Selbstmedikation

Gastrointestinale Wirkungen nicht-steroidaler Analgetika

Wenn ein Kunde mit akuten Schmerzen in die Apotheke kommt, stellt sich bei der Beratung die Frage: Welches Analgetikum ist wirksam und trotzdem gut verträglich? Bei den nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) steht dabei die Sorge um unerwünschte Wirkungen auf den Gastrointestinaltrakt im Vordergrund. Wir sprachen mit Prof. Dr. Christopher Hawkey vom Digestive Diseases Centre des Universitätsklinikums Nottingham, der untersucht hat, welche Auswirkungen verschiedene NSAR bei Anwendung in der Selbstmedikation auf den Gastroduodenaltrakt haben.

Wichtiges Ergebnis der endoskopischen Studie zur Kurzzeittherapie mit NSAR: Diclofenac und Ibuprofen sind hinsichtlich der Magenverträglichkeit vergleichbar. An der sechstägigen randomisierten 4-Arm-Vergleichsstudie nahmen 132 Probanden teil. Verglichen wurden äquipotente Dosierungen. Die Probanden nahmen täglich 75 mg Diclofenac-Kalium als Tabletten (n = 36), 75 mg Diclofenac-Kalium als Weichkapseln (n = 36), 3000 mg Acetylsalicylsäure als Tabletten (n = 36) oder 1200 mg Ibuprofen als Weichkapseln (n = 24) ein. In der sechstägigen Studie wurden insgesamt fünf Tagesdosen eingenommen: am ersten Tag zwei Dosen, vom zweiten bis fünften Tag drei Dosen und am sechsten Tag eine Dosis. Damit entsprach das Studiendesign den zur Selbstmedikation maximal zugelassenen Tagesdosen und in etwa der zugelassenen Behandlungsdauer. Primärer Endpunkt war die Inzidenz von gastroduodenalen Erosionen oder Ulcera am letzten Einnahmetag. Sekundäre Endpunkte waren die Zahl der Erosionen und totalen Läsionen, das Ausmaß der Prostaglandin-E2-Synthesehemmung (PEG2) sowie der modifizierte Lanza-Index, als ein Parameter für endoskopisch ermittelte Schleimhautschädigungen (0 = unauffällige Mukosa; 1 = nur Erytheme oder Petechien; 2 = 1 bis 2 Erosionen; 3 = 3 bis 10 Erosionen; 4 ≥ 10 Erosionen oder akutes Ulcus).

Unter Acetylsalicylsäure traten gastroduodenale Erosionen oder Ulcera signifikant häufiger auf als unter der Diclofenac-Kalium-Tablette oder der Diclofenac-K-Weichkapsel (94%). Verglichen mit der Ibuprofen-Weichkapsel schnitten die beiden Diclofenac-Formulierungen etwas, aber nicht signifikant besser ab (61% Diclofenac-Kalium-Tablette bzw. 53% Diclofenac-K-Weichkapsel versus 75% Ibuprofen-Weichkapsel). Der mittlere Lanza-Index war mit 1,9 bzw. 1,7 nach Einnahme der Diclofenac-Kalium-Tabletten respektive der Diclofenc-Kalium-Weichkapseln am niedrigsten. In der Ibuprofen-Gruppe lag er bei 2,3. Den höchsten Wert wies die Gruppe der Probanden auf, die Acetylsalicylsäure eingenommen hatten (3,5). Die PGE2-Synthese war unter Acetylsalicylsäure mit 78,6 Prozent signifikant stärker gehemmt als unter Diclofenac-Kalium-Tabletten und -Weichkapseln (64% respektive 52%) oder unter Ibuprofen-Weichkapseln (50%).

Wir sprachen mit dem Studienleiter Prof. Dr. Christopher Hawkey über diese Ergebnisse.


DAZ: Herr Professor Hawkey, Sie befassen sich seit Langem mit der Magenverträglichkeit nicht-steroidaler Antirheumatika. In einer vor Kurzem vorgestellten Studie Ihrer Arbeitsgruppe geht es erneut um dieses Thema. Was genau haben Sie untersucht?

Hawkey: Um die gastrointestinale Verträglichkeit von Diclofenac-Kalium, Ibuprofen und Acetylsalicylsäure zu vergleichen, haben wir zum einen bestimmt, wie stark diese Substanzen die Prostaglandinsynthese in der Magenschleimhaut hemmen. Das ist eine wichtige Größe für gastrointestinale Schädigungen, da den gastralen Prostaglandinen eine wesentliche Schutzfunktion für die Magenschleimhaut zukommt. Zum anderen haben wir ausgewertet, wie viele Erosionen oder Ulcera nach einer mehrtägigen Einnahme der genannten Substanzen neu aufgetreten sind. Wir haben dabei äquipotente, in der Selbstmedikation übliche Dosierungen verglichen: Tagesdosen von 75 mg Diclofenac, 1200 mg Ibuprofen oder 3000 mg Acetylsalicylsäure. Auch die Therapiedauer war auf den für den OTC-Bereich geltenden Zeitraum begrenzt, das heißt, wir sprechen hier nicht von der längerfristigen oder hochdosierten Behandlung chronischer Erkrankungen.


DAZ: Was sind die wichtigsten Ergebnisse der Studie?

Hawkey: Unter der Behandlung mit Acetylsalicylsäure fanden wir bei fast allen Probanden drei oder mehr Erosionen, bei Anwendung von Diclofenac oder Ibuprofen hatte dagegen die Mehrheit der Probanden zwei oder weniger Erosionen. Insgesamt war die gastroduodenale Verträglichkeit von Diclofenac signifikant besser als die von Acetylsalicylsäure und etwas, aber nicht signifikant besser als die von Ibuprofen. Übereinstimmend mit diesen Befunden war die Hemmung der Prostaglandin2 -Synthese durch Acetylsalicylsäure ausgeprägter als durch Diclofenac oder Ibuprofen.


DAZ: Haben Sie diese Ergebnisse überrascht?

Hawkey: Nein. Erstens wurden ähnliche endoskopische Befunde schon früher beschrieben. Zweitens hemmt Diclofenac im Vergleich zu anderen traditionellen NSAR, wie Ibuprofen oder Acetylsalicylsäure die Cyclooxygenase 1 weniger als die Cyclooxygenase 2. Das heißt, dass Diclofenac bei vergleichbarer Dosierung eine geringere Tendenz als Ibuprofen aufweist, die gastrale Prostaglandinsynthese zu hemmen. Dadurch hat Diclofenac das Potenzial für eine signifikante Schmerzhemmung bei relativ geringer gastrointestinaler Toxizität, insbesondere in den niedrigeren Dosen, die in der Selbstmedikation zur Verfügung stehen.


DAZ: Welche Einnahmeempfehlung gilt für die Akuttherapie in der Selbstmedikation, zum Beispiel für Diclofenac?

Hawkey: Bei der Akuttherapie kommt es darauf an, schnell ausreichend hohe Blutspiegel zu erreichen, damit die Schmerzen rasch nachlassen. Da Nahrung die Resorption von Diclofenac verzögert, ist die Einnahme beispielsweise eine halbe Stunde vor oder zwei bis drei Stunden nach dem Essen sinnvoll. Die Einnahme von Ibuprofen zusammen mit der Nahrung scheint keinen relevanten Einfluss auf die Bioverfügbarkeit zu haben.


DAZ: Ist die Einnahme zu den Mahlzeiten denn nicht wichtig, um die Magenschleimhaut zu schonen?

Hawkey: Das ist ein weit verbreiteter Irrtum, der sich hartnäckig hält. Die Einnahmeempfeh-lung zu den Mahlzeiten basiert auf der Annahme eines lokalen Effekts von Diclofenac im Magen, der durch Nahrung gemindert werden könne. NSAR wirken jedoch generell über systemische Resorption auf den Magen – außer Acetylsalicylsäure, die auch ein gewisses direktes Irritationspotenzial an der Schleimhaut haben kann.


DAZ: Dann sind magensaftresistente Überzüge in der Akuttherapie ebenfalls nicht sinnvoll?

Hawkey: Richtig, und zwar aus folgenden Gründen: Durch die Magensaftresistenz wird vor allem der Wirkeintritt verzögert, was bei der Akuttherapie nicht gewollt ist. Zum anderen wird die Magenverträglichkeit aus den erwähnten Gründen durch einen magensaftresistenten Überzug oder eine verzögerte Freisetzung nicht verbessert.


DAZ: Herr Professor Hawkey, vielen Dank für das Gespräch!



Quelle

Hawkey, C.; et al.: Endoscopic evaluation of the gastro-duodenal tolerance of short-term treatment with non-prescription Diclofenac-K, Acetylsalicylic Acid and Ibuprofen, 18. United European Gastroenterology Week (UEGW), Barcelona, 23. – 27. Oktober 2010.


ck



DAZ 2011, Nr. 42, S. 58

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