Aus Kammern und Verbänden

Töbing verabschiedet sich als Kammerpräsident

Die Sitzung der Kammerversammlung der Apothekerkammer Hamburg am 15. November bewegte sich im Spannungsfeld von Vergangenheit und Zukunft. Rainer Töbing erstattete seinen letzten Bericht als Kammerpräsident, weil er nach zwei Amtszeiten bei der Vorstandswahl im Dezember nicht wieder kandidieren wird. In die Zukunft gerichtet war ein Vortrag von Prof. Dr. Theo Dingermann, Frankfurt/Main, zur Positionierung der Apotheke im Jahr 2030.
Foto: Apothekerkammer Hamburg
Bei der Kammerversammlung der Apothekerkammer Hamburg (von links): Prof. Dr. Theo Dingermann, Kammerpräsident Rainer Töbing, Kammergeschäftsführer Dr. Reinhard Hanpft.

Töbing erklärte, nach acht Jahren Amtszeit gehe ein schöner Lebensabschnitt seinem Ende entgegen. In einer teilweise sehr persönlichen Rede ging er zunächst auf allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen ein. Er forderte mehr gegenseitigen Respekt und Anstand, damit klar sei, was gut, was tolerabel und was inakzeptabel sei. Er wandte sich gegen den neuen Menschentypus des Wutbürgers. Dieser stehe für Rückschritt und sei für ihn die aktuelle Form des deutschen Spießers. Demokratie lebe auch vom Kompromiss. Statt Wut forderte Töbing Begeisterung, Elan, Produktivität und Fantasie.

Tägliches Jammertal

Die Entwicklung der Apotheken bezeichnete Töbing als das "tägliche Jammertal der Pharmazie": Die Krankenkassen wollten wohl nicht begreifen, dass Apotheker und Ärzte auch das Wohl der Versicherten im Sinn haben. Die Qualität werde unter Knebelverträgen nicht besser. Blister und Alufolien werden immer dünner, die Haltbarkeitszeiten immer kürzer. "Die Koalition hat schwer zu kämpfen, und die Apothekerei hat bei ihr sehr wenig Priorität", so Töbing.

Die Apotheker hätten früher zu sehr über das Apothekensterben geklagt und würden jetzt abgetan. "Gehört werden wir wohl erst, wenn in der Fläche im Notdienst 100 Kilometer zu fahren sind", meinte Töbing.

Zudem wies Töbing auf den internationalen Aspekt der Entwicklung hin. Er zitierte einen Beitrag aus einer amerikanischen Fachzeitschrift, wonach die Apotheker am Scheideweg zwischen dem Ableben ihres Berufsstandes und der Spitze der Veränderung stehen. Letzteres bedeute, dass die Apotheker auf hohem wissenschaftlichem Niveau mit anderen Professio nen zusammenarbeiten. Doch das gelinge nicht, wenn sie mit der Erfüllung von Rabattverträgen und der Verteilung von Medikamenten beschäftigt blieben. Daher wünschte Töbing dem ABDA-KBV-Modell durchschlagenden Erfolg. Er kündigte an, noch in einigen Aufgaben für die Apotheker tätig zu bleiben, aber er freue sich jetzt auf seinen Ruhestand.

Optionen für die Zukunft

Prof. Dr. Theo Dingermann präsentierte Vorstellungen über die Zukunft der Arzneimittelversorgung und ihre Konsequenzen für die Offizinpharmazie im Jahr 2030. Neben der Arzneimitteldistribution sieht Dingermann durch neue technologische Entwicklungen viele Optionen für eine intensivere Versorgung der Patienten. Doch befänden sich die Apotheken in einem Spannungsfeld aus Kommerzialisierung und Spezialisierung.

Als herausragendes Beispiel für eine aussichtsreiche Spezialisierung verwies Dingermann auf die Möglichkeit, die Arzneimittelauswahl an der individuellen Genausstattung des Patienten zu orientieren und damit auch die Verträglichkeit zu optimieren (siehe auch DAZ 2011, Nr. 46, S. 97 – 98).

Position zur Apothekenbetriebsordnung

Über die Schwerpunkte der Berufspolitik und der Kammerarbeit aus aktueller Sicht berichtete Kammergeschäftsführer Dr. Reinhard Hanpft. Dabei präsentierte er insbesondere Thesen der Apothekerkammer Hamburg zum vorliegenden Entwurf zur Apothekenbetriebsordnung. Übereinstimmend zur Position der ABDA sieht die Apothekerkammer Hamburg dort wesentlichen Änderungsbedarf. So fordert die Kammer "Gleiche Pflichten für alle Apotheken, auch im Filialverbund". Denn die Privilegierung von Filialen würde zur einer Verschlechterung der Versorgungsqualität in der Fläche führen. Die Kammer fordert, das Arzneibuch und den DAC/NRF weiterhin als Pflichtausstattung jeder Apotheke ausdrücklich zu nennen, weil gerade die DAC- und NRF-Vorschriften für die Qualität der Arzneimittel unverzichtbar seien. Die Listen der vorgesehenen Prüfgeräte und -mittel sollten reduziert und aktualisiert werden, aber grundsätzlich erhalten bleiben.

Eine weitere These der Apothekerkammer Hamburg lautet: "Der Versorgungsauftrag der Apotheke darf nicht verwässert werden." Die Kammer spricht sich damit gegen eine "uferlose Ausweitung" des Randsortiments, Dienstleistungen mit nur mittelbarem Gesundheitsbezug und die Vermittlung von Leistungen Dritter aus. Außerdem solle die pharmazeutische Verantwortung nicht ausgelagert werden. Die Kammer bemängelt, dass bei der Auslagerung von Tätigkeiten auf externe Auftragnehmer die persönliche Verantwortung des Erlaubnisinhabers im Unklaren bleibe.

In einer weiteren These wendet sich die Apothekerkammer Hamburg gegen den Einsatz von nicht-pharmazeutischem Personal bei der Herstellung von Defekturen und Parenteralia. Zudem fordert sie eine umfassende Qualitätssicherung, die sich auf alle relevanten pharmazeutischen Tätigkeiten bezieht; eine Zertifizierungspflicht solle aber nicht eingeführt werden. Die Beratung und Information solle sich am jeweiligen Risiko orientieren. Der Apotheker müsse weiterhin einen Ermessensspielraum behalten. Außerdem fordert die Kammer, die pharmazeutische Qualität auch beim Botendienst und bei der Rezeptsammlung sicherzustellen. Der Botendienst dürfe sich nicht zu einer Variante der Regelversorgung entwickeln.

Hanpft erklärte, es sei geradezu absurd, dass sich das Ministerium Jahre für den Entwurf Zeit gelassen habe, aber für die Stellungnahme der Betroffenen nicht einmal ein Monat bleibe. Dies sei auch ein Affront gegen die Überwachungsbehörden der Länder.

Weiterbildung und QMS

Im seinem Bericht über die Arbeit der Kammer erklärte Hanpft, dass die zuständigen Gremien die direkte Umsetzung der neuen Durchführungsbestimmungen der Bundesapothekerkammer zur Allgemeinpharmazie befürworten. Demnach müssen sich die Weiterzubildenden ab 2012 mindestens zweimal jährlich in Weiterbildungszirkeln treffen. Mehr Resonanz als die Weiterbildung habe derzeit das QMS-Angebot der Kammer. Der 13. Schulungszyklus sei komplett aus gebucht. 50 Anmeldungen aus zehn Apotheken zeigen, dass das QMS als Angebot an das ganze Team angenommen wird.

Inzwischen sei auch der dritte Zyklus der Beratungstests und Feedbackgespräche fast abgeschlossen. Dabei sei eine positive Entwicklung der Ergebnisse erkennbar, auch wenn man mit dem Erreichten noch nicht zufrieden sein könne. Die Feedbackgespräche haben mittlerweile eine Resonanz von über 80 Prozent erreicht.

Die Kammerversammlung beschloss, das in Baden-Württemberg bereits etablierte Konzept der akademischen Ausbildungsapotheken mit geringen Variationen in Hamburg einzuführen. Dabei sollen Apotheken, die definierte Voraussetzungen erfüllen, mit einem speziellen Logo werben dürfen. Den künftigen Pharmazeuten im Praktikum soll damit die Suche nach einer besonders qualifizierten Ausbildungsstätte erleichtert werden.


tmb



DAZ 2011, Nr. 47, S. 100

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