Sonnenschutz

Sonnenschutz und Vitamin D: gesundes Maß finden

Balance zwischen adäquater Vitamin-DVersorgung und Hautkrebs-Risiko

Von Claudia Bruhn

Vitamin D ist kein Vitamin im eigentlichen Sinne, da es in der Haut produziert werden kann. Voraussetzung für diese – auch als "Photosynthese der Haut" bezeichnete – Reaktion ist eine ausreichende Sonnenbestrahlung. Sonnenschutzmittel stehen unter dem Verdacht, die Vitamin-D-Bildung in der Haut zu behindern oder sogar komplett zu blockieren. Aktuelle Empfehlungen plädieren für einen maßvollen Aufenthalt in der Sonne.

Ausgangspunkt für die Vitamin-D-Bildung in der Haut ist 7-Dehydrocholesterol. Unter dem Einfluss von UV-B-Strahlung (290 bis 320 nm) entstehen daraus Cholecalciferol sowie Sekundärmetaboliten (Lumisterol, Tachysterol). Diese besitzen keine Vitamin-D-Wirkungen, sodass eine "Überproduktion" von Vitamin D in der Haut nicht möglich ist. In der Haut gebildetes sowie mit der Nahrung aufgenommenes Cholecalciferol gelangt, ebenso wie das aus pflanzlicher Nahrung stammende Ergocalciferol, auf dem Blutweg in die Leber. Dort erfolgt unter enzymatischem Einfluss (Vitamin-D-25-Hydroxylase, CYP2R1) die Hydroxylierung zu 25-Hydroxy-Cholecalciferol (Calcidiol, 25(OH)2D3), der hauptsächlichen Vitamin-D-Speicherform. In der Niere wird Calcidiol durch das Enzym Vitamin-D-1α-Hydroxylase (CYP27B1) zur eigentlichen biologisch aktiven Form, dem Calcitriol (1,25-Dihydroxy-Cholecalciferol, 1,25(OH)2D3) aktiviert. Da die Vitamin-D-1α-Hydroxlase auch extrarenal, z. B. in Geweben von Prostata, Darm und in Immunzellen, exprimiert wird, kann auch dort eine Umwandlung von Calcidiol in Calcitriol erfolgen. Der Abbau von Calcidiol und Calcitriol erfolgt durch Hydroxylierung in Position 24 des Moleküls, vermittelt durch eine 24-Hydroxylase (CYP24A1).

Wie viel Sonne ist notwendig?

Experten gehen davon aus, dass bei hellhäutigen Menschen eine dreimal wöchentliche Ganzkörperbestrahlung über 20 Minuten ausreicht, um eine adäquate Vitamin-D-Versorgung zu erzielen. Bei Dunkelhäutigen sollte diese Zeit für einen vergleichbaren Effekt etwa sechsmal so lang sein. In Deutschland besteht jedoch aufgrund der geografischen Lage die Situation, dass im Winterhalbjahr die UV-B-Strahlung, die die Erdoberfläche erreicht, zu gering ist. Untersuchungen haben ergeben, dass die Vitamin-D-Spiegel als Folge davon erheblich saisonalen Schwankungen unterliegen.

Beispielsweise wurde in Deutschland im Rahmen einer repräsentativen Studie des Max-Rubner-Instituts in Karlsruhe mit rund 4000 Personen zwischen 2005 und 2008 bei 57% der untersuchten Männer und 58% der Frauen ein Vitamin-D-Mangel (das heißt ein Calcidiol-Wert unter 20 ng/ml) festgestellt. Im Winterhalbjahr stieg der Prozentsatz bei den Frauen auf 61% und bei den Männern auf 68% an. In einer weiteren Untersuchung mit mehr als 10.000 Kindern und Jugendlichen (1 bis 17 Jahre) fand man im Jahresdurchschnitt bei 62% der Jungen und 64% der Mädchen Calcidiol-Werte unter 20 ng/ml, im Winterhalbjahr jedoch bei 80% der Jungen und 79% der Mädchen.

Auch international wird das Problem des saisonal bedingten Vitamin-D-Mangels intensiv diskutiert. Nach Angaben des bekannten amerikanischen Vitamin-D-Forschers Prof. Michael F. Holick vom University Medical Center in Boston (USA) ist ein 15- bis 20-minütiger Aufenthalt in Badebekleidung am Cape Cod, einer Halbinsel im Südosten von Massachusetts im Juni oder Juli, einer oralen Dosis von 20.000 IU äquivalent. Um bei fehlender Sonnenexposition ausreichende Calcidiol-Spiegel im Serum (bei einem Grenzwert > 30 ng/ml) zu erzielen, müssten seiner Ansicht nach Kinder 1000 IU und Jugendliche und Erwachsene 2000 IU Cholecalciferol pro Tag einnehmen.

Sonnencreme versus Vitamin-D-Bildung

Die Frage, ob durch Anwendung von Sonnencreme die Vitamin-D-Bildung in der Haut beeinträchtigt werden kann, wird kontrovers diskutiert. Es existieren Untersuchungen, die eine starke Reduktion der Vitamin-D-Bildung in der Haut unter Anwendung von Sonnencremes mit hohem Lichtschutzfaktor belegen. Andererseits gibt es Studien in denen gezeigt werden konnte, dass eine regelmäßige Anwendung von Sonnenschutzmitteln die Vitamin-D-Spiegel nicht signifikant beeinträchtigte.

Britische Fachgesellschaften räumten im vergangenen Jahr ein, dass die bisherige Empfehlung, zum Schutz vor Hautkrebs eine Sonnenexposition möglichst zu vermeiden, zu streng und für die Vitamin-D-Bildung wahrscheinlich eher kontraproduktiv waren. Vertreter z. B. der britischen National Osteoporosis Society und der British Association of Dermatologists empfehlen jetzt einen Aufenthalt von 10 bis 15 Minuten mehrmals pro Woche in der Mittagssonne – ohne Sonnenschutzmittel. Dies sei eine sichere Balance zwischen einer adäquaten Vitamin-D-Versorgung und dem Hautkrebs-Risiko.

Antioxidanzien und Sonnenschutz:
Vitamin D als Bestandteil der "2. Verteidigungslinie"


In Sonnenschutzmitteln wirken zwei Prinzipien: die sogenannte erste Verteidigungslinie, das heißt UV-Filter und/oder Pigmente (Nanopartikel) und die zweite Verteidigungslinie in Form von Antioxidanzien. Früher dienten Antioxidanzien in Sonnenschutzmitteln dazu, die UV-Filter chemisch zu stabilisieren. Später hat man erkannt, dass sie eine wichtige Rolle beim Schutz vor Radikalen spielen, die durch den sichtbaren Teil des Lichtspektrums entstehen. Denn seit es möglich ist, das Radikalbildungsspektrum messtechnisch zu erfassen, weiß man, dass eine Radikalbildung nicht nur durch UV-A- und UV-B-Strahlung induziert wird. Etwa 50 Prozent aller in der Haut gebildeten Radikale entstehen durch Licht des sichtbaren Bereichs. Zu den Antioxidanzien, die in Sonnenschutzmitteln enthalten sind, zählen Carotinoide (Betacarotin, Lycopin, Lutein) sowie die Vitamine A, D und E.


Quelle: Referat Prof. Dr. Jürgen Lademann, Berlin, Vitamin D-Update 2011.

Fazit: das richtige Maß finden

Für die Beratung in der Apotheke sind Sonnenschutzmittel mit hohem Lichtschutzfaktor zum Schutz vor Hautkrebs- und -alterung also nach wie vor ein Thema. Für die Vitamin-D-Bildung reicht in den Sommermonaten eine kurzfristige Sonnenexposition aus, wie sie beispielsweise gegeben ist, wenn der Weg zur Arbeit, Einkäufe, Arztbesuche oder andere Erledigungen zu Fuß oder mit dem Rad absolviert werden. In den Wintermonaten, wenn die UV-B-Strahlung für eine ausreichende Vitamin-D-Produktion in der Haut nicht ausreicht, können gegebenenfalls Supplemente empfohlen werden. Denn nach Ansicht von Experten ist eine Versorgung über die Ernährung nicht ausreichend möglich, da nur wenige Nahrungsmittel (z. B. Lebertran, Fisch wie Lachs, Hering, Sardine, Leber, Milch, Ei) Vitamin D enthalten.


Quelle

"Vitamin D Update 2011", Berlin, 9. April 2011, veranstaltet vom Institut für medizinische Information und Prävention, Schlangenbad.

www.vitamindhealth.org

Dreaper J: New guidance on vitamin D recommends midday sunshine, BBC News Health, 16. Dezember 2010.


Apothekerin Dr. Claudia Bruhn



DAZ 2011, Nr. 22, S. 40

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