Arzneimittel und Therapie

Therapieziel: dauerhafte Virussuppression

Die chronische Hepatitis B wird vorrangig mit Nukleosid- bzw. Nukleotidanaloga behandelt. Für den jüngsten Vertreter, das Tenofivir, wurden auf dem diesjährigen Kongress der European Association for the Study of the Liver (EASL) in Berlin die Vier-Jahres-Daten präsentiert. Sie belegen eine anhaltende Virussuppression und, was mindestens so wichtig ist, das Risiko einer Resistenz geht zumindest bislang gegen Null.

Seit geraumer Zeit schützt die Impfung gegen Hepatitis B in Deutschland die Jüngsten vor einer Infektion. Entwarnung kann dennoch nicht gegeben werden. Immerhin leben hierzulande 0,5 Millionen Menschen mit einer chronischen Hepatitis-B-Infektion. Die Zahl der jährlichen Neuinfektionen liegt bei 50.000. Sie haben ein erhöhtes Risiko an den Folgen einer dekompensierten Leberzirrhose oder eines hepatozellulären Karzinoms (HCC) zu sterben. Etwa 30 Prozent der Patienten mit einer Leberzirrhose und 53 Prozent mit einem hepatozellulären Karzinom sind HBV-infiziert. Ein hepatozelluläres Karzinom muss dabei nicht zwingend mit einer Zirrhose assoziiert sein, sondern kann unabhängig davon entstehen. Ziel der Therapie einer chronischen Hepatitis B ist es deshalb laut Prof. Dr. Thomas Berg, Leipzig, das Fortschreiten zu Fibrose, Zirrhose, dekompensierter Lebererkrankung oder HCC zu verhindern und so den Patienten eine bessere Lebensqualität und ein langfristiges Überleben zu ermöglichen. Histologisch wird eine Regression der Fibrose angestrebt. Um diese Vorgaben zu erreichen forderte Berg "eine dauerhafte Suppression der HBV-DNA unter die Nachweisgrenze und bei HBeAg-positiven Patienten eine dauerhafte HBeAg-Serokonversion sowie, im Idealfall, einen HBsAg-Verlust. "Ein HBsAg-Verlust kann ein Hinweis darauf sein, dass die HBV-Infektion komplett abgeklungen ist und eröffnet die Chance auf ein Ende der Therapie", erläuterte Berg. Dennoch muss der Patient danach konsequent überwacht werden, da ein gering erhöhtes Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom auch unter diesen günstigen Rahmenbedingungen bestehen bleibt.

Vier-Jahres-Daten: anhaltende Virussuppression

In der Therapie der chronischen Hepatitis B werden inzwischen vorrangig Nukleosid- und Nukleotid-Reverse-Transkriptase-Hemmer eingesetzt. Die Ära begann mit Lamivudin, das 1999 auf den Markt kam, und endete, vorläufig, mit Tenofovir (Viread®), das schon seit zehn Jahren in der HIV-Therapie etabliert ist und seit 2008 für die Behandlung der chronischen Hepatitis B ebenfalls eingesetzt werden kann. Und das sehr erfolgreich: So lässt sich bei 74% der HBeAg-positiven nicht vorbehandelten Patienten ein virologisches Ansprechen (HBV-DNA < 400 Kopien/ml) erreichen. Bei nicht vorbehandelten Patienten mit HBeAg-negativer chronischer Hepatitis, der in Europa vorherrschenden Form, liegt die Ansprechrate bei 91%. Diese Virussuppression lässt sich dauerhaft erreichen. So zeigten 84% der HBeAg-negativen und 68% der HBeAg-positiven Patienten auch noch nach vier Behandlungsjahren ein virologisches Ansprechen. Bei 41% der HBeAg-positiven Patienten wurde zudem ein HBeAg-Verlust beobachtet, bei 10,8% ein HBsAg-Verlust, wie Berg besonders betonte.


Nukleosid- und Nukleotid-Reverse-Transkriptase-Hemmer


Tenofovirdisoproxilfumarat ist ein wasserlösliches Ester-Prodrug und wird in vivo rasch in Tenofovir und Formaldehyd umgewandelt. Das Nukleosidmonophosphat-(Nukleotid)-Analogon Tenofovir wird dann durch konstitutiv exprimierte zelluläre Enzyme über zwei Phosphorylierungsreaktionen in den aktiven Metaboliten Tenofovirdiphosphat, ein obligatorisch den Kettenabbruch induzierendes Molekül umgewandelt. Tenofovirdiphosphat inhibiert die HIV-Reverse Transkriptase und die HBV-Polymerase durch direkte Bindungskonkurrenz mit dem natürlichen Desoxyribonukleotid-Substrat und – nach Einbau in die DNA – durch DNA-Kettenabbruch.

Tenofovir ist angezeigt

  • in Kombination mit anderen antiretroviralen Arzneimitteln zur Behandlung HIV-1-infizierter Erwachsener über 18 Jahren.

  • für die Behandlung chronischer Hepatitis B bei Erwachsenen mit kompensierter Lebererkrankung mit nachgewiesener aktiver viraler Replikation, dauerhaft erhöhten Alaninaminotransferase-(ALT-)Werten im Serum und histologischem Nachweis einer aktiven Entzündung und/oder Fibrose.

Resistenzrate gegen Null

Generell problematisch in der Therapie mit Nukleos(t)idanaloga ist die Resistenzbildung. So zeigen verschiedene Studien Resistenzraten unter Lamivudin von 80% nach fünf Jahren, unter Adefovir 29%. Dagegen wurden für Tenofovir innerhalb der bisherigen Beobachtungszeit "keine einzige Resistenzmutation nachgewiesen werden", so Berg, und zwar unabhängig von Patientenpopulation und Vorbehandlung. Grundlage für diese Einschätzung ist ein Resistenzmonitoring, das in den Zulassungsstudien von Tenofovir verankert ist.


Quelle

Prof. Dr. Thomas Berg, Leipzig: "Therapie der chronischen Hepatitis B: Kongress-News und aktuelle Daten zu Viread® , Berlin, 3. April 2011, veranstaltet von der Gilead Sciences GmbH, Martinsried/München.


Apothekerin Dr. Beate Fessler



DAZ 2011, Nr. 23, S. 36

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