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Pro Generika fordert vertragsfreie Wettbewerbsphase
Ausgangspunkt der neuen Forderung ist ein Gutachten, das das Berliner IGES-Institut im Auftrag von Pro Generika erstellt hat. Dieses stellt zum einen die Bedeutung von Generika im Arzneimittelmarkt dar: In der Regel durchdringen sie den Markt rasch, fast 70 Prozent aller in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordneten Arzneimittel sind heute Generika. Dabei haben sie jedoch nur einen Umsatzanteil von 22 Prozent. Betrachtet man allerdings einzelne Wirkstoffmärkte, so zeigen sich erhebliche Unterschiede, die darauf hindeuten, dass der Wettbewerb nicht überall gleich gut funktioniert. IGES geht von drei Gruppen von Substanzen aus: So gibt es Wirkstoffe wie Pantoprazol, Venlafaxin, Nebivolol oder Tamsulosin, bei denen generische Präparate zwei Jahre nach Patentablauf mehr als 85 Prozent des Marktes (DDD) abdecken. Zuweilen ist der Markt sogar fast vollständig (knapp 97 Prozent) in generischer Hand. Bei anderen Substanzen – etwa Fluvastatin, Oxycodon, Clopidogrel oder Hydromorphon – liegt der Generikaanteil zu diesem Zeitpunkt nur bei 40 bis 85 Prozent. Zu guter Letzt existieren noch generische Wirkstoffe, die selbst zwei Jahre nach Patentablauf weniger als 40 Prozent ausmachen. Hierzu zählen etwa Buprenorphin, Escitalopram, Leuprorelin und Octreotid.
Einsparpotenzial von 665 Millionen Euro
Während in der ersten Substanzgruppe, in der der Generikawettbewerb sich voll entfalten kann, nach zwei Jahren Preisrückgänge um rund 57 Prozent bei Nachahmerpräparaten auszumachen sind (Originale: plus zwei Prozent), haben es Wirkstoffe der letzten Gruppe weitaus schwerer. Wenn Generika hier nur rund fünf Prozent des Marktes abdecken, ist auch der preisliche Spielraum begrenzt – dennoch sanken die Preise hier der Studie zufolge noch immer um fast elf Prozent, während sie für Originale um 16 Prozent stiegen. IGES stellt die Rechnung auf, dass der eingeschränkte bzw. stark eingeschränkte Wettbewerb bei den zehn umsatzstärksten Wirkstoffen der zweiten und dritten Gruppe Einsparungen von rund 665 Millionen Euro verhindert.
Studienautor und IGES-Geschäftsführer Dr. Martin Albrecht nannte als Gründe für den eingeschränkten Wettbewerb neben Rabattvereinbarungen zwischen Krankenkassen und Erstanbietern auch Patentstreitigkeiten, fachliche Kontroversen über die vermeintliche Gleichwertigkeit von Generika bzw. Biosimilars oder Produktanpassungen der Erstanbieter kurz vor Patentablauf sowie Zulassungserweiterungen, mit denen Erstanbieter ihre Marktexklusivität zeitlich ausweiten. Die Studie konzentriert sich im Weiteren jedoch auf die Auswirkungen der Rabattverträge. Speziell die Rabattverträge mit Erstanbietern über den Patentablauf hinaus verringerten die Wettbewerbsintensität. "Es besteht das Risiko, dass anfängliche Einsparungen durch Rabattverträge mit Originalherstellern im Zeitverlauf zu Verlusten werden, vor allem wenn diese Verträge längerfristig Markteintritte von Generikaanbietern verhindern und den Preiswettbewerb schwächen", so Albrecht. Prominentes Beispiel sind derzeit Rabattverträge über das Eli Lilly-Präparat Zyprexa (Olanzapin), für das Ende September das Patent abgelaufen ist. Hier hat Lilly mit nahezu allen gesetzlichen Krankenkassen einen Rabattvertrag über sein Originalpräparat geschlossen – die AOK-Gemeinschaft hat jüngst einen Rückzieher bei der generischen Ausschreibung dieses Wirkstoffs gemacht (siehe hierzu auch DAZ 2011, Nr. 41, S. 20).
Marktkonzentration schreitet voran
Albrecht verwies zudem darauf, dass Rabattverträge das Risiko von Marktkonzentrationen erhöhen und Wettbewerb behindern können. Darauf deuteten neuere Entwicklungen hin – insbesondere die jüngsten AOK-Ausschreibungen. So hatten die zehn umsatzstärksten Generikaanbieter mit Rabattvertrag im vergangenen Jahr einen Anteil von 75 Prozent am Gesamtumsatz dieses Marktsegments. Dagegen lag der entsprechende Anteil der zehn umsatzstärksten Arzneimittelanbieter im generikafähigen Markt ohne Rabattvertrag bei nur 35 Prozent. Schließen musste aufgrund dieser Entwicklung zwar noch kein Generikaunternehmen in Deutschland, räumte der Pro Generika-Vorsitzende Wolfgang Späth ein. Wohl aber seien Strukturen abgebaut, Investitionen abgezogen und Sortimente bereinigt worden.
Geforderte Maßnahmen
Späth sieht durch die Studie bestätigt, dass die Behauptung, Rabattverträge hätten überhaupt erst Wettbewerb im Generikamarkt geschaffen, schlicht "Unsinn" ist. Die Verträge erhöhten nicht die Intensität des Wettbewerbs, sondern sorgten vielmehr für eine Marktkonzentration. Die bestehenden Wettbewerbshemmnisse, so Späth schädigten nicht zuletzt Zukunftsmärkte, insbesondere den der Biosimilars. Pro Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer leitete aus der IGES-Studie konkrete Maßnahmen für mehr Wettbewerb ab. So müsse es mit dem Patentablauf eine "Stunde Null" geben. Das bedeutet, dass alle Krankenkassenmärkte für alle Generikaanbieter offen sein müssen – Rabattverträge von Anbietern patentgeschützter Arzneimittel dürfen nur bis zum Ablauf des Patents gelten. Aber auch das alleine reiche nicht aus, so Bretthauer weiter. Um nach Patentablauf faire und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Anbieter zu sichern und den Wettbewerb nachhaltig zu gestalten, müsse es zusätzlich eine zweijährige vertragsfreie Wettbewerbsphase geben. Denn sowohl die Untersuchungen des IGES wie auch eine jüngst vorgestellte Studie der EU-Kommission zu den Arzneimittelmärkten in Europa zeigten, dass es bis zu zwei Jahre brauche, bis sich der Generikawettbewerb voll entfaltet. Bretthauer: "Das sind zwei konkrete Maßnahmen, die den patentfreien Arzneimittelmarkt für alle Anbieter öffnen und damit den Generikawettbewerb nachhaltig gestalten können". Er forderte eine rasche politische Lösung – wenngleich er nicht erwartet, dass diese bereits im Versorgungsstrukturgesetz gefunden wird.
DAZ 2011, Nr. 42, S. 19
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