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DAZ aktuell
Einzelkämpfer für die Gleichbehandlung
Die Frage der (Un-)Zulässigkeit von Boni auf verschreibungspflichtige Arzneimittel treibt die Apotheker auch nach den Urteilen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 9. September 2010 um. Es wird ausprobiert, wo die Obergrenze für eine wettbewerbsrechtlich noch zulässige geringwertige Kleinigkeit liegt. Ein Gutschein oder Bonustaler im Wert von einem Euro ist dem BGH zufolge bekanntlich noch akzeptabel – sind es aber fünf Euro, hält das Gericht die Grenze für überschritten. Nicht abschließend geklärt haben die Karlsruher Richter zudem, ob auch für Barrabatte die Geringwertigkeitsklausel gilt. Die Gerichte sind mithin noch immer mit Fragen rund um Apotheken-Boni beschäftigt. Den Apothekerkammern kommt es ohnehin nicht so sehr auf das Wettbewerbsrecht an. Denn ein Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung, der auch berufsrechtlich geahndet werden kann, liegt bei solchen Werbeaktionen auf jeden Fall vor. Allerdings sind den Kammern gegenüber ausländischen Versandapotheken die Hände gebunden – auch die Frage, ob sich diese an die Arzneimittelpreisverordnung halten müssen, ist bekanntlich noch offen. Sie soll in den nächsten Monaten vom Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe geklärt werden. Derweil buhlen ausländische Versandapotheken – auch über ihre Pick-up-Stellen in Deutschland – weiter mit Boni um Kunden.
Anlehnung ans KFZ-Versicherungsrecht
Mattenklotz ärgert diese Ungleichbehandlung. Er will nicht warten, bis der Gemeinsame Senat entschieden hat – zumal er überzeugt ist, dass sich der Rechtsstreit noch vor dem Europäischen Gerichtshof fortsetzen wird. Und an die Standesvertretung glaubt der ehemalige Kammerpräsident ohnehin nicht mehr. Er unternimmt daher quasi im Alleingang – unterstützt wird er von einer Handvoll anderer Apotheker – den Versuch, im laufenden Gesetzgebungsverfahren zum Versorgungsstrukturgesetz klarzustellen, dass in- und ausländische Versandapotheken in Sachen Boni gleichbehandelt werden. Er hat den Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas von der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner zurate gezogen, der auch am Boni-Verfahren vor dem BGH beteiligt war. Douglas legt in einer Stellungnahme dar, dass die Gewährung von Rabatten oder geldwerten Zugaben beim Erwerb preisgebundener Arzneimittel durch Apotheken zulasten der Sozialversicherungen erfolge. Diese müssten letztlich mehr für die Arzneimittel aufwenden, als den Versicherten in Rechnung gestellt wird. Auch dies ist ein Aspekt, der in der Boni-Rechtsprechung bislang nicht zur Sprache kam. Douglas schlägt nun in Anlehnung an die Rechtsprechung zum KFZ-Versicherungsrecht vor, die Versicherten sowie die Leistungserbringer dazu zu verpflichten, den tatsächlich gezahlten Preis – einschließlich etwaiger Vergünstigungen – offenzulegen, damit diese den Sozialversicherungsträgern zugutekommen. Diese Verpflichtung sollte für alle Leistungserbringer – also auch für ausländische Versandapotheken – gelten, damit es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen gekomme. Dem steht nach seinen Darlegungen auch das Europarecht nicht entgegen.
Flach: Keine vorschnelle gesetzliche Regelung
Mattenklotz hat aus dieser Idee nun einen Gesetzesvorschlag gebastelt, den er gerne im Versorgungsstrukturgesetz untergebracht sähe. Er lautet: "Boni, über die von der deutschen Rechtsprechung gesetzte Grenze von 1 Euro hinaus, sowie Rückvergütungen für Rezepte der in Deutschland gesetzlich Versicherten, sind an die entsprechende deutsche Krankenkasse vom europäischen Leistungserbringer abzuführen." Mattenklotz gegenüber der DAZ: "Wenn das so ins Versorgungsgesetz kommt, dann wären auch die Gerichte daran gebunden." Die rechtsanwaltliche Stellungnahme sowie seine Formulierungshilfe für einen neuen Paragrafen hat Mattenklotz über den Mühlheimer Apotheker Patrick Marx an das Abgeordnetenbüro der Parlamentarischen Staatssekretärin Ulrike Flach (FDP) geleitet. Diese antwortete, dass man zunächst die ausstehende Entscheidung des Gemeinsamen Senates abwarten sollte. Eine vorschnelle gesetzliche Regelung würde Flach zufolge nur neuen Rechtsstreit provozieren. Zugleich verspricht sie, das Problem im Blick zu behalten und nach der Entscheidung des Gemeinsamen Senats entsprechend zu reagieren. Bis ins Bundesgesundheitsministerium selbst scheint der Vorschlag allerdings nicht durchgedrungen zu sein. Dort sei ein solches Gutachten unbekannt, hieß es auf Nachfrage der DAZ.
AK NR: "Politisch unklug"
AKNR-Präsident Engelen zeigte sich über den Mattenklotz-Vorstoß höchst überrascht – und sehr verärgert. Apotheker wie Politik wollten an einer Festpreisverordnung festhalten, die jedem Menschen gleichberechtigt Zugang zur Arzneimittelversorgung ermöglicht, betonte er gegenüber der DAZ. Wenn man nun Einkaufsvorteile nach dem dargestellten Vorschlag legalisieren und den Kassen transparent machen will, habe dies "logischerweise eine Höchstpreisverordnung zur Folge". Das laufe jedoch den Gedanken des gleichberechtigten Zugangs zur medizinischen Leistung für alle Bürger zuwider. "Ich glaube, damit würde man viel soziale Spannung in eine Diskussion um Arm und Reich produzieren", so Engelen. "Das halte ich für politisch absolut unklug". Der Kammerpräsident verwies zudem auf die existierenden Möglichkeiten für Selektivverträge: Kommen diese mit einer Höchstpreisverordnung zusammen, "haben wir maximalen Druck und Wettbewerb rund um das Arzneimittel – und das nicht nur um Wirksamkeit oder Qualität, sondern nur noch um den Preis". Engelen fürchtet, dass Kooperationen und Versandhändler schnell auf die Rabattschiene aufspringen. In der Folge hätten die Krankenkassen ein gesteigertes Interesse, ihren Versicherten zu empfehlen, ihre Medikamente über eine bestimmte (Versand-) Apotheken zu beziehen als über die Apotheke um die Ecke. "Das kann es nicht sein", so Engelen gegenüber der DAZ. "Das konterkariert all das, wofür wir und der Gesetzgeber bislang eingetreten sind". Anders als Mattenklotz bezweifelt Kammerpräsident Engelen, dass hier das Zuweisungsverbot wirksam greifen würde. Schließlich gebe es jetzt schon Schreiben von Krankenkassen, die ihren Versicherten bestimmte Apotheken nahe legen. Das habe nicht zwingend etwas mit "Lenkung", wohl aber mit "emotionalem Druck" zu tun. Überdies seien die Einkaufsvorteile der Apotheker – ausdrücklich spricht Engelen nicht von "Rabatten" – vom Gesetzgeber bereits im Apothekenhonorar eingerechnet. Diese könnten Apotheker gar nicht weitergeben, da sie diesen Ertrag wirtschaftlich brauchen, um zur Erhaltung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung beitragen zu können. Nicht zuletzt deshalb sei die gesamte nun wieder losgetretene Rabattdiskussion eine "Beschädigung des Berufsstandes und der gesamten politischen Arbeit, die wir in den letzten Jahren geleistet haben".
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