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Warten auf den Befreiungsschlag

Doris Uhl

Der Unmut an der Basis wächst. Waren es zunächst vor allem die Rabattverträge, deren Umsetzung viele verzweifeln ließ, kommen nun auch noch die Auswirkungen des AMNOG hinzu. Sie gefährden viele Apotheker nicht nur durch einen höheren Kassenabschlag und geringere Großhandelsrabatte in ihrer Existenz, sie nehmen ihnen auch durch weitere Bürokratiemonster wie der Packungsgrößenverordnung und einer im Detail vollkommen undurchdachten Mehrkostenregelung die Luft für ihre eigentliche Aufgabe: die Betreuung und Beratung der Patienten. Für viele Kolleginnen und Kollegen ist die Schmerzgrenze erreicht, sie wollen raus aus dem Bürokratiewust, sie wollen ihre Zeit nicht mehr damit verbringen, als verlängerter Arm der Gesetzlichen Krankenkassen ohne adäquate Honorierung Patienten von Maßnahmen zu überzeugen, die sie selber nicht vertreten und viel zu oft überhaupt nicht nachvollziehen können. Wer zurzeit einen Blick in die Leserkommentare auf DAZ.online wirft, bekommt eine Ahnung davon, was sich gerade an der Basis zusammenbraut. Besonders erschreckend ist, dass viele Kolleginnen und Kollegen kein Vertrauen mehr in die Arbeit ihrer Standesvertretung haben. Sie können nicht erkennen, mit welchen Strategien ABDA und DAV das Ruder noch herumreißen wollen.

Das war einmal anders. Beim Deutschen Apothekertag 2010 keimte immerhin ein wenig Hoffnung auf, als Prof. Dr. Martin Schulz, Geschäftsführer des Bereichs Arzneimittel der ABDA, das ABDA/KBV-Konzept vorstellte (s. a. DAZ 2010; Nr. 41, S. 63 – 68): ABDA und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatten sich in einem Eckpunktepapier darauf verständigt, dass Arzt und Apotheker sich in Zukunft die Verantwortung für die Arzneimitteltherapiesicherheit und das Medikationsmanagement teilen werden, wenn der Patient damit einverstanden ist. Ärzte sollen die Diagnose stellen, die Wirkstoffe verordnen und Menge, Dauer und Dosierung festlegen, der Apotheker wählt dann anhand der Wirkstoffverordnung im Rahmen eines Garantiepreismodells für Generika das geeignete Präparat aus. Zudem erfasst er alle verordneten und im Rahmen der Selbstmedikation angewendeten Medikamente in einer Medikationsdatei, die als Basis für das gemeinsame Medikationsmanagement dienen soll. Durch Kooperation von Arzt und Apotheker und rechtzeitige Intervention soll nicht zuletzt die Therapietreue verbessert werden und damit auch die Chance, dass der Patient den optimalen Nutzen aus der Therapie zieht.

Dieses ABDA/KBV-Konzept wurde als historische Chance gepriesen, die Aufgabenverteilung zwischen Arzt und Apotheker so neu zu ordnen, dass Rabattverträge überflüssig werden und wieder die heilberufliche Tätigkeit des Apothekers in den Fokus seiner Tätigkeit rückt. Friedemann Schmidt, stellvertretender Präsident der ABDA, sprach gegenüber DAZ.TV sogar von einer "Revolution" in der Arzneimittelversorgung.

Damals bestand auch noch die Hoffnung, erste Voraussetzungen für die Umsetzung im AMNOG zu verankern. Doch dann wurde es still um die von ABDA und KBV vereinbarten Eckpunkte, sie fanden keinen Niederschlag im AMNOG. Und auch jetzt, wo Apothekerinnen und Apotheker in der Praxis so dringend auf einen Befreiungsschlag warten, gibt es noch nicht einmal ein Signal, wie die historische Chance genutzt werden soll.

Wir hätten gerne mit Professor Schulz darüber gesprochen, wie denn die Chancen stehen, die Ideen des ABDA/KBV-Konzepts in die Tat umzusetzen, ob man tatsächlich in der Lage ist, eine Strategie vorzulegen, die Rabattverträge überflüssig macht und dabei trotzdem Einsparungen in der Größenordnung der Rabattverträge garantiert – und wenn ja, wie diese Strategie aussehen soll und wann die ABDA die Apothekerschaft über die weitere Vorgehensweise unterrichten wird. Leider erhielten wir nur als Antwort, dass man dies alles intensiv eruieren würde und derzeit gerade auch mit der KBV an Details und Konkretisierungen sowie Abschätzungen des Potenzials unter den gegenwärtigen Bedingungen arbeite, so dass dazu zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts Näheres gesagt werden könne.

Wer auf dem Deutschen Apothekertag 2010 dabei war, wird vernommen haben, dass das Zeitfenster für die historische Chance klein ist und unverzüglich genutzt werden sollte. Bleibt nur zu hoffen, dass hinter den Kulissen mehr passiert, als auf der Bühne erkennbar ist, dass die Revolution gelingt, bevor sich das Fenster wieder schließt und eine andere Revolution die ABDA in arge Bedrängnis bringt. Es wäre großartig, wenn mit dem ABDA/KBV-Konzept der Befreiungsschlag gelingen könnte, denn das gegenwärtige Chaos kann weder im Sinne der Politik, der Ärzte noch der Patienten und schon gar nicht der Apotheker sein.


Doris Uhl



DAZ 2011, Nr. 4, S. 3

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