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Feuilleton
Wege aus der Wassernot
Früher war Adhija eine gute Schülerin. Mit Eintritt der Pubertät ließ aber ihr Eifer nach. Sie fehlte oft in der Schule und wurde nicht versetzt. Einer Ärztin vertraute die Dreizehnjährige an, dass sie während der Periode Hemmungen habe, die Schul toilette zu benutzen. In der sanitären Anlage gab es keine Türen, und die Kabinen waren völlig verdreckt. Auch eine Klassenkameradin hatte Angst, die Toilette aufzusuchen, nachdem sie dort einmal sexuell belästigt worden war. Scham, Ekel und Furcht wegen des Zustands der Toiletten in Schulen sind ein Hauptgrund, warum indische Schülerinnen den Schulbesuch verweigern und keinen Schulabschluss erlangen.
Unhygienische Schultoiletten sind natürlich auch Tummelplätze für Krankheitserreger. Eine Studie von Unicef belegt, dass sich in den Entwicklungsländern jährlich Hunderte Millionen Kinder in Schultoiletten mit parasitären Würmern und Protozoen infizieren. Aus diesem Grund sterben in Afrika und Asien täglich 5000 Kinder an Diarrhö. Diese Zahl könnte um ein Drittel gesenkt werden, wenn die Schultoiletten saniert würden.
AusstellungBis zum 12. Februar 2012 im Hafenmuseum Speicher XI Am Speicher XI 1, 28217 Bremen Tel. (04 21) 3 03 82 79, Fax 3 03 82 84 www.hafenmuseum-speicherelf.de Geöffnet: dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr |
Abwasserreinigung mit einfachen Mitteln
Seit über 25 Jahren engagiert sich die Bremer Arbeitsgemeinschaft für Überseeforschung & Entwicklung (BORDA) unter anderem für eine Verbesserung der Hygiene und der Umweltbedingungen in Entwicklungsländern. Sie errichtet dort Sanitäranlagen sowohl für Schulen und Heime als auch für ganze Dorfgemeinschaften; diese Anlagen sind für rund 500 Personen ausgelegt und umfassen außer Toiletten auch Wasch- und Bade räume. Damit die Bevölkerung bei der Benutzung einen gewissen Hygienestandard einhält, wird sie schon vor der Fertigstellung über die Zusammenhänge zwischen Hygiene und Gesundheit aufgeklärt.
Zudem installiert BORDA Wasserleitungen und Anlagen zur zentralen Abwasserbehandlung (DEWATS – Decentralized Wastewater Treatment Systems).
DEWATS klären die Abwässer biologisch von der anaeroben bis zur aeroben Stufe. Das dabei entstehende Biogas wird in den Küchen genutzt. Weil die flexibel kombinierbaren Module unterirdisch installiert werden, bleiben Verkehrs- und Nutzflächen erhalten. Zuweilen werden Teile der Kläranlagen sogar in gärtnerische Anlagen einbezogen. Mit der geruchsneutralen Pflanzenklärstufe und sogenannten Schönungsteichen wurde z. B. der Eingangsbereich eines indonesischen Krankenhauses ansprechend gestaltet. Das gereinigte Wasser kann für die Bewässerung von Gärten und Feldern verwendet oder direkt in natürliche Gewässer eingeleitet werden.
Bisher hat BORDA in Afrika, Indien, Indo nesien und Vietnam über 900 DEWATS und über 35 Gemeinschaftssanitäranlagen gebaut – für eine Organisation, die sich weitestgehend aus Spenden finanziert, eine respektable Leistung. Die Verbesserung der Hygiene in Entwicklungsländern ist indessen eine Herkulesaufgabe: Allein in Indien gelangen fast 99 Prozent der Abwässer aus Haushalten und kleineren bis mittleren Betrieben noch unbehandelt in Gewässer, ins Grundwasser und ins Meer.
Warnung vor der "Wasserkrise"
Gewässerverunreinigungen bedrohen nicht nur die Volksgesundheit und die Natur, sondern sie verknappen auch das kostbare Gut Trinkwasser. Auch eine zu intensive Landnutzung und der Klimawandel lassen vielerorts die Trinkwasserressourcen schwinden, während der Bedarf weiterhin steigt. Insbesondere in den trockenen Gebieten des Südens werden die ohnehin schon geringen Vorräte weiterhin abnehmen. Auch gehen durch das Abschmelzen der Gletscher und den Verlust von Feuchtgebieten vielerorts natürliche Wasserspeicher verloren.
Die UNO warnt in ihrem Weltwasserentwicklungsbericht vor einer bevorstehenden Wasserkrise und nennt u. a. Armut und eine falsche Wasserbewirtschaftung als Ursachen. Global betrachtet verbraucht die Landwirtschaft drei Viertel des genutzten Wassers. In Deutschland sind hingegen die Industrie und Kraftwerke mit 87 Prozent mit Abstand die größten Verbraucher, während die Landwirtschaft nur einen Anteil von vier Prozent hat.
Virtuelles Wasser in Produkten
Das zum großen Teil klimatisch und geografisch bedingte Missverhältnis zwischen den Regionen der Erde wird durch den Verbrauch "virtuellen Wassers" noch verschärft: Mit Waren aus wasserarmen Ländern wird das für ihren Anbau oder ihre Produktion benötigte Wasser mit in die Industriestaaten des Nordens transportiert. 16.000 Liter Wasser vom Futteranbau bis zum Tränken der Tiere werden zum Beispiel benötigt, um ein Kilogramm Rindfleisch zu produzieren. Der "virtuelle Wassertank" eines T-Shirts hat ein Volumen von 15.000 Litern. Davon werden "nur" 2700 Liter für den Anbau der notwendigen Baumwollmenge verbraucht. Für das Waschen der Baumwolle, das Färben und andere Produktionsprozesse sind weitere 12.300 Liter Wasser erforderlich.
Damit trotz wachsender Weltbevölkerung künftig jeder Mensch seinen Wasserbedarf decken kann, ist ein schonender Umgang mit den kostbaren Ressourcen dringend notwendig. Die Europäische Union hat mit der Ver abschiedung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie im Jahr 2000 alle Gewässer für schutz bedürftig erklärt. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, ihre in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen und sie insbesondere vor der Verunreinigung durch unbehandelte Abwässer und Chemikalien zu schützen.
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Großes Einsparpotenzial in Entwicklungsländern
Im selben Jahr formulierte die UNO das Ziel, bis 2015 die Anzahl der Menschen, die keinen Zugang zu Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung haben, zu halbieren. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen in Ländern mit unterentwickelter Infrastruktur keine kostspieligen High-Tech-Anlagen gebaut werden. Wie die Projekte von BORDA zeigen, ist die Reinigung der Haushaltsabwässer an Ort und Stelle eine gute und preisgünstige Lösung. Die Kosten für eine Gemeinschaftssanitäranlage mit einem DEWATS betragen 10.000 bis 30.000 Euro.
Die Landwirte in den trockenen Regionen der Erde müssen künftig sparsamer mit dem kostbaren Nass umgehen. Beim bisher üblichen Beregnen oder Fluten der Anbauflächen erreichen nur 25 bis 30 Prozent des eingesetzten Wassers die Nutzpflanzen. Die Tröpfchenbewässerung ist mit einem Wirkungsgrad zwischen 75 und 90 Prozent zwar effizienter, aber teuer und bedarf darüber hinaus gewisser technischer Voraussetzungen. Daher ist sie in schwach entwickelten Ländern für die allermeisten Landwirte kaum erschwinglich. Stattdessen ist hier die Bewässerung mit gereinigtem Abwasser in Kombination mit einer besseren Nutzung von Regenwasser die Lösung der Wahl. Weitere Einsparpotenziale bietet der Anbau von Pflanzensorten mit geringerem Wasserbedarf.
Reinhard Wylegalla
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