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Wenn Rabattvertragsarzneimittel nicht lieferbar sind …
Was zurzeit zwischen der AOK und den deutschen Apothekerinnen und Apothekern zum Thema Rabattarzneimittel abläuft, hat eine neue Dimension erreicht. Laut Meldung vom 19. August 2011 will die AOK die Staatsanwaltschaft einschalten (siehe auch die Meldung und meinen Kommentar dazu in der Apotheker Zeitung vom 22. August). Und dem Vernehmen nach wird schon mit einem Strafgeldkatalog gedroht mit Geldstrafen bis in den fünfstelligen Bereich. Bundesweit sollen Apotheken Rezepte falsch abgerechnet haben: Statt des noch nicht lieferbaren Metoprolol-Succinat-Präparats der Firma Betapharm sollen die Apotheken ein anderes vergleichbares Präparat abgegeben, aber das Rezept mit dem verordneten Präparat Metoprolol-Succinat beta bedruckt haben.
Laut AOK-Pressesprecher prüft die AOK derzeit die Vorfälle und wird "entsprechend die zuständige Staatsanwaltschaft einschalten" – eine Meldung, die zum Glück nur vereinzelt von des Tagesmedien aufgegriffen wurde. Immerhin führte es zu einigen Schlagzeilen. Die Ärzte Zeitung veranlasste dies zu der zweifelhaften Feststellung. "Mehr als die Hälfte aller Apotheken nimmt es mit der Arzneimittelsicherheit nicht so genau". Das ist im Übrigen die Stoßrichtung der AOK: Ihr gehe es vorrangig nicht so sehr um die Frage des Abrechnungsbetrugs, sondern um einen "relevanten Verstoß gegen die Arzneimittelsicherheit". Als ich diese Formulierung gelesen habe, kam mir sofort das Wort "Scheinheiligkeit" in den Sinn. War es nicht die AOK, die generell die Rabattverträge massiv vorangetrieben hat, den Austausch von Präparaten ohne pharmakologischen Sachverstand propagiert hat, dazu noch ohne Rücksicht auf die vollständige Übereinstimmung von Indikationen? Ist es nicht die AOK, die Rabattzuschläge vergibt ohne Rücksicht auf Lieferbarkeit der Präparate? Aber waren es nicht die Apotheker, die der AOK als federführenden Kasse das Kennzeichen für "Pharmazeutische Bedenken" abringen mussten – um wenigstens noch in den dringendsten Fällen die Arzneimittelsicherheit zu wahren? Jetzt auf einmal die Arzneimittelsicherheit zu entdecken und deren Nichtbeachtung den Apothekern vorzuwerfen, ist ein starkes Stück. Vermutlich geht es doch nur ums Geld – der zitierte Strafkatalog spricht eine deutliche Sprache.
Keine Frage, das Rezept ist ein Dokument, das lege artis beliefert und taxiert werden muss. Ein Präparat abzugeben und ein anderes aufs Rezept zu drucken, ist nicht korrekt. Der Hersteller des nicht abgegebenen Präparats hat einen wirtschaftlichen Schaden. Aber um es einmal klar zu sagen: Wer die Abläufe bei der Belieferung eines Rabattarzneimittels kennt (die AOK gehört sichtlich nicht zu diesem Kreis), weiß, dass der Metoprolol-Vorgang in den allermeisten Fällen versehentlich passiert ist (von wenigen schwarzen Schafen abgesehen).
Bei der Fülle der unterschiedlichen Rabattverträge, Dokumentationspflichten, Nichtlieferbarkeiten von Präparaten sowie den frustrierenden Auseinandersetzungen mit den Versicherten kann schon mal ein falsches Bedrucken eines Rezepts passieren. Hier gleich mit dem Staatsanwalt zu drohen, ist unangemessen. Die zahlreichen Zuschriften, Anrufe und Kommentare auf DAZ.online zeigen, dass dies auch von vielen Apothekerinnen und Apothekern so gesehen wird. Gleichwohl ist das Lager gespalten: Es gibt Apotheken, die peinlich genau darauf achten, die Rezepte korrekt zu bedrucken und kein Verständnis für Falschabgaben zeigen, und diejenigen, die einräumen, schon mal versehentlich eine falsche PZN aufgedruckt zu haben. Aber hier von der "Spitze eines Eisbergs" zu sprechen, wie es die AOK tut, halte ich für überzogen.
Die Crux allen Übels liegt nach meinem Dafürhalten aber schlicht und einfach darin, dass die AOK um jeden Preis Einsparungen erzielen will. Mit dem genialen Instrument der Rabattverträge hat die AOK Blut geleckt und treibt es wie ein nach Blut gierender Vampir voran. Wie aus Herstellerkreisen zu hören ist, muss man heute schon fast ruinöse Rabatte bieten, um einen Vertrag zu bekommen – die Alternative wäre, das Präparat gleich abzuschreiben. Das führt letztlich dazu, dass Hersteller mitbieten, die mit einem Präparat noch gar nicht im Markt sind, erst nach dem Zuschlag die Produktion anlaufen lassen und dann erst fünf Monate später lieferfähig sind. So etwas darf es einfach nicht geben. Es erhöht den Stress und Ärger in der Apotheke und beim Versicherten und zerstört Compliance beim Patienten. Hier muss die AOK vertraglich auf der Lieferfähigkeit bestehen und notfalls Vertragsstrafen gegen Hersteller aussprechen.
Mein Fazit aus dem Lehrstück Metoprolol-Succinat beta: Mit Androhungen von Staatsanwalt und Strafgeldern ist keinem gedient. Die AOK sollte vielmehr die immense Arbeit der Apothekerinnen und Apotheker anerkennen: Die zeitraubende und gratis erbrachte Umsetzung der Verträge in der Apotheke ermöglicht doch erst die Einsparungen!
Peter Ditzel
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