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Viel Spielraum für krankenhausversorgende Apotheken

BERLIN (Jan Giersdorf). Sind größere Entfernungen akzeptabel, um ein Krankenhaus persönlich und unverzüglich mit Arzneimitteln zu versorgen? Ja, urteilte letzte Woche das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen. Es hält die Versorgung eines Bremer Krankenhauses durch eine Apotheke mit Sitz in Ahlen, Kreis Warendorf (NRW), für zulässig. Damit widerrief es eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Münster aus dem Jahr 2008.

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Mai 2011, Az.: 13 A 123/09

Die St. Franziskus-Hospital GmbH, die unter anderem eine Krankenhausapotheke mit Sitz in Ahlen betreibt (MedicalOrder pharma), hatte gegen den Landrat des Kreises Warendorf Klage erhoben, nachdem ihr dieser die Genehmigung für einen Versorgungsvertrag mit dem 216 km entfernten St. Josef-Stift in Bremen verweigert hatte. Die unverzügliche Belieferung mit Notfallmedikamenten sowie die persönliche Beratung nach §14 Abs. 5 des ApoG könnten nicht sichergestellt werden, lautete die Begründung der Ablehnung. Die Klägerin argumentierte dagegen, dass unverzüglich nicht "räumlich nah" bedeute und die Notfallversorgung durch ein Notfall-Depot im Krankenhaus sowie eine zwei- bis dreistündige Lieferung bei Bedarf gewährleistet sei. Für die persönliche Beratung komme es nicht auf die Anwesenheit, sondern auf die telefonische oder elektronische Erreichbarkeit des Apothekers an.

Dieser Auffassung der Klägerin hatte das VG Münster in erster Instanz widersprochen (Urteil vom 9. Dezember 2008, Az.: 5 K 169/07): So wie ein Apothekenleiter persönlich seine Apotheke führen müsse, müsse auch der Krankenhausapotheker für die persönliche Beratung vor Ort sein. Das Gericht hatte zur Begründung unter anderem auf die Stellungnahme der Bundesregierung verwiesen, die diese 2008 im Verfahren zur Zulässigkeit der deutschen Regelungen zu Krankenhausapotheken vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) abgegeben hat. Darin hieß es: "Ein persönlicher Kontakt zwischen dem Apotheker und den Arbeitsgruppen des Krankenhauses (…) lasse sich nicht durch fernmündliche, einzelfallbezogene Beratungen ersetzen. Außerdem sei die persönliche Anwesenheit des Apothekers bei Eilbedürftigkeit besonders unverzichtbar" (Urteil des EuGH vom 11. September 2008, Rs.: C-141/07).

Die unterlegene Klägerin legte Berufung gegen das Urteil ein und bekam jetzt Recht. Die schriftlichen Entscheidungsgründe des OVG liegen zwar noch nicht vor, in der Urteilsverkündung machten die Richter aber deutlich, dass sie das Modell der Vertragspartner schlüssig finden. Die Versorgung sei durch die Bevorratung für 14 Tage auf den Stationen, die Belieferung an drei Tagen der Woche sowie das wiederaufzufüllende Depot für Notfälle sichergestellt. Für die persönliche Beratung sei der Apotheker an einem Tag der Woche vor Ort und ansonsten telefonisch oder elektronisch verfügbar. Die körperliche Anwesenheit im Notfall sei nicht erforderlich, so die Richter des OVG. Als Beispiel wurde ein genehmigter Versorgungsvertrag in Bayern über eine Strecke von 370 km aufgeführt – eine Entscheidung, die von Apothekerverbänden aufs Heftigste kritisiert wurde.

Der Vertreter des beklagten Landrates, Helmut Krüßen, berief sich in der mündlichen Verhandlung auf die gemeinsame Leitlinie von BAK, ADKÄ und BVKA, die eine Höchstlieferzeit von einer Stunde vorgibt. Außerdem führte er an, dass das Prinzip der Nähe im §14 enthalten sei. Dies habe der EuGH in seinem Urteil 2008 auch anerkannt. Die Versorgung aus einer Hand sei gesetzlich verankert, betonte Krüßen, und die Trennung von Notfall- und Regelversorgung vom Gesetzgeber nicht erwünscht. Sie werde durch die wachsende Entfernung zwischen Apotheke und Krankenhaus aber immer wahrscheinlicher.

Die Richter bekräftigten dagegen ihre Auffassung, dass der Begriff Nähe dem Gesetzestext nicht eindeutig zu entnehmen sei und die Entfernung zwischen dem Bremer Krankenhaus und der Apotheke aus Ahlen den Forderungen nach §14 ApoG nicht im Weg stehe. Es handelt sich um das erste Urteil eines Oberverwaltungsgerichts zu dieser Thematik. Das OVG hat die Revision beim Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Bevor der beklagte Landrat entscheidet, ob er Rechtsmittel einlegt, wird er die schriftlichen Entscheidungsgründe abwarten.



DAZ 2011, Nr. 21, S. 18

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