- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 37/2011
- Schmerzmittel – ...
Beratungspraxis
Schmerzmittel – Vorsicht Missbrauch!
Der richtige Gebrauch von Analgetika und die Gefahr des Missbrauchs sind mit vielen Unsicherheiten und Ängsten besetzt, sowohl aufseiten der Apothekenmitarbeiter als auch aufseiten der Patienten. Ein guter Grund, sich einmal anzusehen, wie eine gute Beratung zum Thema Schmerzmittel aussehen sollte und wie man es schafft, diese Beratung tatsächlich an den Mann bzw. an die Frau zu bekommen.
Was eine gute Beratung in der Selbstmedikation leisten muss, zeigen die "Leitlinien der Bundesapothekerkammer (BAK) zur Qualitätssicherung, Information und Beratung des Patienten bei der Abgabe von Arzneimitteln – Selbstmedikation". Als Ergänzung zu den Leitlinien gibt es für einige Indikationen Anwendungsbeispiele, so für die Eigendiagnose Kopfschmerzen.
Nach der Abklärung, wer der Patient ist, geht es darum, die Eigendiagnose zu hinterfragen und die Symptome zu erfassen, um als nächstes zu entscheiden, ob eine Selbstmedikation möglich ist oder die Grenzen der Selbstmedikation überschritten sind (siehe Tabelle 1). Anschließend erfolgen die Auswahl des Arzneistoffs bzw. des Fertigarzneimittels und die nachfolgende Information zu seiner Anwendung und eventuell über unterstützende Maßnahmen.
Grenzen der Selbstmedikation
Viele der Fragen erübrigen sich, wenn wir davon ausgehen, dass die Kundin bestimmt nur "normale" Spannungskopfschmerzen hat. Das wissen wir im Moment des Arzneimittelwunsches jedoch nicht. Wir erfahren es nur, wenn wir mit der Kundin ins Gespräch kommen und sie es uns erzählt.
Viele der Kunden glauben, dass eine Beratung unnötig ist, weil sie ihre Kopfschmerzen nicht ernst nehmen. Jeder Mensch hat schließlich immer wieder einmal Kopfschmerzen und behandelt sie selbst. Die Werbung suggeriert: "Da nehme ich eine Tablette und alles ist wieder gut!"
Patienten halten ihre Beschwerden für banal, auch wenn sich eventuell eine ernste Diagnose dahinter versteckt (siehe Tabelle 2): Sinusitis, Meningitis, hypertone Krise, Glaukomanfall, intrazerebrale Blutungen oder ein Hirntumor. Eine Hilfestellung, wann Kopfschmerzpatienten dringend zum Arzt geschickt werden müssen gibt die Übersicht der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft DMKG (siehe Kasten "Empfehlungen").
Migräne gehört zu den primären Kopfschmerzerkrankungen, bei denen ein Arzt eine Diagnose stellen und eine leitliniengerechte Behandlung einleiten und betreuen sollte. Die Patienten sind mit ihrem Migränekopfschmerz jedoch oft allein gelassen und behandeln sich meist unzureichend selbst. Sie benutzen ihre Schmerzmittel zu spät, zu niedrig dosiert und in der Menge unkontrolliert aus Angst vor Gewöhnung, Abhängigkeit und Nebenwirkungen. Bei unkontrolliert häufiger Einnahme von Analgetika besteht die Gefahr eines analgetikainduzierten Kopfschmerzes.
Oft sind Kopfschmerzen ja tatsächlich banal: einen dumpf-drückenden Schmerz des ganzen Kopfes von mittlerer Intensität kennt wahrscheinlich jeder. Manchmal ist eine schlaflose Nacht der Auslöser oder Stress, manchmal ein Kater oder das Wetter. Diese Art von Kopfschmerz lässt sich tatsächlich auch leicht mit den Standard-Analgetika behandeln. Problematisch wird es, wenn der Stress über Wochen nicht nachlässt und die Kopfschmerzen anhalten oder immer wieder kommen. Denn dann besteht die Gefahr der Chronifizierung. Von einem chronischen Spannungskopfschmerz spricht man bei Kopfschmerzen, die an mehr als 180 Tagen im Jahr auftreten. Chronische Schmerzen können nur schwer mit Analgetika behandelt werden. Hier werden üblicherweise niedrige Dosierungen trizyklischer Antidepressiva, z. B. Amitriptylin in einer Dosis von 10 bis 25 mg pro Tag, eingesetzt, um die Schmerzbewertung und Schmerzwahrnehmung zu beeinflussen.
Wenn wir mit unseren Kopfschmerzpatienten ins Gespräch kommen, können wir ihnen zur Seite stehen. Selten müssen wir sie direkt zum Arzt schicken, meistens können wir sie hilfreich beraten, um möglichen Problemen vorzubeugen, nämlich dem Risiko des analgetikainduzierten Kopfschmerzes und der Chronifizierung der Schmerzen.
Empfehlungen für einen dringenden ArztbesuchEin Arztbesuch bei Kopfschmerzen ist unbedingt erforderlich, wenn
Auch solche Kopfschmerzen sind im Allgemeinen meist harmlos, doch sollte hier eine genaue ärztliche Abklärung erfolgen Quelle www.dmkg.de/pdf/selbstmedikation.pdf |
Problem: Analgetikainduzierter Kopfschmerz
Die häufige oder tägliche Einnahme von Schmerzmitteln zur Akutbehandlung von Migräneattacken oder Spannungskopfschmerzen kann zu einem Kopfschmerz führen, der als analgetikainduzierter Kopfschmerz bezeichnet wird. Charakteristisch ist ein dumpf-drückender Dauerkopfschmerz, der bereits beim Erwachen vorhanden ist und den ganzen Tag anhält. Prädisponiert dafür sind Patienten, die ursprünglich an einer Migräne, einem Spannungskopfschmerz oder einer Kombination aus beidem litten, aber auch bei Patienten nach Schädel-Hirn-Traumen oder Schleudertraumen der Halswirbelsäule. Dauerkopfschmerzen sind nur selten zu beobachten, wenn Analgetika wegen anderer Indikation, z. B. bei rheumatischen Erkrankungen, chronischen Rückenschmerzen oder zur Thrombozytenaggregationshemmung, eingenommen werden. Potenziell können alle eingesetzten Wirkstoffe, wie Nicht-Opioidanalgetika, Triptane oder Ergotamin, einen Dauerkopfschmerz hervorrufen. Besonders problematisch sind Mischpräparate. Monosubstanzen führen nur selten zu Dauerkopfschmerzen.
Die Behandlung des analgetikainduzierten Kopfschmerzes kann nur erfolgen, wenn die Patientin dazu motiviert ist und bereit ist, sich darauf einzulassen. Dafür muss sie über die Zusammenhänge zwischen Medikamenteneinnahme und Dauerkopfschmerz, über das erhöhte Risiko von unerwünschten Arzneimittelwirkungen bei Dauereinnahme und vor allem über das Fehlen von Alternativen aufgeklärt werden. Bis sie sich zu einer Entzugsbehandlung entschieden hat, braucht die Patientin weiterhin ihre bisher eingenommenen Analgetika. Eine Weigerung, ihr das gewohnte Arzneimittel auszuhändigen, würde nur zu einem Arzt- bzw. Apothekenwechsel führen. Der Entzug dauert zehn bis 14 Tage. Er kann bei guter Motivation meist ambulant durchgeführt werden.
Problem: Chronifizierung der Schmerzen
Akute Schmerzen sind häufig ein Warnsignal des Körpers, das auf eine Gewebeschädigung hindeutet. Das gilt zum Beispiel für die Kopfschmerzen im Anschluss an ein Trauma bei der sogenannten Gehirnerschütterung. Der akute Schmerz sollte von Tag zu Tag geringer werden, sowie die Gewebeschädigung abheilt. Manchmal bleiben die Schmerzen jedoch bestehen, der Schmerz hat sich chronifiziert. Die pathophysiologischen Grundlagen dafür sind am besten bei chronischen Rückenschmerzen untersucht.
Akute Schmerzen versucht der Patient durch Schonhaltungen des Körpers möglichst abzuschwächen. Durch Schonhaltungen kommt es jedoch wiederum zu Veränderungen an Bändern, Sehnen, Gelenken und der Muskulatur. Diese Veränderungen können zu Verspannungen führen, die wiederum mit Schmerzen wahrgenommen werden.
Starke und/oder wiederholte Schmerzreize führen dazu, dass im Zentralnervensystem neurophysiologische Veränderungen stattfinden, die dazu führen können, dass das Schmerzerleben gebannt wird. Das Schmerzerleben verselbstständigt sich. Obwohl die akute Gewebeschädigung längst ausgeheilt ist, d. h. die Ursache für die Schmerzen längst verschwunden ist, bleibt die Schmerzwahrnehmung bestehen. Werden diese Schmerzen nicht frühzeitig ausreichend unterdrückt, können sie zu einem chronischen Schmerz werden, der weitaus schlechter zu behandeln ist.
Die Empfehlung lautet hier: Akute auftretende Schmerzen sollten möglichst bald und möglichst vollständig behandelt werden. "Hit hard and early!" lautet die Devise.
Patienten haben die Vorstellung, für die Kopfschmerzen müsste immer eine Ursache gefunden werden. Man dürfe nicht einfach nur den Schmerz unterdrücken, sondern müsste dann die Ursache behandeln. Diese Vorstellung ist falsch, wenn der Patient an primären Kopfschmerzen wie Migräne, Kopfschmerz vom Spannungstyp oder Cluster-Kopfschmerz leidet. Diesen primären Kopfschmerzen kann man bisher keine eindeutigen symptomatischen Ursachen zuordnen, deswegen ist keine ursächliche Behandlung möglich.
Patienten haben dabei oft eine weitere Vorstellung, sie müssten Schmerzen aushalten. Dahinter steckt einmal eine falsch verstandene Tapferkeit, aber auch die Angst, sie könnten von Schmerzmitteln abhängig werden oder sich daran gewöhnen, so dass eine Schmerzbehandlung mit immer stärkeren Analgetika erforderlich würde. Auch diese Vorstellungen sind falsch. Selbst für Opioidanalgetika gilt: wenn das Analgetikum nicht mehr ausreicht, dann hat nicht die Wirkung des Schmerzmittels nachgelassen (oder sich der Körper daran gewöhnt), sondern der Schmerzreiz ist stärker geworden.
Unnötige Ängste und falsche VorstellungenPatienten haben in Bezug auf Schmerzen und Schmerztherapien oft unnötige Ängste und falsche Vorstellungen, die eine adäquate Therapie unmöglich machen.
|
Ein normales Gesprächsangebot …
Jedes andere Beratungsgespräch können wir ohne Probleme beginnen, ohne groß darüber nachzudenken. "Ist es für Sie?" oder "Kennen Sie die Tabletten schon?" helfen bei fast allen anderen Indikationen, um Kontakt aufzunehmen und ins Gespräch zu kommen. Bei Kopfschmerzkunden ist es oft anders.
"Ist es für Sie?", fragen Sie freundlich und zugewandt. Die Kundin antwortet: "Nein, nein, es ist nicht für mich. Ich bringe es nur meiner Nachbarin mit." Oder sie antwortet eilig: "Ja, aber ich brauche die nur ganz, ganz selten. Ich komme mit der Packung jahrelang aus!" Und sie ergänzt schnell: "Was bekommen Sie dafür?", um das Gespräch abzuwürgen, bevor es noch richtig begonnen hat.
Ein normales Gesprächsangebot wird abgelehnt. Warum ist das so? Patienten wissen, dass es mit Schmerzmitteln ein Problem geben kann. Sie werden jedesmal daran erinnert, wenn sie ein Schmerzmittel kaufen: Der Apotheker, die PTA sehen sie besorgt an und stellen vorsichtig formulierte Fragen, die sich so anhören, als glaubten sie, die Kunden wollten das Schmerzmittel missbrauchen, und sie sehen so aus, als würden sie ihnen dieses Schmerzmittel lieber nicht aushändigen.
Der Begriff Missbrauch klingt für die Patienten so, als würden sie sich mithilfe dieses Arzneimittels aus böser Absicht berauschen und schließlich süchtig machen. Patienten unterscheiden kaum zwischen Missbrauch, Sucht und Drogenabhängigkeit. Aber fest steht für sie, sie wollen lieber das ganze Thema vermeiden, als mit irgendwelchen Drogenabhängigen auf eine Stufe gestellt zu werden. Sie haben gelernt, auf unsere Fragen so zu antworten, wie sie glauben, dass es richtig ist. Sie lassen sich dabei aber nicht wirklich auf ein Gespräch ein, sondern spielen uns den ihrer Meinung nach guten Patienten vor. Denn sie wollen ja ihr Schmerzmittel ausgehändigt bekommen, was ihnen normalerweise gut gegen ihre Kopfschmerzen hilft.
Ein Gesprächsangebot, das man nicht ablehnen kann!
Unsere Patienten brauchen Hilfe gegen ihre Kopfschmerzen. Und unsere Analgetika in der Selbstmedikation sind dafür gut geeignet. Wenn Sie mit dieser Einstellung ins nächste Kundengespräch zum Thema Kopfschmerzen gehen, können Sie erleben, dass die Patienten sich Ihnen plötzlich öffnen und allerlei Geschichten aus ihrer Erfahrung erzählen. Was muss sich dafür ändern? Indem Sie mit einer positiven Einstellung gegenüber Analgetika ins Gespräch gehen, ändert sich Ihre nonverbale Kommunikation: Ihre Mimik wird freundlich und zugewandt bleiben und nicht in den besorgten Faltenwurf wechseln. Ihre Stimme bleibt positiv und vielleicht sogar fröhlich, statt einen ernsten, tiefen Ton anzuschlagen.
Um ins Gespräch zu kommen, müssen wir zunächst eine Gesprächsbeziehung aufbauen. Bei anderen Gelegenheiten kommt der Kunde gleich offen und gesprächsbereit auf uns zu. Wenn der Kunde allerdings tatsächlich ein Problem mit Schmerzmitteln hat und Angst hat, dass der Apotheker ihm sein Arzneimittel verweigern könnte, dann wird er reserviert und distanziert jedes Gesprächsangebot abblocken und wird sich wappnen, jede Frage zu parieren.
Wir können trotzdem eine Gesprächsbeziehung aufbauen, indem wir versuchen, Übereinstimmung herzustellen. Beginnen Sie ein Gespräch mit Sätzen und Fragen, denen er zustimmen kann – so wie in den Szenen 2 bis 5 in der Abbildung dargestellt.
Den Wunsch des Kunden wiederholen: Wiederholen Sie als erstes seinen Arzneimittelwunsch "Fünfzig Aspirin-Tabletten" oder "Zweimal zwanzig Thomapyrin". Halten Sie freundlichen Blickkontakt, damit Sie das Nicken oder die Bestätigung des Kunden wahrnehmen und noch einmal positiv darauf reagieren können: "Ja, gerne."
Das Arzneimittel zur Hand haben: Holen Sie das gewünschte Arzneimittel, damit Sie zeigen können, dass es zur Verfügung steht. Wenn Sie es nicht holen und erst Ihre Fragen stellen wollen, wird der Kunde verunsichert, ob Sie es ihm überhaupt geben wollen oder verweigern wollen. Solange der Kunde verunsichert ist, wird er innerlich abblocken und Ihnen nicht vertrauen. "Hier ist es", können Sie sagen und der Kunde wird ein weiteres Mal nicken.
Dem Wunsch beipflichten: Nennen Sie die positiven Wirkungen und den Nutzen dieses Arzneimittels. "Ein hilfreiches Mittel gegen Schmerzen", können Sie zum Beispiel sagen. Wichtig ist, freundlich Blickkontakt zu halten und auf seine Bewegungen zu achten. Nur wenn der Kunde deutlich zustimmt, sind Sie im Kontakt. Wenn er nicht reagiert, haben Sie hier noch keinen Kontakt erreicht.
Die Erfahrung des Kunden mit einbinden: "Kommen Sie gut damit zurecht?" oder "Hilft es Ihnen gut gegen Ihre Schmerzen?", fragen Sie und beobachten, wie er darauf reagiert. Vielleicht können Sie hier seine Reaktion herauslesen und zum Thema machen. Wenn der Kunde gar nicht reagiert, werden Sie an dieser Stelle freundlich das Fragen abbrechen. Wahrscheinlich aber kommen Sie in Kontakt und können die notwendigen Fragen nach der Art, Dauer, Häufigkeit der Schmerzen, der bisherigen Behandlung und der Zufriedenheit damit stellen.
Die meisten Gespräche führen an dieser Stelle zu der Entscheidung, dass eine Selbstmedikation möglich und unproblematisch ist. Es schließen sich Fragen an, die abklären, ob das gewünschte Arzneimittel tatsächlich gut geeignet ist, und Anwendungshinweise zur Einnahme des Schmerzmittels.
Verdacht: problematischer Schmerzmittelgebrauch
Fallbeispiel 1: Frau G.
Eine Stammkundin, Frau G., kauft regelmäßig einmal in der Woche drei verschiedene Schmerzmittel in großen Packungen. Vorsichtige Beratungsangebote der PTA ("Kommen Sie gut damit zurecht?" oder "Sind Sie zufrieden mit Ihren Schmerzmitteln?" oder "Haben Sie Fragen zur Behandlung von Kopfschmerzen?") beantwortet sie immer freundlich und offen: "Ja, danke, ich komme gut damit zurecht", ohne dass sie weitere Informationen gibt und ein klärendes Gespräch zustande kommt. Erst nach einigen Kontakten traut sich die PTA weiter zu fragen: "Sie sagen ja immer, Sie kommen gut mit Ihren Schmerzmitteln zurecht. Allerdings kaufen Sie so viel, dass Sie sich damit Schaden zufügen können, wenn Sie alle Schmerzmittel auch einnehmen. Ich mache mir Sorgen um Sie!" Da lacht Frau G. herzlich auf und antwortet lächelnd: "Die sind ja nicht alle für mich. Die eine Sorte bringe ich meiner Nachbarin mit und die andere meiner Tochter, nur die dritte ist für mich. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Aber es ist wirklich sehr nett von Ihnen, dass Sie sich um Ihre Patienten kümmern!"
In diesem Beispiel zeigt sich, dass die Angst der PTA vor Abweisung der Kundin ungerechtfertigt ist. Wir stehen uns bei einer Beratung zu Schmerzmitteln manchmal selbst im Weg. Frau G. ist freundlich und gesprächsbereit. Es zeigt sich aber auch: Frau G. hat im Umgang mit Schmerzmitteln kein Problembewusstsein. Die Mengen, die sie Woche für Woche kauft, sind auch für drei Patienten bedenklich hoch. Über ihre Nachbarin und ihre Tochter kann sie keine Auskunft geben, aber über ihre eigene Schmerzbehandlung kann sie mehr erzählen. Es ist wichtig, jetzt das Gespräch zu nutzen und die notwendigen Fragen zu stellen. Es stellt sich heraus, dass Frau G. ihre Ibuprofen-Tabletten hauptsächlich gegen Gelenkschmerzen im Knie und der Schulter einnimmt. Der Arzt hätte etwas von "natürlichem Verschleiß" erzählt und ihr diese Tabletten empfohlen. Eine Selbstmedikation ist möglich.
Fallbeispiel 2: Eine Unbekannte
Eine unbekannte Kundin möchte hundert Aspirin-Tabletten. "Sie kennen das Schmerzmittel offensichtlich schon, wenn Sie gleich eine große Packung möchten?", fragt die Apothekerin. Die Kundin nickt und sucht nach ihrem Portemonnaie. "Hilft es Ihnen denn gut?", fragt die Apothekerin weiter, während die Kundin schon einen 20-Euro-Schein auf den HV-Tisch legt. "Ja, ja", antwortet die Kundin. "Etwas Besseres gibt es ja doch nicht, oder?"
Jetzt kann ein Beratungsgespräch beginnen: "Das kommt darauf an. Welche Art von Schmerzen wollen Sie denn damit behandeln?" Es kann nach Dauer und Häufigkeit der Schmerzen gefragt werden und nach den Erfahrungen der Patientin mit ihrer bisherigen Therapie. Die Patientin erzählt, dass sie an häufigen Migräneattacken leidet. Sie hofft immer, dass diese Attacken auch ohne Schmerzmittel wieder verschwinden, nimmt dann, wenn der Migränekopfschmerz zu schlimm wird, eine Aspirin-Tablette und muss sich dann meist arbeitsunfähig melden. Offensichtlich nimmt die Patientin ihr Schmerzmittel zu spät und in zu geringer Dosierung. Die Apothekerin beginnt die Beratung: "Offensichtlich haben Sie ja schon viel Erfahrung mit Ihrer Migräne und Sie haben bestimmt auch schon genug Behandlungsversuche hinter sich. So richtig zufrieden sind Sie nicht, wenn Sie immer wieder auf der Arbeit ausfallen? Sie wünschen sich eigentlich eine bessere Behandlung?" Nach der Bestätigung kann sie die leitliniengerechte Migränetherapie mit der möglichst frühzeitigen Einnahme von 1000 mg ASS, vielleicht sogar besser als Brausetablette empfehlen, um eine bessere Magenpassage zu gewährleisten. Eine Selbstmedikation ist möglich, eine Beratung zur Dosierung und zum angepassten Einnahmezeitpunkt kann den Therapieerfolg verbessern.
Fallbeispiel 3: Frau D.
Eine Kundin, Frau D. (max. 50 kg Körpergewicht), kommt seit Jahren regelmäßig zu Ihnen in die Apotheke. Ein paar Jahre lang hat sie abwechselnd Vivimed®-, Spalt®- und Thomapyrin®-Tabletten zweimal in der Woche gekauft. Irgendwann hat eine junge Kollegin es geschafft, sie von Monopräparaten zu überzeugen, um das Risiko eines analgetikainduzierten Kopfschmerzes zu verringern. Jetzt kauft Frau D. mehrmals in der Woche Paracetamol-Tabletten. Ein regelmäßiger, wahrscheinlich täglicher Gebrauch ist offensichtlich. Die Patientin hat einen chronischen Kopfschmerz, der nicht mit Analgetika behandelt werden sollte.
"Die Paracetamol-Tabletten helfen Ihnen gut gegen Ihre Kopfschmerzen?", beginnt die Kollegin das Gespräch. "Ja, ja, sehr gut, was bekommen Sie?", fragt Frau D. nervös zurück. "Paracetamol sind zur Behandlung von Kopfschmerzen auch sehr gut geeignet und normalerweise gut verträglich", beginnt die Kollegin. Frau D. antwortet schnell: "Die nehme ich ja auch nur ganz selten. Mal eine." Sie schiebt drängelnd zwei Euro auf den HV-Tisch. "Dann ist ja gut", antwortet die Apothekerin und sucht das Wechselgeld heraus. "Sie können sich und Ihrer Gesundheit nämlich schwer schaden, wenn Sie mehr als dreimal täglich eine Tablette nehmen. Und wenn Sie fast täglich Kopfschmerzen haben, gibt es andere Mittel für Sie, die Ihnen der Arzt verschreiben kann. "Ach ja?", fragt Frau D. zögernd zurück. "Vielleicht frage ich Sie beim nächsten Mal, heute habe ich keine Zeit."
Der Verdacht auf Analgetika-Missbrauch liegt vor. Die Patientin kann mit wiederholten Beratungsangeboten immer wieder darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie sich mit ihrem Verhalten selbst schadet. Die Beschränkung auf Abgabe einer (kleinen) Packung erscheint erforderlich.
Für weitere Gespräche offen bleiben
Bei diesem Mal erreichen wir Frau D. nicht, aber vielleicht in ein paar Wochen, wenn sie merkt, dass wir unser Gesprächsangebot ernst meinen und ihr wirklich helfen wollen – und können. Gehen Sie nicht davon aus, dass Sie Patienten mit einem Dauerfehlgebrauch von heute auf morgen umkrempeln können. Ihr Problem besteht vielleicht schon seit Jahren, da werden Sie es nicht in wenigen Tagen lösen. Aber geben Sie nicht auf, diesen Patienten immer wieder unsere Hilfe anzubieten. Um einen Überblick über das Einnahmeverhalten zu bekommen, kann ihr ein Kopfschmerztagebuch angeboten werden. Es ist jedoch fraglich, ob diese Patientin sich das Ausmaß ihres Schmerzmittelgebrauchs wirklich in aller Deutlichkeit vor Augen führen will.
Gut ist es, wenn die Betreuung einer solchen Patientin Hand in Hand mit dem behandelnden Arzt gehen kann. Sprechen Sie mit ihm, wie seine Behandlungsstrategie für einen analgetikainduzierten Kopfschmerz aussieht, ob er z. B. einen ambulanten Entzug begleiten kann, ob eine Schmerzambulanz aufgesucht werden kann oder ob eine stationäre Aufnahme in einer Schmerzklinik angebracht scheint.
Melden Sie unerwünschte Arzneimittelwirkungen an die AMK!Unerwünschte Arzneimittelwirkungen, dazu gehören neben Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Gegenanzeigen, Resistenzbildung auch Miss- und Fehlgebrauch, Verdacht auf Gewöhnung und Abhängigkeit, werden laut Stufenplan an die Arzneimittelkommission Deutscher Apotheker (AMK-Geschäftsstelle, Postfach 5722, 65732 Eschborn) gemeldet. Der Online-Meldebogen steht unter www.abda.de/1087.html, als pdf unter www.abda.de/fileadmin/assets/Arzneimittelkommission/PDF/uaw_bogen.pdf zur Meldung bereit. |
Quelle
Hehlmann, A.: Leitsymptome. Urban & Fischer, München, 6. Aufl. 2011.
Lennecke, K. et al.: Therapie-Profile für die Kitteltasche. WVG, Stuttgart, 2. Aufl. (2006).
Zenz, M., Jurna, I.: Lehrbuch der Schmerztherapie. WVG, Stuttgart, 2. Auflg. (2001).Anschrift der Verfasserin
Dr. Kirsten Lennecke, Im Osterhöfgen 8, 45549 Sprockhövel
www.lennecke-coaching.de
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.