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Praxis
Probiotika und Desinfizienzien bei Fehlgeburtsrisiko?
Obwohl Infektionen in der Schwangerschaft generell eine bekanntermaßen häufige Ursache für Spätaborte und Frühgeburten sind, ist die Tatsache, dass die Patientin bereits vier Fehlgeburten hatte, die offensichtlich jeweils durch bakterielle Infektionen verursacht wurden, seit 1,5 Jahren fast durchgängig Antibiotika erhalten hat und nun bereits wieder mit Cefuroxim behandelt werden muss, ohne Zweifel ein besonders komplizierter Fall. Bezüglich der Wahl des Antibiotikums gehen wir davon aus, dass dies auf der Basis eines Antibiogramms erfolgte.
Generell würde man bei Patienten mit einer Antibiotikatherapie statt Symbiolact® A eher das Kombinationspräparat Symbiolact® comp empfehlen, das neben Lactobazillen zusätzlich Bifidobakterien enthält. Im speziellen Fall nimmt die Patientin jedoch mit Orthomol Natal bereits ein Präparat ein, das Probiotika enthält (verschiedene Lactobazillenstämme und Bifidobacterium bifidum), so dass wahrscheinlich kein zusätzlicher Nutzen durch die Gabe eines weiteren probiotischen Arzneimittels erreicht werden kann.
Lokales Desinfiziens sinnvoll
Die Gabe eines lokalen Desinfiziens (hier Vagi-Hex®) ist im vorliegenden Fall ebenfalls sinnvoll. Allerdings ist bei der Wahl des Präparates zu beachten, dass eine ganze Reihe Bakterien nur mäßig empfindlich bzw. resistent gegenüber Hexetidin sind. So sind z. B. auch Klebsiellen gegenüber Hexetidin resistent und werden durch Vagi-Hex® daher nicht abgetötet. Eine Alternative mit deutlich breiterem Wirkspektrum wäre hier das Octenisept® Vaginaltherapeutikum, das auch ab dem 4. Schwangerschaftsmonat eingesetzt werden kann. Octenisept® Vaginaltherapeutikum sollte am ersten Behandlungstag zweimal, an den folgenden Tagen jeweils einmal täglich mit jeweils 10 Hüben angewendet werden. Falls keine Überempfindlichkeit gegenüber Octenidin oder andere Kontraindikationen vorliegen, könnte mit Octenidin aus unserer Sicht eine bessere lokale Desinfektion erzielt werden. Für die Therapie mit Octenisept® Vaginaltherapeutikum wird zur Vorbeugung erneuter Infektionen eine Mitbehandlung des Partners empfohlen.
Zur Vermeidung von Frühgeburten bei Frauen mit nachgewiesenen systemischen Infektionen wird neben der erforderlichen Antibiotikatherapie als ergänzende Maßnahme eine lokale Scheidenansäuerungstherapie empfohlen. Bekanntermaßen ist das durch H2 O2 -produzierende Lactobazillen saure Scheidenmilieu ein wichtiger Faktor der lokalen Keimabwehr. Risikofaktoren für die Verschlechterung dieser natürlichen Barriere sind neben den hormonellen Veränderungen im Verlauf der Schwangerschaft auch die bereits sehr lange erfolgte Antibiotikatherapie. Deshalb ist die Gabe von Vagiflor® zur Regeneration der natürlichen, schützenden Vaginalflora generell ein wichtiger Ansatz.
Milchsäurekur während Antibiotikagabe
Allerdings ist davon auszugehen, dass durch die laufende Antibiotika-Gabe auch die Wirkung von Vagiflor® beeinträchtigt wird. Daher werden Lactobazillen-Präparate wie Vagiflor® oft auch erst als "Nachkur" empfohlen. Da man in der insgesamt sehr schwierigen Situation auf die Vagiflor® -Gabe sicher nicht verzichten möchte, allerdings mit einer verminderten Wirksamkeit während der Antibiotika-Therapie gerechnet werden muss, könnte eine zusätzliche lokale azidifizierende Therapie (z. B. mit Kadefungin® Milchsäurekur) sinnvoll sein, wenn ein erhöhter Scheiden-pH (pH >/= 4,4) vorliegt. Wahrscheinlich wird von der Kundin bereits regelmäßig der Scheiden-pH gemessen (z. B. mithilfe von CarePlanV-pH), der ein wichtiger Indikator für die "Intaktheit" der natürlichen Schutzfunktion der Vaginalflora ist.
Infektionen auch bei normalem pH-Wert
Für die Beratung in der Apotheke ist es aber generell auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass trotz normalem Scheiden-pH eine Infektion mit bestimmten Keimen (z. B. Streptokokken oder Candida) möglich sein kann. Unabhängig davon ist die Aufrechterhaltung bzw. der Aufbau einer möglichst gesunden Vaginalflora ein sehr wichtiger Infektionsschutz und die Messung des Scheiden-pH hat sich als guter Indikator für die "Überwachung" dieser physiologischen Infektionsbarriere erwiesen.
Impfung gegen abnorme Lactobazillen?
Inzwischen weiß man, dass nicht nur das Vorhandensein von Lactobazillen an sich, sondern auch die Art des Lactobazillen-Stammes eine wichtige Rolle für die Infektionsabwehr spielt. Frauen mit Lactobazillen-Stämmen, die H2 O2 produzieren, scheinen dabei generell ein geringeres Risiko für bakterielle Vaginosen zu haben. Vor diesem Hintergrund kann bei rezidivierenden Infektionen auch eine Impfung mit z. B. Gynatren® erwogen werden. Der Impfstoff richtet sich gegen abnorme Lactobazillenstämme und soll zu einer Erholung der physiologischen Vaginalflora beitragen. Eventuell wurde eine solche Impfung bei der Kundin bereits erwogen oder sogar durchgeführt. Generell sollte die Impfung aufgrund der sehr begrenzten Erfahrungen jedoch nicht in der Schwangerschaft erfolgen. Darüber hinaus muss auch in Betracht gezogen werden, dass die Impfung in der Regel nicht von der Krankenkasse bezahlt wird, die Grundimmunisierung bereits 6 Wochen dauert und nicht alle Frauen von einer solchen Impfung profitieren.
Prophylaktischer Zervixverschluss?
Eine weitere, allerdings ebenfalls nur prophylaktisch und in der konkreten Situation deshalb wahrscheinlich nicht mehr anwendbare Methode, ist der operative Verschluss des Muttermundes, der zwischen der 12. und 16. Schwangerschaftswoche erfolgen sollte. Diese Maßnahme wird Risikopatientinnen empfohlen, um ein Aufsteigen von Keimen aus dem Vaginalbereich zu vermeiden.
Wichtige Hygienemaßnahmen
Obwohl vermutlich schon alle allgemeinen Maßnahmen zur Minimierung des Infektionsrisikos bekannt sind, sollen sie an dieser Stelle trotzdem auch noch einmal aufgeführt werden: Slips aus Baumwolle sollten gegenüber synthetischen Materialien bevorzugt und bei 60 °C gewaschen werden, um Keime abzutöten. Die Scheide sollte entweder nur mit Wasser (am besten mit der Hand und/oder einer Handbrause, ggf. auch mit Einmalwaschlappen) oder nur mit speziell für den Intimbereich geeigneten Waschlotionen gereinigt werden (z. B. Multigyn® FemiWash o. a.). "Infektionsquellen" wie Schwimmbad oder Sauna sollten in diesem Fall möglichst gemieden werden. Eine generelle antibiotische Mitbehandlung des Partners wird in aktuellen Leitlinien derzeit nicht empfohlen. Bei entsprechender Indikation kann dies im Einzelfall natürlich trotzdem sinnvoll sein.
Neben der Optimierung der pharmazeutischen Möglichkeiten ist in diesem Fall zur Aufrechterhaltung der Schwangerschaft natürlich in ganz besonderem Maße auch eine sehr intensive psychische Betreuung erforderlich.
Die Antwort kurz gefasst
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Literatur/InternetrechercheMed. Wiss.-Abteilungen der Firmen Schülke & Mayr GmbH, Symbiopharm, Drossapharm, Orthomol GmbH, Chiesi GmbHFachinformationen, BPI-Servicewww.saling-institut.de/index.htm (Erich Saling-Institut für Perinatale Medizin)www.kinderwunsch-uni-muenchen.de/fehlgeburten-ursachen-finden.htmlwww.dggg.de (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe) "Bakterielle Vaginose in Gynäkologie und Geburtshilfe" (Stand August 2010)
Autorin
Apothekerin Dr. Ulrike Friedrich, Schwarzwald-Baar-Klinikum Villingen Schwenningen GmbH, Vöhrenbacher Str. 23, 78050 Villingen-Schwenningen
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