Deutscher Apothekertag 2011

Spahn will ABDA-Vorschlag zum Pick-up-Thema prüfen

Über zwei Stunden diskutierten beim Apothekertag der DAV-Vorsitzende Fritz Becker und Karin Graf, Mitglied des geschäftsführenden ABDA-Vorstands, mit den geladenen Politikern: über die Folgen des AMNOG, über ein eventuelles Pick up-Verbot, über das ABDA/KBV-Modell und die Auswirkungen der Rabattverträge. In einigen Punkten waren sich die gesundheitspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn, der FDP-Bundestagsfraktion, Heinz Lanfermann, und Kathrin Vogler von der Bundestagsfraktion der Linken sogar einig. Vor allem darüber, dass sich etwas ändern muss. Naturgemäß auseinander gingen die Meinungen über das Wie und Was. Immerhin versprachen Spahn und Lanfermann, den neuen ABDA-Vorschlag zum leidigen Pick-up-Thema zu prüfen.
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Jens Spahn Zum ABDA-Vorschlag eines Pick-up-Verbot: "Wenn das geht, machen wir das."

AMNOG – in die Zukunft schauen

"Wir wissen, dass wir Apothekern im kommenden Jahr viel zumuten – auch finanziell", zeigte Spahn zu Beginn Verständnis für den aufgestauten Ärger der Apotheker. Dennoch: Die Unionsfraktion werde am Gesamtkonzept festhalten. Rückwärtsgewandte Kämpfe – wie die Diskussion zum Versandhandel – seien verlorene Zeit, so Spahn. Viel wichtiger sei es, in die Zukunft zu schauen. Dem hielt Graf entgegen, wer die Vergangenheit nicht kenne, könne auch die Zukunft nicht gestalten – so sei zum Beispiel das nun bestehende Problem rund um Pick-up-Stellen eine Folge des Versandhandels.

Auch wegen Pick up sinke die Zahl der Apotheken jeden Tag, so Graf. Vom sogenannten "Apothekensterben" höre man immer wieder, entgegnete Spahn, – die Zahlen bestätigten dies jedoch nicht. Tendenziell seien es eher mehr geworden. FDP-Gesundheitspolitiker Lanfermann schloss sich diesbezüglich Spahn an: In den letzten sechs Jahren seien lediglich die Filialapotheken "frappierend" gestiegen, ansonsten könne er in den ABDA-Zahlen "nichts Schlimmes" entdecken.

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Heinz Lanfermann Zum ABDA/KBV-Modell: "Wer verspricht, muss liefern."

Stattdessen forderte er unter den Apothekern mehr Verständnis für die Politiker: "Wir haben eine Menge auszuhalten", sowohl Medien als auch die Opposition werfe ihnen vor, Klientelpolitik zu betreiben. Gleichzeitig werde unter den Apothekern der Vorwurf der "Abrissbirne" laut. Vogler widersprach dem: Die Linke habe die Regierung nie der Klientelpolitik für Apotheker beschuldigt – höchstens für Ärzte, die IT-Industrie oder die Private Krankenversicherung. "Wir machen Politik für Patienten und Versicherte", erwiderte Spahn – für flächendeckende und gute Versorgung.

Pick-up-Verbot, wenn’s geht

Spahn kündigte an, den ABDA-Vorschlag zum Pick-up-Verbot gründlich auf seine Verfassungsrechtlichkeit zu prüfen: "Wenn das geht, machen wir das." Lanfermann schloss sich Spahns Auffassung an. Der neue ABDA-Vorschlag liege jetzt auf dem Tisch. Er bat jedoch erneut um Verständnis, dass es viele Interessen gebe, die es abzuwägen gelte. Außerdem müssten zwei Verfassungshäuser – das Bundesministerium des Innern (BMI) und das Bundesministerium der Justiz (BMJ) – überzeugt werden. Auch die Linke sieht dies wenig oppositionell: Sobald ein juristisch möglicher Vorschlag vorliege, sei von der Linken keine Gegenwehr zu erwarten, so Vogler.


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Kathrin Vogler Zum Pick-up-Verbot: Sobald ein juristisch möglicher Vorschlag vorliegt, macht die Linke mit.

Dem ABDA/KBV-Modell eine Chance

Beim ABDA/KBV-Modell war man sich grundsätzlich einig: Eine qualitative Verbesserung der Versorgung sei sinnvoll und gewollt. Dennoch, so Spahn, wolle man das Modell vorerst nur räumlich begrenzt in einem Modellprojekt testen und nicht gleich über die ganze Republik ziehen. Die "Rasenmähermethode" wie bei der Ärztehonorierung über Nacht wolle man nicht ein weiteres Mal. Falls das ABDA/KBV-Modell nicht funktioniere, seien die Folgen dann nicht so schlimm. Ähnlich sah es Lanfermann: "Wer verspricht, muss liefern", sagte er und zeigte sich gespannt auf die Ergebnisse. ABDA und KBV sollten erst zeigen, ob wirklich Einsparungen möglich seien. Auch Vogler beurteilte das Modell als gute Grundlage für eine Sicherung der Interessen von Patienten und Versicherten.

ABDA-Vize Friedemann Schmidt wies darauf hin, es sei sinnvoller, statt einer zwei oder drei Modellregionen gesetzlich festzuschreiben, um flächendeckendere und damit genauere Ergebnisse zu erhalten. Lanfermann zeigte sich offen, darüber ließe sich in jedem Fall noch sprechen: Dies werde im laufenden Gesetzgebungsverfahren noch geprüft. Allerdings schränkte Spahn ein, im Gesetz solle nur eine Modellregion verankert werden. Andere könnten allerdings auf vertraglicher Basis entstehen.

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Karin Graf Die Stimmung an der Basis der Apotheker ist verzweifelt.

Graf zeigte sich erfreut, dass die Koalition beabsichtige, das Modell in das neue Versorgungsstrukturgesetz aufzunehmen. Natürlich müssten sich Apotheker überall, wo es möglich sei, einbringen – was diese auch gerne täten: Bei der Beratung, den Rabattverträgen, der BtM-Dokumentation und den Notdiensten. Dennoch werde die Kluft zwischen Anforderungen und finanziellen Ressourcen immer größer. "Die Stimmung an der Basis der Apotheker ist mittlerweile nicht mehr wütend, sondern verzweifelt", so Graf. Daher appellierte sie an die Politik: Sie solle dem Modell eine Chance auf Erfolg geben.

Rabattverträge – "wir wissen um den Aufwand"

Verständnis für die Kritik der Apotheker an den Rabattverträgen zeigte CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn. "Wir wissen um den Aufwand, die diese mit sich bringen." Wegen der damit verbundenen Einsparungen von 1,4 Milliarden Euro könne man die Rabattverträge aber nicht einfach streichen.

Auch die Lieferfähigkeit sei ein Problem, sagte Spahn mit Blick auf die Metoprolol-Probleme. Da müsse man noch über eine saubere Regelung nachdenken. Das könne nicht auf dem Rücken der Apotheker ausgetragen werden.

Skeptisch zeigte sich Spahn hinsichtlich der Forderung nach Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel. Darüber müsse die Politik zwar grundsätzlich nachdenken, so Spahn. Allerdings sah Spahn wegen der damit verbundenen Staatseinnahmen nur geringen Spielraum.

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Fritz Becker Die Apotheker haben keine Planungssicherheit mehr.

Becker und Graf wiesen darauf hin, dass die Verfahren zum Apothekenabschlag für 2009 und 2010 nach wie vor offen seien. Die Apotheker wüssten noch immer nicht, mit welchem Ergebnis sie für die beiden zurückliegenden Jahre rechnen könnten. Spahn gab ihnen recht, der Berufsstand brauche natürlich Planungssicherheit und solch jahrelange Unsicherheiten müssten zukünftig vermieden werden.

Spahn für differenzierte Vergütung

Hinsichtlich der Zukunftsvorstellungen betonte Becker die wichtige Funktion des Apothekers als erstem Ansprechpartner für Patienten – insbesondere für den Bereich der Selbstmedikation. Diese müsste zukünftig auch finanziell gewürdigt und wertgeschätzt werden. Heute müsste ein Apotheker sich vorwiegend um Rabattverträge kümmern, kritisierte Graf – es werde extra Personal eingestellt, um den Patienten noch beraten zu können, weil die Zeit so knapp sei.

Lanfermann wunderte sich über die Klage der Apotheker, pharmazeutisch beraten zu müssen – "ein Arzt beschwert sich auch nicht, dass er Patienten behandeln soll". Natürlich müsse sich die Leistung jedoch lohnen, bestätigte er, die Gesamtheit der Leistungen sei dafür entscheidend. Zur Frage der Honorierung sei man zu jedem Gespräch und jedem Zahlenvergleich bereit. Auch Spahn zeigte sich offen für eine Vergütung, die mehr Qualität abbildet als nur über das Honorar, das nur an der verkauften Packung anknüpft. Er sprach sich daher auch mittelfristig für eine differenziertere Vergütung aus. 



jz

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