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- DAZ 22/2011
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Aus der Hochschule
Flügel für die Seele
Durch das Symposium führte Prof. Clemens Zintzen, der in seiner Begrüßung die besonderen Verdienste Prof. Mutschlers auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Akademie hervorhob. Sich wie in diesem Symposium Perspektiven zu widmen, die von Medizin und Pharmazie über Astrophysik bis in die Theologie reichen, spiegele den geistigen Horizont des Jubilars wider. Erkenntnis, so dessen Credo, sei sowohl durch rationales Denken, also die Wissenschaft, als auch emotionales Fühlen, wie in der Kunst, zu erreichen. Dabei andere Menschen teilhaben zu lassen, durch ein Symposium für die wertvollen Begegnungen im Laufe des Lebens zu danken, zeichne Prof. Mutschler aus. Die Förderung der Wissenschaft für die Gesellschaft, die Forderung an die Akademie, sich nicht als eine Abhandlungsfabrik zu verstehen, sein Engagement für Studenten – schließlich seien Professoren für die Studenten da und nicht die Studenten für die Professoren – all dies habe dazu beigetragen, dass Prof. Mutschler, wie er es selber zum Ausdruck gebracht hat, in seinem Beruf glücklich und zufrieden geworden ist. Er verkörpert den württembergischen Humanismus und stellt so ein Vorbild für die Mitglieder der Akademie und die Gesellschaft dar.
Auch in den von Prof. Claudius Geisler als Grußwort dargebrachten Glückwünschen der Akademie wurde Prof. Mutschlers Eintreten für die grenzüberschreitende Gemeinschaft Lehrender und Lernender im Sinne Humboldts thematisiert. Seine zahlreichen Publikationen, insbesondere das Standardwerk "Arzneimittelwirkungen" sei ein großartiges Beispiel für eine hervorragende Symbiose von Forschung, Lehre und literarischer Verarbeitung. Auch gegen die Überbetonung des Fachlichen, sondern für die Reflexion der gesellschaftlichen und sozialpolitischen Folgen des wissenschaftlichen Handelns spreche sich Prof. Mutschler stets aus und gebe dies an seine Studenten und Doktoranden weiter.
Morbus Alzheimer
Den ersten der vier Festvorträge über neue Aspekte der Ursachenforschung und Therapie der Alzheimer-Erkrankung hielt Prof. Dr. Harald Hampel aus Frankfurt. 225 Billiarden Interaktionen sind im Gehirn möglich; sie basieren auf einer komplexen Netzwerkstruktur, die durch die Alzheimer-Erkrankung vor allem im Bereich von Hauptknotenpunkten des Gehirns zerstört wird, und zwar bereits lange vor dem Zeitpunkt der klinischen Manifestation.
Die Nervenzelle lässt sich als soziale Zelle beschreiben – ohne Kontakt mit anderen Zellen stirbt sie ab und genau diese Kontaktpunkte werden durch die Alzheimer-Erkrankung abgebaut. Bereits in dieser Phase müssten zukünftige Arzneimittel ansetzen. Derzeit wird hauptsächlich die Reduktion der Amyloidablagerungen auf den Nervenzellen angestrebt. Es konnten zahlreiche Kofaktoren für eine Alzheimer-Erkrankung ermittelt werden. Dazu gehören unter anderen Störungen des Cholesterin- und Lipidstoffwechsels, Diabetes mellitus, kardiovaskuläre Erkrankungen, Traumen und Risiko-Gene. Die derzeit beste Empfehlung für die Prävention lautet: viel körperliche und kognitive Stimulation und eine herzgesunde Ernährung mit wenig rotem Fleisch und reichlich ungesättigten Fettsäuren.
Individualisierte Krebstherapie
Prof. Dr. Christoph Huber aus Mainz gab einen Einblick in die Entwicklung der individualisierten Tumortherapie. Die Analyse eines Genoms, die Aufklärung der Strategie, wie eine Krebszelle die körpereigenen Abwehrmechanismen ausschaltet, und die gentechnologische Produktion monoklonaler Antikörper gegen Krebszellen sind heute Standard. Obwohl zahlreiche innovative Krebsmedikamente im Markt sind, ist für eine effektivere Tumortherapie eine noch weitergehende Individualisierung erforderlich. Ziel ist es, aufgrund der relevanten Punktmutationen im Genom des jeweiligen Patienten den speziell für ihn passenden Antikörpermix herzustellen und ihm zu verabreichen. Im Gegensatz zu allen bislang üblichen Wirkstoffen, können solche hochspezifischen Präparate jedoch nicht einer regulären Arzneimittelprüfung unterzogen werden. Um diese Therapieoption zu validieren und voranzutreiben sowie auch die zulassungsrechtlichen Bedingungen zu entwickeln, habe man das CI3 – Cluster of Individualized Immune Intervention – mit Beteiligung von Forschung, Herstellung und Politik im Rhein-Main-Gebiet gegründet (www.ci-3.de).
Vom Urknall zum Kosmos
Die Entstehung und Zukunft des Weltalls stellte der Münchner Astrophysiker und Philosoph Prof. Dr. Harald Lesch in einem kurzweiligen Vortrag dar. Der romantische Blick in den abendlichen Sternenhimmel als kosmische Grunderfahrung werfe einige Fragen auf, die sich ganz im Sinne des methodischen Naturalismus und der Kantischen Kausalitätserkenntnis mit den empirischen Methoden der Physik beweisen lassen. Dabei müsse man akzeptieren, dass es eine erste Ursache gibt, die sich nicht klären lasse. Eine solche Erkenntnisgrenze habe Einstein mit der Relativitätstheorie formuliert, und auch Bohr habe mit der Quantenmechanik nichts anderes getan.
Setzt man voraus, dass alle Naturgesetze, die auf der Erde ihre Gültigkeit haben, überall gültig sind, so lässt sich berechnen, dass das Universum vor dem Urknall eine Größe von 10 -35 m³ hatte (zum Vergleich: Ein Elektron ist ca. 10 -18 m³ groß). Dies ist unvorstellbar und dennoch durch alle Forschungsergebnisse der letzten Jahrzehnte belegt.
Lesch prophezeite, das Universum werde sich immer so weiter entwickeln, wie es bislang zu beobachten war.
Mensch und Gott
Anlässlich des 200. Jahrestages der Reformation in Sachsen vertonte Johann Sebastian Bach im Jahr 1739 den Kleinen Katechismus von Martin Luther als "Clavierübung III". Der Theologe Dr. Karl Wurm aus Duderstadt stellte das Werk nicht nur theoretisch vor, sondern spielte die Themen und Variationen sowie die Vertonung der sechs Hauptstücke – Zehn Gebote, Glaubensbekenntnis, Vaterunser, Taufe, Beichte und Abendmahl – auf einer kleinen Orgel. Dabei machte Wurm sich aus theologischer Sicht Gedanken, inwiefern sich ein Paradigmenwechsel im Verhältnis von Gott, Jesus und Mensch vollzieht oder vollziehen sollte. Der natürliche Mensch, so sein Resümee, sei besser als der klassische Theologe ihn sehe.
Unterlegt mit Orgelmusik, bedankte Prof. Mutschler sich mit einem projizierten Text bei seiner Familie, ihm nahestehenden Menschen, Freunden, Kollegen und Wegbegleitern für ihre Unterstützung und Teilnahme.
Ein Dank galt auch der Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft, die pünktlich zu seinem 80. Geburtstag sein Werk "GedankenSplitter II" veröffentlicht hat.
Mit anregenden und herzlichen Gesprächen des Jubilars und seiner Gäste klang das Symposium aus.
Dr. Constanze Schäfer MHA
Literaturtipp
Professor Ernst Mutschler ist als Mediziner und Pharmazeut durch seine zahlreichen Fachpublikationen bekannt. GedankenSplitter ist sein persönlichstes Buch: nachdenkliche Texte zur Pharmazie und Medizin, besinnliche Sprüche und Gedichte, Reflexionen über Freundschaft und Familie, über Sein und Zeit, Ansprachen zu festlichen Anlässen – eingerahmt und begleitet von traumhaft schönen Fotos und Malereien. Ein besonderes Buch – nicht nur für diejenigen, die Professor Mutschler als Hochschullehrer, "Doktorvater" oder Kollegen kennen.
Ernst Mutschler
GedankenSplitter II96 S., 27 Illustrationen, 19,80 Euro
Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2011 ISBN: 978-3-8047-2901-8Dieses Buch können Sie einfach und schnell bestellen unter der Postadresse:
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