DAZ aktuell

Ärzte dürfen Medikamente abgeben

BERLIN (jz). Patienten in Zürich und Winterthur können ab dem 1. Januar 2012 ihre Medikamente sowohl von ihrem Apotheker als auch von ihrem Arzt beziehen. Das Schweizer Bundesgericht entschied am 23. September, dass die Änderung des Schweizer Gesundheitsgesetzes – hin zur Bewilligung ärztlicher Privatapotheken – rechtens ist. Die Zürcher Apothekerschaft reagierte enttäuscht auf die Entscheidung, die Ärzteschaft hingegen nahm sie mit Genugtuung zur Kenntnis.

Bereits im November 2008 hatten die Zürcher die Medikamentenabgabe-Initiative "Ja zur Wahlfreiheit beim Medikamentenbezug" angenommen. Allerdings erreichte sie nur eine relativ schwache Mehrheit von 53,7 Prozent. Insbesondere die Bevölkerung auf dem Land stimmte seinerzeit der Initiative zu. Offenbar befürchtete sie Änderungen an der bestehenden Regelung, nach der auf dem Lande Medikamente bereits über (Versand-)Apotheken oder Ärzte bezogen werden können. In den Städten selbst fiel das Ergebnis anders aus: In Zürich stimmten 41,5 Prozent zu, in Winterthur gar nur 40,9 Prozent.

Die Initiative aus dem Jahr 2006 fordert eine Änderung des Zürcher Gesetzes über das Gesundheitswesen und soll praxisberechtigten Ärzten in Zürich und Winterthur die Bewilligung von ärztlichen Privatapotheken ermöglichen. Ihnen soll dadurch die direkte Abgabe von Medikamenten an die Patienten erlaubt sein. Die Apotheker fürchteten jedoch starke Umsatzeinbußen und eine Verschlechterung der Abgabequalität. Daher erhob der Apothekerverband des Kantons Zürich (AVKZ) gegen den Volksentscheid Beschwerde beim Schweizer Bundesgericht in Lausanne. Begründung: Bundesrecht schlage kantonales Recht. Und bezüglich der Abgabe von Medikamenten sage das Bundesrecht in drei verschiedenen Gesetzen, dass die Medikamentenabgabe Sache der Apotheker sei – lediglich Ausnahmen seien zulässig.

Die Bundesrichter wiesen die Beschwerde jedoch mit 3:2 Stimmen ab. Für den Rechtsvertreter des AVKZ und Staatsrechtsprofessor Prof. Dr. Tomas Poledna spricht sowohl die Öffentlichkeit der Verhandlung als auch das denkbar knappe Resultat von 2:3 dafür, dass die Beschwerde innerhalb des fünfköpfigen Bundesrichtergremiums höchst umstritten war. "Trotz des heutigen abschlägigen Urteils des Bundesgerichts belegt dies, dass die Beschwerde berechtigt und der Vorwurf, es handle sich dabei um bloße Zwängerei, haltlos waren", so Poledna. AVKZ-Präsident Dr. Lorenz Schmid äußerte sich zur Entscheidung der Richter enttäuscht: "Die nun vom Bundesgericht geschützte flächendeckende Einführung der Medikamentenabgabe durch die Ärzteschaft im Kanton Zürich ist keine Ausnahme mehr, sondern die Regel. Das Bundesrecht ist somit keine glaubwürdige Vorgabe mehr, auf der man wirtschaftliche Entscheide fällen kann."

Die ÄrzteschaftGesellschaft Zürich (AGZ) dagegen freut sich über die Entscheidung und sieht dadurch den Willen des Volkes bestätigt. Die Apothekerschaft solle diesen Willen des Stimmvolkes nun endlich akzeptieren, forderte sie unmittelbar nach der Entscheidung, und weiter: "Das Volk will keine Apothekenmonopole, sondern eine sichere, günstige und breite Versorgung mit Medikamenten vom Arzt oder vom Apotheker." Daher verlangt sie nun die schnellstmögliche Umsetzung des Volksentscheids.

Der AVKZ betonte, das Bundesgericht selbstverständlich als letzte juristische Instanz zu akzeptieren. Allerdings dürfe die Erlaubnis für Ärzte in den Städten Zürich und Winterthur, Medikamente zu verkaufen, nicht zu einer Verschlechterung der Abgabequalität führen. Für Lorenz Schmid ist klar, "dass diese Ärzte die gleichen Pflichten bezüglich Qualität, Sortiment, Lagerhaltung und so weiter erfüllen müssen", die Sicherheit der Patienten stehe an erster Stelle.

Mit Blick auf die Folgen für den gesamten Berufsstand fordert der AVKZ nun eine angemessene Übergangsfrist, um die Unternehmen neu auszurichten, die Sortimente anzupassen und den Personalbestand und die Zahl der Auszubildenden zu überdenken. Sollte die Einführung zu rasch angesetzt werden und dadurch die Gefahr bestehen, dass durch die neue Situation Auszubildende ihre Lehre nicht beenden können, will die AVKZ gegebenenfalls erneut den Rechtsweg beschreiten.

Künftig sollen in der Schweiz jedoch nicht nur die Kompetenzen der Ärzte, sondern auch die der Apotheker ausgeweitet werden: Das neue Heilmittelgesetz sieht vor, gewisse rezeptpflichtige Medikamente in die Kompetenz der Apotheken zu überstellen. Außerdem setzen sich die Zürcher Apotheker dafür ein, demnächst selbst Injektionen und Impfungen vornehmen zu dürfen.



DAZ 2011, Nr. 39, S. 54

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