DAZ aktuell

Noch keine AOK-Anzeigen gegen Apotheker – aber drohen Strafzahlungen?

BERLIN (lk). Am vergangenen Freitag (19. August) schreckte der AOK-Bundesverband die Apotheker auf: Wegen angeblich bundesweit massenhafter falsch bedruckter Metoprolol-Rezepte sollte die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden. Außerdem: Die Metoprolol-Abrechnungsfehler seien nur die Spitze eines Eisberges falscher PZN-Kennzeichnungen. Der AOK-Bundesverband sah bereits die Arzneimittelsicherheit gefährdet.

Inzwischen ergibt sich ein differenzierteres Bild: Die meisten AOK-Landesverbände stehen der vorwurfsvollen Rhetorik des AOK-Bundesverbandes offenbar skeptisch gegenüber. Sie wollen zunächst einmal genau prüfen, was in den einzelnen Apotheken tatsächlich geschehen ist, bevor sie die Ermittlungsbehörden einschalten. Vor einer bundesweit flächendeckenden Ermittlungsaktion, wie am letzten Freitag vom AOK-Bundesverband suggeriert, kann derzeit jedenfalls keine Rede sein.

Offen ist allerdings, ob auf die Apotheker Vertragsstrafen wegen der Verletzung der Umsetzung der AOK-Rabattverträge zukommen. Im AOK-Lager gibt es Überlegungen, einen "Bußgeldkatalog" umzusetzen. Die letzte Entscheidung, ob dieser "Bußgeldkatalog" tatsächlich zu Forderungen gegen Apotheker führt, treffen die AOK-Landesverbände. Der "Bußgeldkatalog" sieht vor, dass Apotheker, die bis zu drei Metoprolol-Rezepte falsch abgerechnet haben, keine Strafgeldforderung zu erwarten haben. Nach Schätzungen betrifft dies die meisten der ca. 12.000 betroffenen Apotheken.

Etwa 4000 Apotheken sollen bis zu zehn Rezepte falsch bedruckt haben. Dafür sieht der AOK-Bußgeldkatalog Geldstrafen von 500 bis zu 1200 Euro vor. Etwa 600 Apotheken sollen mehr als elf Rezepte mit falscher PZN bedruckt haben. Hier drohen noch höhere Strafgeldforderungen.

Bereits bei einer AOK-Konferenz Mitte letzter Woche zur internen Abstimmung der AOK-Pressemeldung vom letzten Freitag stellten sich nach DAZ-Informationen einige AOK-Landesverbände nur zögerlich hinter diese Aktion. Es habe Dr. Christopher Hermann, bundesweiter Chefunterhändler der AOK-Rabattverträge und derzeit noch stellvertretender Vorsitzender der AOK Baden-Württemberg, Mühe gekostet, die Landesverbände hinter der Presseerklärung von Freitag zu sammeln.

AOK-Vorstoß "merkwürdig"

Auch bei anderen Krankenkassen wurde der AOK-Vorstoß als "merkwürdig" registriert. Schließlich sei die Ursache des Problems nicht bei den Apothekern zu suchen, sondern im von der AOK geschlossenen Rabattvertrag. Das mediale Vorpreschen der AOK diene dazu, von der Verantwortung Hermanns – in Krankenkassenkreisen auch "General" genannt – abzulenken, hieß es.

Seit Bekanntwerden der Abrechnungsproblematik hatte der Deutsche Apothekerverband (DAV) versucht, in Gesprächen mit Hermann eine Lösung zu finden. Vergeblich wie sich jetzt herausstellt. Eine Anfrage der DAZ für ein aufklärendes Interview lehnte Hermann in der vorletzten Woche noch mit dem Hinweis auf die laufenden Verhandlungen mit dem DAV ab. Er werde sich aber zu gegebener Zeit melden und für ein Interview zur Verfügung stehen, hieß es damals. Stattdessen präsentierte die AOK am Freitag ihre Presseerklärung.

Zu Wochenbeginn gab sich auch der AOK-Bundesverband auf DAZ-Nachfrage dann wortkarg. Bisher sei nur die Staatsanwaltschaft Stuttgart vom AOK-Landesverband Baden-Württemberg eingeschaltet worden, versicherte der Sprecher des AOK-Bundesverbandes, Udo Barske, auf DAZ-Anfrage am Montag (22. August).

AOK-Landesverbände zurückhaltend

Doch merkwürdig: Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft wusste zu diesem Zeitpunkt nichts von einer Anzeige. "Wir lesen zwar auch Zeitung", sagte Sprecherin Sabine Mayländer zur DAZ, "aber eine Anzeige liegt uns nicht vor." Der AOK-Landesverband Baden-Württemberg verweigerte eine Auskunft dazu und verwies lediglich auf die Zuständigkeit seiner Bundeszentrale. Bis Redaktionsschluss dieser DAZ-Ausgabe blieb daher unklar, ob bereits eine Anzeige gegen Apotheken in Baden-Württemberg vorliegt oder nicht. Nach unbestätigten Informationen soll es in Baden-Württemberg eine Apotheke geben, die in bis zu 70 Fällen Rezepte mit der Metoprolol-PZN abgerechnet haben soll.

Auch andere AOK-Landesverbände behandeln den Vorgang offensichtlich zurückhaltend: "Das Wort Staatsanwaltschaft hat bei uns noch keiner in den Mund genommen", sagte Hannelore Strobel, Sprecherin von AOK-Plus (Sachsen/Thüringen) zur DAZ. Außerdem lägen die Detailunterlagen noch nicht vor. Es seien aber offenbar nur wenige Apotheken in Sachsen und Thüringen betroffen.

Im Saarland will der AOK-Verband ebenfalls erst einmal prüfen, was tatsächlich in den Apotheken des Landes abgelaufen ist. "In jedem Betrieb, in dem Menschen arbeiten, passieren ohne Vorsatz Fehler", sagte der Chef des Landesverbandes, Karlheinz Delarber, zur DAZ. Jetzt würden die Unterlagen geprüft. Nach erster Einschätzung gibt es aber auch im Saarland keine schwerwiegenden Fälle, die die Einschaltung der Staatsanwaltschaft erfordern.

Das gleiche Bild zeigt sich in Niedersachsen: "Aktuell ist die AOK Niedersachsen in dieser Sache noch nicht an die Staatsanwaltschaft herangetreten, da die interne Datenanalyse noch nicht abgeschlossen ist", antwortete Oliver Giebel vom AOK-Landesverband Niedersachsen. Auch die AOK Hamburg/Rheinland will erst einmal die konkrete Sachlage prüfen. Bis Mitte/Ende September will sich der Landesverband damit Zeit lassen, so ein Sprecher zur DAZ. Erst danach werde entschieden, ob die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werde. "Mit freundlichen Grüßen aus Magdeburg", antwortetet Andreas Arnsfeld von der AOK Sachsen-Anhalt wie folgt auf die DAZ-Anfrage, "aktuell prüfen wir die Lage in Sachsen-Anhalt und werden in einem nächsten Schritt das Gespräch mit dem Apothekerverband suchen."


Lesen Sie hierzu auch aus dieser DAZ-Ausgabe:


Viel Ärger um Metoprolol: DAV: Apotheker sollen Fehler der Kassen ausbaden, S. 18


Metoprolol-Rezepte: Graue: Hauptverantwortung tragen Betapharm und AOK, S. 19


Metoprolol-Rezepte: BPI fordert Konsequenzen für Abrechnungsmodus, S. 19



DAZ 2011, Nr. 34, S. 15

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.