- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 31/2011
- Cranberry-Extrakte: ein ...
Arzneimittel und Therapie
Cranberry-Extrakte: ein Ersatz für Antibiotika?
Harnwegsinfekte gehören zu den häufigsten Infektionskrankheiten. Die Inzidenz liegt bei jüngeren Frauen bei rund 5% pro Jahr und steigt im Alter auf rund 20% an. Bei jüngeren Männern sind sie eher selten, gleichen sich jedoch mit zunehmendem Lebensalter dem der Frauen an.
Cranberry-Extrakte – eine umstrittene Option
Obwohl verschiedene Untersuchungen eine prophylaktische Wirkung von Kranbeeren (Vaccinium macrocarpon)-Extrakten gegen Harnwegsinfekte zeigten, bleiben Zweifel an deren Wirksamkeit. Eine Metastudie der Cochrane Collaboration aus dem Jahr 2008 belegte eine Wirkung bei jungen Frauen, nicht jedoch bei älteren Menschen, Männern und Patienten mit Kathetern. Nach einer aktuellen randomisierten, doppelblinden Placebo-kontrollierten Studie ist die Einnahme von Kranbeerensaft gegen Harnwegsinfekte nicht wirksamer als ein Placebosaft [2]. Die aktuellen Empfehlungen der deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin bemängeln die Studienlage hinsichtlich der Harnwegsinfektionen und sprechen sich gegen eine Therapieempfehlung für Cranberry-Produkte aus. Eine Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Urologie nennt sie zwar als Möglichkeit zur Prophylaxe von Harnwegsinfekten, bewertet sie jedoch als unterlegen gegenüber einer Vorbeugung durch Antibiotika.
Überlegene Antibiotika-Standardtherapie
Niederländische Wissenschaftler haben jetzt die mögliche prophylaktische Wirksamkeit von Cranberry-Kapseln gegenüber einer Prophylaxe durch eine Antibiotika-Standardtherapie mit Trimethoprim-Sulfamethoxazol (TMP-SMX, Cotrimoxazol) verglichen [1]. In ihrer Studie erhielten 221 prämenopausale Frauen 480 mg Cotrimoxazol am Abend plus eine Placebokapsel zweimal täglich oder aber eine Cranberry-Kapsel (500 mg zweimal täglich und eine Placebotablette am Abend) über zwölf Monate. Die Teilnehmerinnen wurden während dieser Zeit und in den ersten drei Monaten nach dem Ende der Therapie monatlich untersucht. Die Rezidivrate betrug unter dem Antibiotikum 1,8 in den ersten zwölf Monaten gegenüber 4,0 im Cranberry-Arm. Unter Cotrimoxazol traten die Rezidive im Durchschnitt nach acht Monaten, im Cranberry-Arm bereits nach vier Monaten auf.
Resistenzproblem
Allerdings zeigte die Prophylaxe unter einer Antibiotika-Standardtherapie einen deutlichen Nachteil auf. Bereits nach einem Monat waren mehr als 85% der Escherichia coli-Isolate in den Stuhlproben der Teilnehmerinnen resistent, während die Rate unter der Cranberry-Prophylaxe weniger als 30% betrug. Auch wenn sich die Darmflora bereits drei Monate nach dem Ende der Prophylaxe wieder erholt hatte, so bleiben dennoch Bedenken gegen eine längerfristige Antibiotika-Prophylaxe, und ein Vorteil der Cranberry-Extrakte ist sicherlich die Vermeidung von Antibiotika-Resistenzen.
So könnten Cranberry-Präparate nach Ansicht der Autoren bei einigen Patientinnen durchaus eine Alternative sein. Möglicherweise müsse die Dosis erhöht werden, um im Harn die für eine Wirksamkeit notwendige Wirkstoffkonzentration an oligomeren Proanthocyanidinen zu erzielen. Wie bei vielen Naturheilmitteln würde die notwendige Dosis unterschätzt. In einer Phase-II-Studie werde derzeit die optimale Dosis untersucht.
Quelle
[1] Beerepoot, M.A.J.; et al.: Cranberries vs Antibiotics to Prevent Urinary Tract Infections. Arch. Intern. Med. 2011; 171(14): 1270 – 1278.[2] Barbosa-Cesnik, C.; et al.: Cranberry Juice Fails to Prevent Recurrent Urinary Tract Infection. Clin. Infect. Dis. 2011; 52(1): 23 – 30.
Dr. Hans-Peter Hanssen
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.