Umständen durch die Virussuppression das erneute Auftreten von Hautreaktionen verringert werden. Potenzielle Risiken wie die Entwicklung von Resistenzen oder Nebenwirkungen der Therapie werden als minimal erachtet.
Quelle Kimberlin D., et al.: Oral acyclovir suppression and neurodevelopment after neonatal herpes. N Engl J Med 365, 1284 – 1292 (2011).Gershon A.: Neonatal herpes simplex infection and the tree musketeers. N Engl J Med 365, 1338 – 1339 (2011).www.clinicaltrials.gov NCT00031460 und NCT00031447
Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
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