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Transparency klagt gegen KBV

BERLIN (ks). Transparency International Deutschland geht zwielichtigen Anwendungsbeobachtungen nach. Nun meldet die Antikorruptions-Organisation, sie habe gegen die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) Klage auf Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz erhoben. Damit will sie Informationen zu Art und Umfang der durchgeführten Anwendungsbeobachtungen erhalten.

Transparency interessiert sich insbesondere für die verschriebenen Medikamente, die Anzahl der betroffenen Patienten, die verschreibenden Ärzte sowie die an sie gezahlten Honorare und eventuelle Missbrauchsfälle. Bisher habe sich die KBV geweigert, diese Informationen offenzulegen, so Transparency.

"Legalisierte Korruption"

Transparency Deutschland sieht in den Anwendungsbeobachtungen schon lange "eine Form von legalisierter Korruption". Aus Sicht der Organisation handelt es sich schlicht um ärztliche Arzneimittelverordnungen im Interesse von Pharmafirmen. Die Mediziner stellten ihre Patienten auf neue, weniger erprobte – dafür teurere – Arzneimittel um und erhielten dafür ein besonderes Entgelt – von bis zu 6000 Euro je Einzelfall ist die Rede. Diese Zahlungen, so Transparency, hätten erhebliche finanzielle Auswirkungen auf die gesetzlichen Krankenkassen. Sie belasteten die Beitragszahler mit "zusätzlichen Kosten für nutzlose Scheinstudien von geschätzt über 1 Milliarde Euro pro Jahr". Darüber hinaus seien die Anwendungsbeobachtungen auch für Patienten riskant, da ihre Durchführung keinen exakten Regelungen unterliegt.

Pharmaindustrie überwacht sich selbst

Doch Anwendungsbeobachtungen sind vom Gesetzgeber akzeptiert – er sieht sie als eine Form der Versorgungsforschung. Das Arzneimittelgesetz spricht von nichtinterventionellen Prüfungen (§ 4 Abs. 23 Satz 3 AMG). Dies sind Untersuchungen, in deren Rahmen "Erkenntnisse aus der Behandlung von Personen mit Arzneimitteln anhand epidemiologischer Methoden analysiert werden; dabei folgt die Behandlung einschließlich der Diagnose und Überwachung nicht einem vorab festgelegten Prüfplan, sondern ausschließlich der ärztlichen Praxis".

Anwendungsbeobachtungen sind – anders als klinische Studien – nicht genehmigungspflichtig, müssen aber gemäß § 67 Abs. 6 AMG der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, dem GKV-Spitzenverband sowie der zuständigen Bundesoberbehörde unverzüglich angezeigt werden. Es existieren zudem Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Planung, Durchführung und Auswertung von Anwendungsbeobachtungen. Die Pharmaindustrie selbst hat sich in ihren Kodizes zur Selbstkontrolle Vorschriften für den Umgang mit Anwendungsbeobachtungen gemacht. Der Verein "Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e. V." (FSA) nimmt für sich in Anspruch, dass seine für Anwendungsbeobachtungen festgeschriebenen Leitlinien deutlich über gesetzliche Vorgaben hinausgehen und dazu beitragen, die medizinisch-methodische Qualität der Studien zu sichern.

TI: Ungeeignet zum Erkenntnisgewinn

Dennoch ist Transparency-Vorstandsmitglied Angela Spelsberg überzeugt: "Anwendungsbeobachtungen sind nicht geeignet, gesicherte Erkenntnisse über die Qualität von Arzneimitteln zu gewinnen. In Einzelfällen schaden sie den betroffenen Patienten mehr als sie nützen. Sie müssen daher verboten werden." Dieter Hüsgen, Leiter der Arbeitsgruppe Informationsfreiheit von Transparency Deutschland, sieht sich mit dem Informationsfreiheitsgesetz auf der sicheren Seite: Mit ihm werde es gelingen, die gewünschten Daten von der KBV zu bekommen.



DAZ 2011, Nr. 47, S. 48

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