DAZ aktuell

Noch immer Qualitätsdefizite bei Rezepturen und Beratung

BERLIN (ks). Die Berliner Überwachungsbehörde für Apotheken – das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin (LAGeSo) – hat im vergangenen Jahr verstärkt Apotheken unter die Lupe genommen. Es wurden 126 Sonderkontrollen durchgeführt, bei denen die Qualität von Rezepturen begutachtet wurde. Außerdem wurde in einer Sonderaktion die Beratungskompetenz geprüft – den Anstoß hierzu gab die Apothekerkammer Berlin.
Foto: ABDA
Verbesserungsbedarf Bei 85 Prozent der von ihr untersuchten Rezepturen hat die Berliner Überwachungsbehörde für Apotheken Qualitätsmängel festgestellt.

Das Fazit der Behörde zu den Ergebnissen der Sonderkontrollen fiel mäßig aus: "Die Qualität der Arzneimittelherstellung und Beratung ist unter dem Aspekt des gesundheitlichen Verbraucherschutzes verbesserungsbedürftig", so die Behörde. Insbesondere seien die Apotheken gefordert, ein nachhaltiges Qualitätssicherungssystem zu implementieren. Diesen Punkt wird auch die anstehende Novelle der Apothekenbetriebsordnung aufgreifen: Hier sollen nach den bislang vorliegenden Eckpunkten für die Herstellung von Rezepturen und parenteralen Arzneimitteln QMS-Standards vorgeschrieben werden.

Zentralapotheken für Rezepturen?

Bereits 2009 hatte das LAGeSo Stichprobenprüfungen zur Rezepturherstellung durchgeführt und kam dabei zu einem ernüchternden Ergebnis. Daher entschied man sich, die Kontrollen 2010 fortzuführen: Im März und Juni wurden 78 Proben in 52 der 126 aufgesuchten Apotheken gezogen; vorrangig handelte es sich um Salben und Cremes. Für 38 Apotheken zogen die Ergebnisse Bußgeldverfahren nach sich, weitere wurden zu umfangreichen Stellungnahmen aufgefordert. Denn die Hälfte der Proben wies Qualitätsmängel auf – etwa einen erhöhten oder verminderten Wirkstoffgehalt, eine inhomogene Verteilung des Wirkstoffs oder Verunreinigung mit anderem Wirkstoff. 85 Prozent der Proben hatten Kennzeichnungsmängel (fehlende/unzureichende Angabe der Art der Anwendung, fehlendes Verfalldatum). Als mögliche Ursachen dieser Qualitätsmängel vermutet das LAGeSo einen nicht sachgemäßen Umgang mit Waagen und Probleme mit automatischen Rührsystemen. Auch sei die Haltbarkeit teilweise zu lang angegeben worden, mit der Folge, dass der Wirkstoffgehalt abgebaut werde. Als mögliche Konsequenzen aus diesen Tests zieht die Behörde eine "Konzentrierung der Herstellung von Arzneimitteln auf ausgewählte Apotheken" in Betracht.

Fünf Fragen für die Überprüfung der Beratung

In einem weiteren, gemeinsam mit der Apothekerkammer Berlin und ehrenamtlichen Pharmazieräten durchgeführten Projekt wurde die fachliche Kompetenz zur Einhaltung der Informations- und Beratungsqualität geprüft. Der Anstoß hierzu kam von der Kammer selbst – als Reaktion auf die von der Stiftung Warentest durchgeführten Beratungstests, in denen Berliner Apotheken sich nicht von ihrer besten Seite gezeigt hatten (siehe AZ 2008, Nr. 27). Da die Kammer nicht die Durchgriffs- und Überwachungsmöglichkeiten des LAGeSO hat, tat man sich mit der Behörde zusammen. Für das Projekt wurden 50 Apotheken nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Sie erhielten von Pharmazieräten – die sich als solche auswiesen – fünf von der LAGeSo formulierte Fachfragen unterschiedlicher Schwierigkeitsstufen gestellt. Um sie zu beantworten, durften Hilfsmittel wie EDV-Programme und Literatur zurate gezogen werden, zulässig war auch die Beratung mit Kolleginnen und Kollegen. Ein reales Kundengespräch sollte so nachgestellt werden. Die Auswertung der Antworten folgte nach einem Punktesystem – maximal waren 13 Punkte zu erreichen. Doch die maximale Punktzahl wurde von keiner Apotheke erreicht. Durchschnittlich kamen die Apotheken auf knapp 60 Prozent der Maximalpunktzahl. Die Spannbreite lag zwischen vier und elf Punkten.

Defizite wegen veralteter Literatur?

Aus Sicht des LAGeSo sind dies selbstverständlich keine zufriedenstellenden Ergebnisse. Ursächlich könnte aus Sicht der Behörde veraltete Literatur gewesen sein. Auch sei es möglich, dass Module von wissenschaftlichen Datenbanken nicht genutzt und Rechtsvorschriften nicht ausreichend bekannt waren bzw. nicht angewendet wurden. Das Personal sei offenbar nicht ausreichend geschult bzw. fortgebildet, so das Amt. Es setzt nun auf eine verbesserte Fortbildung durch die Apothekerkammer. Geplant ist zudem, Beratungsaspekte bei den Überprüfungen der Apotheken künftig verstärkt mit einzubeziehen. Zudem rät die Behörde zu einer Aktualisierung wissenschaftlicher Hilfsmittel und Datenbanken – dies sollte auch kontrolliert werden.

Wie aussagekräftig sind die Punktbewertungen?

Kammerpräsident Dr. Christian Belgardt steht trotz der nicht allzu positiven Benotung zu den Tests. Er erklärte gegenüber der DAZ, dass das Feedback aus den kontrollierten Apotheken in der Regel positiv gewesen sei. Eine solche Überprüfung sei richtig, so Belgardt. Er hätte es allerdings lieber gesehen, wenn die Punktbewertung differenzierter erfolgt wäre. Die Vergabe erfolgte danach, ob die Antworten aus den Apotheken den vom LAGeSo vorformulierten Antworten entsprachen – für jede Übereinstimmung gab es einen Punkt. Doch schon eine der fünf Fragen habe nicht aus dem typischen Apothekenalltag gestammt, so der Berliner Kammerpräsident. Wer hier bei einem nicht verkehrsfähigen Arzneimittel nicht im Bilde war, musste bereits einen spürbaren Punktabzug hinnehmen.

Berliner Kammer sucht die Qualitätssicherung

Was die Rezepturen betrifft, so ist auch Belgardt klar, dass an dieser Stelle weitergearbeitet werden muss. Die Kammer biete den Apotheken zwar bereits Handlungsanweisungen für die Rezeptur, es gebe Seminare und Fortbildungen – dennoch sei der Qualitätssicherungsgedanke noch nicht in jeder Apotheke angekommen. Eine Absage erteilte Belgardt der Idee des LAGeSo Rezepturen nur noch zentral von einzelnen Apotheken fertigen zu lassen. Er ist überzeugt, dass jede Apotheke eine Rezeptur herstellen kann – sofern sie vernünftig arbeitet. Er glaubt auch nicht, dass Apotheken angesichts der mäßigen Honorierung von Rezepturen gewillt sind, diese in großem Maße zu übernehmen. Zudem könnten in derartigen Zentralapotheken ebenfalls Fehler unterlaufen. Insgesamt begrüßt der Berliner Kammerpräsident, dass die Kontrollen auch in Zukunft stattfinden sollen: "Jede Risikoindustrie muss kontrolliert werden."

Nach dem Jahresbericht 2010 des LAGeSo, der letzte Woche in Berlin vorgestellt wurde, gab es im Jahr 2010 insgesamt 889 Apotheken in der Hauptstadt. 2009 waren es noch 892;
17 Schließungen standen 14 Neueröffnungen gegenüber. Neben den genannten Sonderkontrollen wurden 188 Berliner Apotheken im letzten Jahr von Pharmazieräten überprüft – im Vorjahr waren es 237. Für elf Apotheken zogen diese Routinekontrollen Bußgeldbescheide nach sich.



DAZ 2011, Nr. 26, S. 19

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