- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 29/2011
- Bregenzer Grenzgespräche
Komplementärmedizin
Bregenzer Grenzgespräche
In seinem einleitenden Vortrag zur Geschichte der Naturheilkunde streifte Hans-Peter Eppler, Laichingen, verschiedene Theorien oder Vorstellung von Krankheit und Gesundheit.
Von der Urzeit bis zu Paracelsus
Sehr früh beobachtete und nutzte der Mensch die spezifischen Wirkungen natürlicher Arzneimittel und Gifte. Aus spontanen Handlungen bei erlittenen Verletzung oder Schmerzen entwickelte er Techniken wie die chirurgische Extraktion oder die Anwendung von Massagen. Die Beobachtung, dass Blutungen auch Erleichterungen herbeiführen können, führte zu Aderlässen und Schröpfkuren. Die Vorstellung einer Entgiftung durch das Ausleiten eines krankmachenden Agens ist bis heute in der Naturheilkunde lebendig und zeigt sich in Praktiken wie Aderlass, Schwitzkuren oder in der Einnahme von Abführmitteln, Brechmitteln, Niesmitteln und harntreibenden Stoffen.
Sehr früh unterschied der Mensch zwischen Fremd und Selbst und stellte sich vor, dass Fremdkörper krank machen. Hinzu kam die Vorstellung, dass ein falsches Mengenverhältnis der Körpersäfte das Krankheitsgeschehen bestimmt (Humoralpathologie). Parallel hierzu entwickelte sich die animistische Heilkunde, die Krankheiten durch den Einfluss von Geistern und Dämonen erklärt und mit magischen Handlungen und dem Einsatz psychoaktiver Pflanzen behandelt.
Krankheit wurde aber nicht nur als Folge des Einflusses negativer Kräfte gesehen, sondern auch als Strafe für das eigene sündige Tun erachtet. Entsprechend wurde die Gesundung als Belohnung und Läuterung gewertet. Die Heilung sollte mithilfe der Religion an Körper und Seele zugleich erfolgen, wie unter anderem Hildegard von Bingen lehrte. Als Voraussetzung für die Gesundheit galt ein maßvolles Leben.
Paracelsus stand der Humoralpathologie kritisch gegenüber und stellte die Heilkraft der Natur in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Er postulierte drei Grundeigenschaften der Materie (tria prima), das heißt, dass ein Stoff flüchtig, brennbar oder löslich sein kann. "Chemische" Zubereitung eines Heilmittels bedeutete, dass die Ausgangssubstanz gereinigt und von Irdischem befreit wird, sodass nur das Wirkprinzip übrig bleibt. Durch den Scheidungsprozess und die Transmutation sollte ein vollkommenes universales Heilmittel (Stein der Weisen, Arkanum) geschaffen werden. Diese Vorstellung wurde später von den Spagyrikern aufgenommen und weiterentwickelt.
Immunologie aus anthroposophischer Sicht
Aus anthroposophischer Sicht gibt es vier Ebenen der Existenz: die physische, die lebensdynamische, die seelische und die geistige Ebene. Wie Dr. Jan Vagedes, Filderstadt-Bonlanden, und Dr. Marcus Roggatz, Sölden, darlegten, spielen sich immunologische Vorgänge an Grenzflächen zwischen "Selbst" und "Fremd" ab. Auf jeder Ebene versucht der Organismus, seine Autonomie zu bewahren, potenziell Feindliches zu erkennen und abzuwehren. Wird das Gleichgewicht zwischen dem Öffnen gegenüber der Umwelt und dem Zurückziehen von der Umwelt gestört und besteht eine Disharmonie zwischen innen und außen, kann dies zu immunologischen Fehlreaktionen führen.
Die erste Ebene kann als Hülle betrachtet werden, die das Innere schützt und eine Grenze nach außen bildet. Diese Hülle ist bei allen Lebewesen vorhanden. So schützen sich Einzeller mit einer Zellwand, Pflanzen durch Zellmembranen, bestimmte Tiere durch einen Panzer und der Mensch mithilfe der Haut. Die Haut ist eine Schutzbarriere, die den Zugang zur Außenwelt vermittelt, aber auch das Innere abgrenzt.
Die zweite Ebene der Lebensvorgänge ist durch Bewegungen und Fließen geprägt. Auf dieser Ebene ist das zelluläre Immunsystem angesiedelt. Es formt sich durch die Wahrnehmung eines fremden Agens und Bildung einer Abwehrmaßnahme (z. B. Antikörperbildung, Reifung von T‑Zellen).
Auf der dritten Ebene prägen seelische Einflüsse die Beziehung zwischen dem Zentralnervensystem und dem Immunsystem. Diese Seelenebene ist entscheidend für die Trennung von Selbst und Fremd. Es kommt zum Aufbau einer psychoneuroimmunologischen Verbindung, in der das seelische Erleben mit biochemischen Vorgängen korrespondiert.
In der vierten und höchsten Ebene, der Ebene des geistig-biographischen Bereichs, lernt der Mensch die immunologischen Vorgänge und Seelenregungen zu beherrschen. Dabei stellt er auch die Frage nach dem Sinn und der Notwendigkeit einer Krankheit, so etwa, ob eine Erkrankung zufällig auftritt oder für eine bestimmte Entwicklungsstufe erforderlich ist.
Stimulation des Immunsystems
Das Immunsystem kann auf allen vier Ebenen stimuliert werden. In der ersten Ebene stehen die Abgrenzung und Hüllenbildung im Vordergrund, die bereits in den ersten Lebenstagen erfolgen. Durch die Hautpflege und Körperkontakte beginnt der Säugling sich selbst wahrzunehmen und entwickelt ein Bewusstsein für die eigene Oberfläche.
Die zweite Ebene wird durch Lebensgewohnheiten (Ernährung, Bewegung) und Rhythmusbildung geprägt. Dies kann zusätzlich durch Organpräparate unterstützt werden.
In der dritten Ebene kann ein falscher Umgang mit dem eigenen Seelenleben zu bestimmten Erkrankungen führen; durch Selbstregulation und Änderung der Verhaltensweisen kann das Immunsystem wieder ins Lot kommen.
In der geistig-biographischen Ebene kann das Immunsystem durch Wärmestimulation, etwa mithilfe der Mistel oder von Meteoreisen-Phosphor-Quarz, angeregt und reguliert werden.
Die Darmflora – eine Welt für sich
Der menschliche Dickdarm enthält etwa 1013 Bakterien, die in ihrer Gesamtheit als Mikrobiota oder Mikrobiom (Bakterienwelt) bezeichnet werden. Sie setzen sich aus mehr als 1000 Spezies zusammen, von denen 20% kultivierbar, weitere 70% durch PCR identifizierbar sind. Wie Prof. Dr. Günter Krejs, Graz, erläuterte, kann die Darmflora in drei große Gruppen (Enterotypen) eingeteilt werden. Die meisten Menschen lassen sich einer dieser Gruppen zuordnen, die teilweise mit dem Auftreten bestimmter Krankheiten assoziiert sind. Jeder Mensch hat jedoch ein individuelles Mikrobiom, dessen genetisches Muster einem genetischen Fingerprint ähnelt.
Je vielfältiger die Darmflora zusammengesetzt ist, umso stärker ist die immunologische Toleranz und umso besser funktioniert das Immunsystem. So schlägt sich eine Störung der Darmflora – etwa nach Antibiotikatherapien, bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, aufgrund von Feinstaubbelastung oder durch eine fett- und kohlenhydratreichen Kost – auch in einer verminderten Immunkompetenz nieder. Daher wird versucht, durch eine Normalisierung der Darmflora das Immunsystem zu stärken und den Verlauf von Autoimmunerkrankungen abzuschwächen. Eine Möglichkeit, das Mikrobiom positiv zu verändern, ist die Einnahme von Probiotika.
Stärkung des Immunsystems durch Probiotika
Probiotika sind Präparate mit lebenden Mikroben, die bei regelmäßiger Einnahme einen gesundheitlichen Nutzen bieten. Die wichtigsten Vertreter sind Laktobazillen, Bifidobakterien, E. coli Nissle, Streptokokken und Hefen. Der Einfluss von Probiotika auf die Darmflora hält nur während der Dauer der Einnahme an, eine kurzfristige oder einmalige Einnahme zeigt keine Effekte.
Der Nutzen von Probiotika konnte bislang beim Reizdarmsymptom, bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, bei Leberschäden und bei Durchfallerkrankungen gezeigt werden. Weitere Untersuchungen beschäftigen sich mit dem Einfluss der Probiotika auf Adipositas und atopische Erkrankungen, insbesondere auf Asthma. Als Mechanismen der Probiotika werden eine Stärkung des Immunsystems und eine verbesserte Infektabwehr, metabolische Effekte, strukturverändernde Effekte (Verbesserung der Barriere-Funktion des Darmepithels) sowie antiinflammatorische und antineoplastische Wirkungen diskutiert (s. Kasten).
Wirkungen von ProbiotikaDarm
Leber
Immunsystem
Tumorerkrankungen
|
Mikronährstoffe und Immunsystem – ein Update
Neben vielen anderen Faktoren wie Ernährung, Lebensstil, Konsum von Drogen und Genussmitteln, Umweltnoxen, Infektionen und seelischen Belastungen beeinflussen auch Mikronährstoffe das Immunsystem. Wie Hugo Schurgast, Rapperswil, betonte, ist das Funktionieren des Immunsystems nicht nur von einzelnen Mikronährstoffen abhängig, das heißt, die jeweiligen Wirkungen sollten nicht isoliert betrachtet werden. Wissenschaftliche Evidenzen und neue Studienergebnisse liegen für einige Vitamine, Mineralstoffe und Omega-3-Fettsäuren vor.
Zink: Einer der wichtigsten Mikronährstoffe ist Zink, das Dauer und Intensität akuter Erkältungen reduziert, vornehmlich dann, wenn es innerhalb der ersten 24 Stunden nach Einsetzen der Symptome eingenommen wird. Zur Prävention chronischer Erkältungskrankheiten wird eine fünfmonatige Einnahme von 15 mg/d empfohlen.
Vitamin C: Seit Langem wird Vitamin C präventiv und therapeutisch bei Erkältungskrankheiten eingesetzt, obwohl seine Wirksamkeit bei Infektanfälligkeiten kontrovers diskutiert wurde. Schurgast wies darauf hin, dass die negativen Daten einer 2007 publizierten Metaanalyse der Universität Kopenhagen auf nicht klar definierten Parametern beruhen; so blieben in dieser Metaanalyse unterschiedliche Dosierungen und eine unterschiedliche Einnahmedauer unberücksichtigt. Nach jetzigem Wissensstand sollten mindestens 800 mg Vitamin C pro Tag während mehrerer Monate eingenommen werden, um die Infektanfälligkeit herabzusetzen. Ferner verbessert Vitamin C die Wirksamkeit der klassischen Therapie zur Eradikation von Helicobacter pylori.
Vitamin D3 besitzt ausgeprägte immunmodulatorische Eigenschaften und spielt bei akuten und chronischen Infektionen eine Rolle. So besteht eine Korrelation zwischen einem Vitamin-D-Mangel und akuten Atemwegsinfekten. Ferner wird der Vitamin-D-Status mit Autoimmunerkrankungen wie etwa der multiplen Sklerose und der rheumatoiden Arthritis sowie mit Typ-1-Diabetes in Verbindung gebracht. Bei der multiplen Sklerose kann Vitamin D die Krankheitsprogression verlangsamen. Des Weiteren gibt es Hinweise auf eine verringerte Sterblichkeit bei Vitamin-D-Supplementierung. In den USA wurde der Wert für die empfohlene Vitamin-D-Zufuhr bereits auf 600 I.E. pro Tag erhöht. Übergewichtige und Patienten, die Antikonvulsiva, Ketoconazol oder Glucocorticoide einnehmen, benötigen wahrscheinlich höhere Dosen Vitamin D. Der Blutspiegel von Vitamin D sollte über 30 ng/ml liegen.
MikronährstoffeEmpfehlungen zur Supplementierung von Mikronährstoffen:
|
Vitamin A besitzt ebenfalls immunologische Eigenschaften und ist an der Aufrechterhaltung der Schleimhautbarriere beteiligt. Ein Vitamin-A-Mangel korreliert mit einer verminderten intestinalen Immunantwort und ist bei chronischen und akuten Mittelohrentzündungen nachweisbar. Vitamin A ist eng mit dem Zinkstoffwechsel verknüpft; Zinkmangel und Vitamin-A-Defizite führen zu einer ähnlichen Symptomatik.
Vitamin E verbessert die Resistenz gegenüber Infekten der oberen Atemwege und reduziert das Risiko für chronische Lungenerkrankungen. Dosen über 400 I.E. sollten mit Vitamin C kombiniert werden.
Selen: Ein Mangel an Selen kann die virale Virulenz verstärken. Asthmatiker können durch eine Supplementation ihren Cortisonbedarf senken.
Omega-3-Fettsäuren: Aufgrund ihrer entzündungshemmenden Eigenschaften können Omega-3-Fettsäuren (Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure; EPA/DHA) bei Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden. Nachgewiesen ist ihr Nutzen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sowie bei rheumatoider Arthritis.
Lysin: Bei akuten Herpes-simplex-Infektionen sowie zur Rezidivprophylaxe kann oral eingenommenes Lysin nützlich sein.
Gluten: Oral eingenommenes Gluten kann bei einigen Chemotherapien die Mukositis abschwächen.
Chronische Schwermetallintoxikationen
Erhöhte Belastungen mit Blei, Quecksilber, Zinn oder Arsen können die Immunantwort stören. Dasselbe gilt für Cadmium, das bei einem ausgiebigen Verzehr von Gemüse und Getreide vermehrt aufgenommen werden kann. Ferner kann Cadmium durch das Tragen von asiatischem Billigschmuck über die Haut resorbiert werden.
Die erhöhte Aufnahme von Schwermetallen verursacht keine akuten Beschwerden, kann sich aber langfristig negativ auf die Immunantwort auswirken. Im Zweifelsfall ist eine Labordiagnostik zu empfehlen.
Nosoden gegen Therapieblockade
Durch Belastungen wie Infektionskrankheiten, Umwelttoxine, Impfstoffe oder Arzneimitteltherapien kann es im menschlichen Organismus zu einer Anhäufung von Toxinen kommen, die zu einer Therapieblockade führt. Wie Dr. Marion Kraßnitzer-Geyer erläuterte, kann diese mithilfe bestimmter Nosoden wieder gelöst und der Heilungsprozess eingeleitet werden.
Unter Nosoden versteht man homöopathische Mittel, die aus pathologischen Sekreten (z. B. Blut, Eiter), Krankheitserregern, Tumorzellen, pathologischem Zellgewebe, abgetöteten Mikroorganismen, Allergenen oder aus Organen von Tier und Mensch nach homöopathischen Verfahren zubereitet wurden. Die Vorschriften finden sich im Homöopathischen Arzneibuch (HAB 5.4.4. Vorschriften 43 und 44 sowie 58 a und 58b).
Nosoden – kurze Übersicht
|
Nosoden werden als Einzelpotenzen, als Serienpackungen mit aufsteigender Potenzfolge, als Potenzakkorde oder als komplexe Mischungen eingesetzt. Ferner unterscheidet man zwischen Autonosoden aus Sekreten des Patienten und Heteronosoden, deren Ausgangsmaterial nicht vom Patienten stammt.
Nosoden sollen die Therapieblockaden, die durch eine Anhäufung von Toxinen entstanden sind, auf immunmodulatorischen Wegen lösen. Ferner sollen sie die Ausleitung von Toxinen katalysieren. Je tiefer die Potenz der Nosode, umso heftiger reagiert der Organismus darauf. Der Behandlungserfolg setzt in der Regel langsam ein, und die Therapie erfordert Geduld.
Theorie der ErbnosodenGemäß der Miasmentheorie von Hahnemann gibt es drei ansteckende (miasmatische) Krankheiten, die zugleich erblich bedingt sind. Von ihnen lassen sich alle chronischen Krankheiten ableiten. Aus den typischen Exkreten der miasmatischen Krankheiten werden die Erbnosoden bereitet:
Die Auswahl der geeigneten Nosode richtet sich dann nach dem vorliegenden Krankheitsbild, z. B. wird bei schweren destruktiven Erkrankungen eine syphilitische Nosode eingesetzt. |
Dosierung und Potenz richten sich nach der Dauer der Beschwerden: bei akuten Beschwerden D8 bis D15 bis zu dreimal täglich; bei chronischen Beschwerden D30 ein- bis zweimal wöchentlich oder D200 einmal alle drei bis vier Wochen.
Nosoden können bei folgenden Indikationen eingesetzt werden:
akut und protrahiert verlaufende Infektionserkrankungen,
Lösen von Therapieblockaden,
Intoxikationen,
chronische Erkrankungen.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.