Arzneimittel und Therapie

Best of the year

Vom 30. September bis 4. Oktober 2011 fand in Basel die Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie statt. Zum Auftakt wurden in der Plenarsitzung wichtige Entwicklungen in diesem Jahr aus der Sicht eines Onkologen, Hämatologen und Radiologen dargelegt.

Best of Oncology

Prof. Dr. Martin Fey, Bern, zufolge gehört eine in diesem Jahr publizierte Präventionsstudie mit niedrig dosierter Acetylsalicylsäure zu den wichtigsten Arbeiten aus dem Bereich der präventiven Onkologie (zu dieser Studie siehe Kasten "Zum Weiterlesen"). In dieser Metaanalyse mit Daten von mehr als 25.500 Probanden konnte gezeigt werden, dass die Einnahme von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure zu einer Mortalitätssenkung führt. Im Vergleich zu den Placebo-Gruppen kam es unter der Einnahme von Acetylsalicylsäure seltener zu krebsbedingten Todesfällen. Auch die Gesamtmortalität war in der Verum-Gruppe signifikant niedriger als in den Kontroll-Gruppen. Dieser günstige Einfluss von Acetylsalicylsäure machte sich vor allem bei Adenokarzinomen des Magen-Darm-Traktes, der Lunge und der Prostata bemerkbar.

Beachtenswerte Fortschritte konnten auch bei der Identifikation bestimmter Subgruppen von Tumoren und der Bestimmung von Genmutationen gemacht werden. Die molekulargenetische Charakterisierung eines Tumors ermöglicht eine individualisierte Behandlung, bei der die jeweiligen Therapeutika nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip, sondern tumorspezifisch eingesetzt werden. Beispiele hierfür sind etwa der Einsatz von PARP-Inhibitoren beim dreifach negativen Mammakarzinom oder die Therapie des Lungenkrebses in Abhängigkeit bestimmter Mutationen (EGFR-Mutationen, KRAS-Mutationen, BRAF-Mutationen, FGFR1-Amplifikationen, EML4-ALK-Fusion). Die Therapie richtet sich dann nach der vorliegenden Mutation, so erfolgt etwa die Gabe eines ALK-Tyrosinkinase-Inhibitors (z. B. Crizotinib) bei Patienten mit einem bekannten EML4-ALK-Fusionsonkogen.


Neue Therapien 2011 (Auswahl)

Tumorentität
Angriffspunkt
Wirkstoff
Adenokarzinom der Lunge
(EML4)-ALK
Crizotinib
Melanom
mutiere BRAF
CTLA-4 (Cytotoxic
T-Lymphocyte Antigen-4)
Vemurafenib
Ipilimumab
neuroendokrine Tumore
Tyrosinkinasen
m-TOR
Sunitinib
Everolimus
Mammakarzinom
Mikrotubuli
Eribulin

Best of Hämatology

Aus der Sicht der Hämatologie hat die Genomforschung zu einem beachtenswerten Erkenntniszugewinn geführt. Wie Prof. Dr. Andreas Neubauer, Marburg, erläuterte, konnte erst unlängst gezeigt werden, dass eine Onkogenmutation, die mit dem Auftreten solider Tumoren verbunden ist, auch häufig bei der Haarzellleukämie vorkommt. Die biologische Bedeutung dieser BRAFV600E-Mutation, die vor allem beim Melanom auftritt, ist bislang noch unbekannt; auch bleibt zu klären, ob eine Therapie mit BRAF-Inhibitoren bei Haarzellleukämien erfolgreich ist.

Neue Erkenntnisse gibt es ferner zur Therapie der chronisch myeloischen Leukämie (CML) mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor Imatinib, die das Überleben der Betroffenen signifikant verlängert. Neu ist, dass bei einer kompletten Remission die Therapie zumindest zeitweilig unterbrochen werden kann.

Ein weiteres aktuelles Forschungsgebiet der Hämatologie befasst sich mit der Rolle von TET-Proteinen bei Neoplasien. TET steht für eine bestimmte Translokation, für die sogenannte Ten Eleven Translocation [t(10;11)], die zu Änderungen der epigenetischen Markierungen führt. TET-Veränderungen treten gehäuft bei Patienten mit CML auf. Der nähere Zusammenhang zwischen TET-Mutationen und der Entstehung von Neoplasien wird derzeit untersucht.

Best of Radio-Oncology

Ein besonderes Augenmerk der Radio-Onkologie liegt auf der Konformationsbestrahlung. Wie Prof. Dr. Felix Sedlmayer, Salzburg, erläuterte, versteht man darunter die optimale Anpassung einer zu applizierenden Strahlendosis auf ein Zielvolumen bei größtmöglicher Schonung des umgebenden Gewebes. Dies beinhaltet neben der dreidimensionalen räumlichen Darstellung der Geschwulst und der konsekutiven Therapieplanung auch die dynamischen Veränderungen des bestrahlten Gebietes, da sich Tumoren unter der Bestrahlung in ihrer Ausdehnung verändern oder schrumpfen können. Wird während der Bestrahlung auch die vierte Dimension – also die Zeit – berücksichtigt, spricht man von einer adaptiven Radiotherapie.


Intraoperative Radiotherapie


Bei der intraoperativen Radiotherapie wird nach der chirurgischen Entfernung der bösartigen Geschwulst das verbliebene Tumorbett noch während der Operation bestrahlt. Die Strahlen können das offene Tumorbett direkt erreichen und die umliegenden Organe werden durch die Bestrahlung nicht geschädigt. Ferner kann mithilfe der intraoperativen Radiotherapie eine lokale Dosiserhöhung erzielt werden. Derzeit wird diese Methode vor allem beim fortgeschrittenen Rektumkarzinom, bei Pankreastumoren, bei speziellen Weichgewebstumoren und bei gynäkologischen Tumoren eingesetzt.


Ein weiteres Anliegen der Radio-Onkologie ist die Präzisierung einer biologischen Konformation. Darunter versteht man die Integration biologischer Bildgebungen in die Therapieplanung (PET-CT- und/oder MR-basierte Techniken zur Erfassung des Tumorstoffwechsels) wie auch die Erforschung adäquater Dosierungsmodelle in Abhängigkeit von der Tumorart. In multimodalen Konzepten werden simultane Radio-Chemo-Therapien optimiert. Ein Beispiel hierfür ist die intraoperative Radiotherapie, bei der die Bestrahlung bereits während des chirurgischen Eingriffs erfolgt.

Mithilfe von Partikelstrahlen sollen therapierefraktäre Tumoren behandelt werden. So ermöglicht die Strahlentherapie mit Protonen (Protonentherapie) oder anderen schweren Teilchen wie etwa Kohlenstoffionen sehr günstige Dosisverteilungen, die aus physikalischen Gründen mit Röntgenstrahlen nicht erreicht werden können.


Zum Weiterlesen


Kolonkarzinom: Acetylsalicylsäure kann vor Dickdarmkrebs schützen.

DAZ 2010, Nr. 43, S. 58 – 59.


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr



DAZ 2011, Nr. 42, S. 47

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