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Neue Beschlüsse zur Arzneimittelversorgung

BERLIN (ks). Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat vergangene Woche mehrere Beschlüsse zur Arzneimittelversorgung gefasst. Unter anderem hat er das rezeptfreie Arzneimittel L-Methionin zur Vermeidung von Blasensteinen bei neurogener Blasenlähmung aus der OTC-Ausnahmeliste gestrichen, das zur Therapie der Alzheimer-Demenz eingesetzte Memantin für weiterhin verordnungsfähig erklärt und neue Hinweise zur Austauschbarkeit von Darreichungsformen (aut idem) beschlossen.
Foto: DAZ/Sket
Erstmals konnte der Vorsitzende des G-BA, Dr. Rainer Hess, eine Entscheidung im Verfahren einer frühen Nutzenbewertung präsentieren.

Hintergrund des Verfahrens zu L-Methionin ist ein Abschlussbericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zur Nutzenbewertung. In diesem kommt das Institut zu dem Schluss, dass unter Berücksichtigung von patientenrelevanten Endpunkten kein Beleg für einen Nutzen oder Schaden von L-Methionin bei der Behandlung von Patienten mit neurogener Blasenstörung festzustellen ist. Wegen der fehlenden wissenschaftlichen Studien entschied der G-BA, das Arzneimittel von der seit dem Jahr 2004 existierenden OTC-Ausnahmeliste zu streichen. Es ist damit nicht mehr zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnungsfähig. Die Qualität der Versorgung werde hierdurch nicht beeinträchtigt, betonte der G-BA-Vorsitzende Dr. Rainer Hess im Anschluss an die Sitzung vom 18. August. Da das Indikationsgebiet der neurogenen Blasenlähmung nun nicht mehr in der Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie als schwerwiegende Erkrankung aufgeführt ist, sind nun auch homöopathische Arzneimittel, die zuvor an das OTC-Arzneimittel angeknüpft waren, nicht mehr zur Behandlung dieser Krankheit verordnungsfähig.

Memantin bleibt verordnungsfähig

Das zur Behandlung der Alzheimer-Demenz zugelassene verschreibungspflichtige Arzneimittel Memantin (Handelsnamen: Ebixa®, Axura®) bleibt dagegen unter bestimmten Voraussetzungen zulasten der GKV verordnungsfähig. Es handelt sich dabei um den einzigen Vertreter der Klasse der NMDA-Rezeptor-Antagonisten (NMDA = N-Methyl-D-Aspartat). Hier war das IQWiG in seinem Abschlussbericht im Jahr 2009 zunächst zu dem Ergebnis gekommen, dass es keinen Beleg für einen Nutzen der Memantin-Therapie bei Patienten mit Alzheimer-Demenz gebe. Der Hersteller des Präparats legte daraufhin während des laufenden Bewertungsverfahrens nachträglich berechnete Responderanalysen vor. Das IQWiG kam in einem folgenden Rapid-Report auf Grundlage dieser ergänzenden Daten zu dem Ergebnis, dass sich für den Bereich der kognitiven Leistungsfähigkeit ein Beleg für einen Nutzen von Memantin ergibt. Daraufhin hat der G-BA die Arzneimittel-Richtlinie nun nicht geändert. Die geltende Regelung der Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie (Nummer 10/Antidementiva) sieht vor, dass ein Therapieversuch über 24 Wochen zulässig ist. Ist dieser erfolgreich, ist eine Weiterverordnung über weitere 24 Wochen möglich.

Off-Label-Use

Weiterhin hat der G-BA zwei Beschlüsse zum Off-Label-Use gefasst. Aufgrund negativer Empfehlungen der Expertengruppe Off-Label beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zur Anwendung von Dapson in der Monotherapie zur Behandlung von Lungenentzündung sowie von Aldesleukin (auch als Adjuvans) bei HIV/Aids soll Teil B der Anlage VI der Arzneimittel-Richtlinie entsprechend ergänzt werden. In diesem Teil B wird aufgeführt, für welche Arzneimittel eine Verordnungsfähigkeit im Off-Label-Use zulasten der GKV nicht gegeben ist. Dapson besitzt antibakterielle und antientzündliche Eigenschaften und ist u. a. zugelassen in der Rheumatologie und zur Leprabehandlung. Aldesleukin ist als intravenöse oder subkutane Anwendung zugelassen zur Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms.

Aut-idem-Hinweise

Auch die Aufnahme weiterer Aut-idem-Hinweise in Anlage VII der Arzneimittel-Richtlinie hat der G-BA beschlossen. In dieser gibt der G-BA Hinweise zu Austauschbarkeit von Darreichungsformen unter Berücksichtigung ihrer therapeutischen Vergleichbarkeit. Nun sollen 23 neue Gruppen hinzugefügt werden und einige bereits bestehende Hinweise ergänzt werden. Die Regelung hat insbesondere Auswirkungen für die Abgabe rabattbegünstigter Arzneimittel. Letztes Jahr hatte der G-BA ein Stellungnahmeverfahren für insgesamt 51 Positionen eingeleitet. Die nun noch ausstehenden Hinweise sollen nachfolgen. Noch nicht geregelt sind laut Hess beispielsweise Opiate. Die 23 beschlossenen Positionen sind derzeit noch nicht veröffentlicht.

Neue Festbetragsgruppen

Im Bereich der Festbetragsgruppen hat der G-BA zwei Beschlüsse gefasst. Diese betreffen die Neubildung einer Festbetragsgruppe der Stufe 1 für Topiramat und die Ergänzung der bestehenden Festbetragsgruppe der Stufe 2 für Alpha-Rezeptorenblocker um den Wirkstoff Silodosin und die Darreichungsform "Hartkapseln".

Frühe Nutzenbewertung

Nicht zuletzt hat der G-BA erstmals in einem Verfahren der sogenannten frühen Nutzenbewertung nach § 35a SGB V eine Entscheidung getroffen: Der Wirkstoff Pitavastatin wurde in die bestehende Festbetragsgruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer (Statine) eingruppiert. Als Erfolgsmeldung verbucht Hess dies jedoch nicht. Der Hersteller hatte nicht einmal einen Zusatznutzen angemeldet. Daher konnte ein beschleunigtes Verfahren zum Einsatz kommen. Pitavastatin war erst im Juni dieses Jahres in den Markt eingeführt worden.

Die vom G-BA gefassten Beschlüsse werden nun dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur Rechtsaufsicht vorgelegt und treten nach Nichtbeanstandung und Verkündung im Bundesanzeiger in Kraft. Eine Ausnahme bildet der Beschluss nach § 35a SGB V zu Pitavastatin. Hier kann das BMG zwar die Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses – sowie aller nachfolgenden Beschlüsse der frühen Nutzenbewertung – im Rahmen der allgemeinen Rechtsaufsicht über den G-BA prüfen. Zur Beschleunigung des Verfahrens gilt jedoch ausweislich der Gesetzesbegründung zum AMNOG nicht die Vorlagepflicht nach § 94 Abs. 1 SGB V.



DAZ 2011, Nr. 34, S. 20

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