DAZ aktuell

Information ja – Werbung nein

BERLIN (jz/ks). Die Pharmaindustrie darf Patienten nur neutral und verständlich über verschreibungspflichtige Arzneimittel informieren – das Werben für Rx-Arzneimittel bleibt verboten. Dies ist wesentlicher Inhalt der überarbeiteten Vorschläge zur sogenannten "Patienteninformationsrichtlinie", den die Europäische Kommission letzte Woche annahm. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) begrüßte die Entwicklung grundsätzlich. Die europäische Verbraucherorganisation BEUC ist mit den geplanten Regelungen allerdings nicht zufrieden.

Die neuen Vorschläge legen fest, wie die Industrie die Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Arzneimittel informieren darf. Wegen der Kritik von Ärzten, Apothekern und Verbraucherorganisationen hatten die Europaabgeordneten den ursprünglichen Vorschlag, der im Jahr 2008 vom damals noch zuständigen Industriekommissar Günter Verheugen vorgelegt worden war, abgelehnt. Er war vielfach als Lockerung des Werbeverbotes für verschreibungspflichtige Arzneimittel interpretiert worden. Nach der letzten Europawahl wurden die Kompetenzen für Arzneimittelpolitik vom Industriekommissar auf den Gesundheitskommissar verlagert.

Die gründlich überarbeiteten Vorschläge des nun zuständigen Kommissars John Dalli wurden von der Europäischen Kommission am 11. Oktober angenommen. Sie sind der letzte – und am heftigsten umstrittene – Teil des EU-Pharmapaketes, das sich überdies mit der Pharmakovigilanz und dem Kampf gegen Arzneimittelfälschungen befasste.

Enge Vorgaben für zulässige Informationen

Mit den überarbeiteten Vorschlägen wird das Werbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel aufrechterhalten und darüber hinaus festgelegt, dass nur bestimmte Informationen über diese Medikamente zulässig sind. Die Informationen müssen außerdem anerkannten Qualitätskriterien entsprechen, insbesondere neutral, korrekt und verständlich sein. Zusätzlich werden die Kommunikationskanäle, über die die Informationen verbreitet werden dürfen, eingeschränkt: Eine Veröffentlichung von Informationen zu Rx-Arzneimitteln in den allgemeinen Printmedien soll verboten, Informationen über registrierte Websites oder gedruckte Medien, die nur auf Anfrage erhältlich sind, hingegen zulässig sein.

Der Europaabgeordnete Dr. Peter Liese (CDU) verwies darauf, dass die Kommission weitgehend der Position des Europäischen Parlaments gefolgt sei. Der Vorschlag enthalte nunmehr zahlreiche Sicherheitsvorkehrungen, die es der Industrie eben nicht ermöglichten, Werbung für ihre Produkte zu verbreiten. Die wichtigste Änderung sieht Liese darin, dass Informationen, die die Industrie an Patienten gibt, vor der Veröffentlichung grundsätzlich genehmigt werden müssen.

Nachbesserungen bei Arzneimittelüberwachung

Darüber hinaus will die Kommission mit den nun vorgelegten Vorschlägen "einige noch verbliebene Schwächen" der neuen Pharmakovigilanzvorschriften beheben. Dieser Teil des EU-Pharmapaketes war bereits Ende letzten Jahres verabschiedet worden. Die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission müssen künftig beim Verdacht schwerwiegender Sicherheitsrisiken im Zusammenhang mit national zugelassenen Arzneimitteln immer – und nicht mehr nur dann, wenn sie dies für notwendig halten – ein europäisches Risikobewertungsverfahren ("Referral") starten. Zulassungsinhaber werden dazu verpflichtet, darzulegen, ob dieses im Zusammenhang mit einer Gesundheitsgefährdung durch das Produkt, einer mangelnden therapeutischen Wirksamkeit oder einer negativen Nutzen-Risiko-Bilanz steht. Dies soll vermeiden, dass den Mitgliedstaaten Sicherheitsprobleme im Zuge einer freiwilligen Marktrücknahme nicht mitgeteilt werden.

Zustimmung und Kritik

Der BAH begrüßt die Möglichkeit, Informationen zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln über das Internet bereitzustellen. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass auch schon die Rechtsprechung geklärt habe, dass z. B. die Veröffentlichung der Packungsbeilage verschreibungspflichtiger Arzneimittel im Internet unter gewissen Umständen zulässig ist. Bezüglich der Änderungen zur Pharmakovigilanz seien erst im Pharmapaket umfassende Regelungen verabschiedet worden. Es sei daher nicht erkennbar, weshalb weitere Änderungen vorgenommen worden seien, obwohl noch keine neuen Erkenntnisse vorlägen.

Die europäische Verbraucherorganisation BEUC zeigte sich besorgt über die geplanten Regelungen: Sie ermöglichten weiterhin eine "versteckte Werbung", so der Verband. Insbesondere weil Pharmaunternehmen weiterhin selbst entscheiden können, über welche Arzneimittel und welche Indikationen sie informieren. Dies werde dazu führen, dass vor allem über profitable Medikamente informiert werde, befürchtet die BEUC.

Auch sei es den Pharmaunternehmen weiter möglich, ihre Informationen an Arztpraxen und Apotheken zu verteilen, die diese an die Patienten weitergeben können. Unmittelbar von der Industrie an den Verbraucher gehende Informationen müssten laut Richtlinie zwar genehmigt werden, das Genehmigungsverfahren sei jedoch kostspielig und sehr aufwendig. Die Richtlinie sehe vor, dass das Informationsmaterial innerhalb von 60 Tagen überprüft werde – dann gelte es als genehmigt. Zu befürchten sei daher, dass bei großen Mengen an zu prüfendem Material dieses ungeprüft als genehmigt gelten könnte, sollten die Genehmigungsbehörden überlastet sein.

Erörterungsphase

Die überarbeiteten Vorschläge der Europäischen Kommission müssen nun in einem nächsten Schritt sowohl im Europäischen Parlament als auch im Europäischen Rat erörtert werden.



DAZ 2011, Nr. 42, S. 28

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