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Aus der Hochschule
Arzneipflanzen des Kaukasus
Der Kaukasus, der eine Brücke zwischen den europäischen Gebirgszügen sowie den gewaltigen Berglandschaften Südwestasiens bildet, zeigt eine ausgesprochen große Vielfalt an Gefäßpflanzen. Viele dieser Gewächse kommen nur im Kaukasus vor – sogenannte "Endemiten". So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass viele dieser Pflanzen arzneilich genutzt werden. In diesem Zusammenhang untersucht die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Michael Keusgen, Fachbereich Pharmazie der Philipps-Universität Marburg, schon seit vielen Jahren die Inhaltsstoffe von wilden Zwiebelgewächsen, auch solche aus der Kaukasus-Region. Die aktuelle Arzneipflanzen-Expedition war jedoch nicht nur auf die wilden Verwandten von Knoblauch und Zwiebel beschränkt, sondern es sollten ebenfalls Standorte von weiteren Arzneipflanzen bewertet werden sowie nach Resten des Arzneipflanzenanbaus aus Sowjetzeiten Ausschau gehalten werden. Die Reise fand in Kooperation mit der Firma Innotec-Tetkov aus Oßmannstedt statt. Die Ergebnisse der Reise sollten dazu dienen, den Arzneipflanzenanbau in Georgien wieder zu beleben. Hierzu konnte die Firma "Essential Oils of Georgia" (EOG) in Tiflis gewonnen werden.
Vielzahl von Vegetationszonen
Zu Sowjetzeiten war Georgien bekannt für seine Weine und seinen Tee. Nach der Katastrophe von Tschernobyl kam der Anbau von Tee völlig zum Erliegen; der Weinanbau erlitt ebenfalls starke Einschnitte und wird derzeit, orientiert an den Bedürfnissen der westlichen Märkte, wieder neu aufgebaut. Weniger bekannt ist der Anbau von Arznei- und Gewürzpflanzen. Hier bietet Georgien eine Vielzahl von Vegetationszonen, die von feuchtem, subtropischem Küstenklima im Westen bis zum trocknen Kontinentalklima mit steppenartigen Landschaften im Osten reichen. Dazu kommen weitere Gebirgsklimazonen des Großen und des Kleinen Kaukasus. Durch den Gebirgszug des Großen Kaukasus werden kalte Winde aus dem Norden weitgehend abgehalten, was zu einem günstigen Klima in Georgien führt.
Eukalyptus und Lorbeer
Neben vielen Resten von Teeplantagen, die im Westen des Landes zu finden sind, wurde auch Eukalyptus in größerem Stil zur Ölgewinnung in dieser Region angepflanzt. Nach dem Aufgeben der Kulturen sind die inzwischen stattlichen Bäume schon von Weitem in der flachen Landschaft der Schwarzmeerküste sichtbar. Eine Inbetriebnahme dieser alten Kulturen gestaltet sich jedoch schwierig, da die inzwischen 20 m hohen Bäume erst einmal zurückgeschnitten werden müssen, was ein fragliches Unterfangen ist. Ebenfalls typisch für die Schwarzmeerregion sind Lorbeerwälder. Diese Wälder werden in der Regel von den örtlichen Einwohnern genutzt. Lorbeerbäume befinden sich aber auch in nahezu allen Gärten. Die Bäume wurden aber auch in den naturbelassenen Wäldern an der Südflanke des Großen Kaukasus gefunden, in denen auch Bärlauch wächst, der interessanterweise mit dem unauffälligen Knoblauch-Schwindling, einem Pilz, vergesellschaftet war.
Thymian und Lavendel
An mehr offenen Stellen des Gebirges konnten reiche Vorkommen an Thymian ausfindig gemacht werden. Bemerkenswert sind auch die vielen Klosteranlagen im georgischen Teil des Kaukasus.
Im mehr trockenen, östlichen Teil des Landes wurde eine ehemalige Lavendelplantage besucht. Überraschenderweise haben viele Lavendelstöcke 20 Jahre der Verwilderung gut überstanden und können als Startmaterial für eine neue Kultur dienen. Im gleichen Areal wurden auch alte Bestände der Apotheker-Rose angetroffen, die zur Gewinnung von Rosenöl verwendet werden kann. Bemerkenswert war auch, dass das Lavendelfeld mit vielen weiteren Arzneipflanzen, wie Johanneskraut und Schafgarbe, durchsetzt war.
Insgesamt verlief die Forschungsreise sehr erfolgreich. Die Befunde müssen nun wissenschaftlich aufbereitet werden, wozu insbesondere die Analyse von Pflanzenextrakten gehört. Nach den ersten Eindrücken kann aber jetzt schon festgestellt werden, dass eine Wiederbelebung des georgischen Gewürz- und Arzneipflanzenanbaus ein lohnendes Unterfangen ist.
Prof. Dr. Michael Keusgen, Institut für Pharmazeutische Chemie, E-Mail: michael.keusgen@staff.uni-marburg.de, Internet: www.uni-marburg.de/fb16/ipc/ag_keusgen/
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