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Aus Kammern und Verbänden
Arzneimittel effektiver anwenden
"Mehr leisten und weniger dafür bekommen” war der provokante Titel des Eröffnungsvortrags von Prof. Normand (Trinity College, Dublin), in dem er darlegte, dass in jedem Gesundheitssystem Effizienzsteigerungen um bis zu 20% möglich sind, ohne den Qualitätsstandard zu senken. Alle Kollegen in Europa seien mit Reformen und Einsparungen konfrontiert. Neben neuen Technologien und Techniken sind es auch neue Prozessstrukturen, die die Effizienz steigern z. B. das Delegieren von Tätigkeiten auf andere Berufsgruppen, auto matisierte Prozesse oder eine optimierte Organisation. Doch warnte Normand vor einer zu schnellen Veränderung von Prozessen und Organisation, denn dann könne die Effizienz sogar abnehmen.
Ministerin will Apotheken stärken
Die irische Gesundheitsministerin Kathleen Lynch stellte sich in ihrem Grußwort hinter die Apotheker. "Apotheken sind die primäre Anlaufstelle in Gesundheitsfragen. Ärzte sind dafür zu teuer." Es sei daher immens wichtig, die Institution Apotheke zu stärken, um eine flächendeckende Primärversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. "Die Lösung für ein angeschlagenes Gesundheitssystem ist es daher nicht, Apotheken durch Sparzwang zur Aufgabe zu bewegen, sondern das Gegenteil: Nur durch eine Stärkung der Apotheke als Primärversorger der Bevölkerung ist ein angeschlagenes Gesundheitssystem zu retten."
Prof. Martin Schulz, Berlin, zeigte in seinem Vortrag, wie unterschiedlich pharmazeutische Interventionen sein können – und wie unterschiedlich die Aussagekraft von Studien zur pharmazeutischen Betreuung ist. Das Spektrum reicht von speziellen Interventionen bei speziellen Erkrankungen (z. B. Inhalationstechniken bei Asthmatikern) bis zum komplexen Medication Review bei Patienten mit Multimedikation. Für eine Evaluation der Interventionen sind die Endpunkte und die klinische Relevanz schwer zu definieren. Die bisher durchgeführten Studien sind sehr heterogen, schlecht vergleichbar und inkonsistent in ihrem Ergebnis; zudem konnten sie nur einen kleinen Effekt der pharmazeutischen Interventionen belegen. Es werden dringend gute randomisierte kontrollierte Studien mit harten Endpunkten benötigt, um belegen zu können, welchen Nutzen Pharmazeutische Betreuung hat.
Mehr Therapieerfolge durch Genotypisierung
Hans Mulder, NL-Assen, berichtete über Studienergebnisse zur Anwendung der Pharmakogenetik in der Psychiatrie. Normalerweise wirken Psychopharmaka bei 30 bis 40% der Patienten nicht ausreichend. Genotypisierungen könnten diesen Anteil verringern. Während die Genotypisierung der Patienten bezüglich der Pharmakodynamik von Arzneistoffen in der nahen Zukunft nicht realistisch erscheint, ist sie bezüglich der Pharmakokinetik relativ einfach durchzuführen. Einzelnucleotid-Polymorphismen (SNPs) auf bestimmten Genen führen zu einer beschleunigten oder verlangsamten Verstoffwechselung bestimmter Arzneimittel, sodass deren Dosis entsprechend angepasst werden muss. Die Niederländische Pharmazeutische Gesellschaft (KNMP) hat bereits Dosierungsempfehlungen für 53 Arzneimittel unter der Berücksichtigung der SNPs in elf Genen erarbeitet. Am häufigsten führen SNPs in dem Gen, das das Enzym CYP2D6 codiert, zu Problemen. Daher hält Mulder es für möglich, dass CYP2D6-Genotypisierungen bald standardmäßig durchgeführt werden. Die "Number needed to genotype" beträgt hier nur vier Patienten, d. h. dass die Genotypisierung bei jedem vierten Patienten unerwünschte Arzneimittelwirkungen vermeiden oder die erwünschte Arzneimittel wirkung optimieren kann.
Probleme bei jungen und alten Patienten
Typische Probleme der Pharmakotherapie von Kindern beleuchtete Stephen Tomlin, London, in seinem Vortrag. Viele Arzneistoffe sind für Kinder nicht zugelassen und werden "off label" angewandt. Die übliche Praxis, die für Erwachsene gültige Dosis entsprechend dem Körpergewicht auf Kinder "umzurechnen", kann sowohl zur Unter- als auch zur Überdosierung führen. Bei der anschließenden Zubereitung können schwere Medikationsfehler wie Überdosierungen um den Faktor 10 oder 100 auf treten. Bei der Verdünnung von flüssigen Arzneiformen kann der Wirkstoff ausfallen. Für Kinder bedenklich sind einige Hilfsstoffe wie Alkohol, Sorbitol oder auch Zucker.
Bei alten Patienten können ein schlechtes Sehvermögen, Unkenntnis der richtigen Anwendung des Arzneimittels oder motorische Einschränkungen die Pharmakotherapie beeinträchtigen. Ein kindergesicherter Verschluss kann es auch einem alten Menschen unmöglich machen, die Arzneimittelpackung zu öffnen. So sind mehrere Kriterien bei der Auswahl des bestgeeigneten Arzneimittels zu berücksichtigen.
Im Symposium wurden auch interdisziplinäre Konzepte der palliativen Therapie und zur Verbesserung der Adhärenz psychiatrischer Patienten vorgestellt und in Podiumsdiskussionen erörtert. In 23 Workshops wurden verschiedene pharmazeutische Dienstleistungen, zumeist im Krankenhausbereich, vorgestellt.
Aber auch Workshops zu den Themen "Wie publiziere ich wissenschaft lich?", "Wie setze ich Psychopharmaka sicher ein?" und "Wie lese und interpretiere ich wissen schaftliche Studien?" wurden angeboten.
Ein ausführlicher Kongressbericht erscheint im Januar 2012: News from the 40th European Symposium on Clinical Pharmacy, 19 – 21 October 2011, Dublin. Drugs & Therapy Perspective 2012;28(1):21 – 26.
Das 41. Symposium der ESCP mit dem Generalthema "Personalized and Safe Therapy" findet vom 29. bis 31. Oktober 2012 in Barcelona statt. Dazwischen veranstaltet die ESCP einen inter nationalen Workshop über "Patients, infections and the clinical pharmacist" vom 30. Mai bis 1. Juni in Löwen, Belgien.
Martina Hahn und Katherine Lyseng-Williamson
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