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DAZ aktuell
"Es gibt kein Grundrecht auf Rabatte"
DAZ: Wegen der Rabattkürzungen ist das Verhältnis zwischen Apotheken und Großhandel angespannt. Beim Wirtschaftsforum hat DAV-Chef Fritz Becker dem Großhandel erneut vorgeworfen, seine vom Gesetzgeber auferlegten Margenkürzungen voll auf die Apotheken abzuwälzen.
Trümper: Drei Monate nach Inkrafttreten des AMNOG wird intensiv über die Auswirkungen dieses Gesetzes diskutiert. Der Großhandel steht dabei aus der Sicht der Apothekerschaft in der Kritik. Wir Großhändler verstehen sehr gut die schwierige Lage der Apotheken, dass sie immer weniger verdienen, ihre Betriebe kaum noch aufrecht erhalten können. Als engster Partner der Apotheken bekommen wir die Unruhe dort selbstverständlich mit.
DAZ: Sie ziehen sich den Schuh der Kritik also an?
Trümper: Nein. Leider ist – teilweise auch aus Unkenntnis – die Stoßrichtung der Kritik falsch. Nicht der Großhandel trägt die Schuld für die Lage der Apotheken. Und man kann beim Großhandel auch nicht das holen, was den Apotheken fehlt. Anhand der vom DAV vorgelegten Wirtschaftsdaten 2010 ist klar zu erkennen, dass der Großhandel der einzige Player in der Gesundheitsversorgung ist, der in der Zeit zwischen 2003 und 2010 eine negative Wirtschaftsentwicklung verkraften musste. Alle anderen haben – wenn auch moderat – positive Entwicklungen zu verbuchen. Nur im Großhandel ist es negativ gelaufen. Der DAV hat ja selbst eingeräumt, man könne verstehen, was sich seit Jahresbeginn bei den Rabattverhandlungen abspielt.
200 Millionen Euro EinbußenDer pharmazeutische Großhandel hat in den ersten drei Monaten des Jahres 2011 seit Inkrafttreten des AMNOG Einbußen in Höhe vom 67 Millionen Euro hingenommen. Für das Gesamtjahr erwartet der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) eine Margeneinbuße von 200 Millionen Euro. Der Phagro-Vorsitzende Dr. Thomas Trümper weist im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der aktuellen Zahlen Kritik zurück, der pharmazeutische Großhandel würde seinen gesetzlichen Sparbeitrag nicht ausreichend leisten. Trümper: "In Folge der gesetzlichen Sparmaßnahmen ist die Marge der Mitgliedsunternehmen des Phagro in den ersten vier Monaten um 67 Millionen Euro gesunken. Damit wird der vollversorgende pharmazeutische Großhandel auf das Jahr gerechnet ein Einsparvolumen von ca. 200 Millionen Euro leisten und die Zielvorstellung der Politik auf den Punkt erfüllen." |
DAZ: Beim Großhandel ist also nicht mehr zu holen?
Trümper: Wir haben immer öffentlich und auch gegenüber den politisch Verantwortlichen bei der AMNOG-Vorbereitung gesagt, dass der Großhandel schlichtweg nichts mehr abgeben kann. Auch wenn wir verstehen, dass die Apotheken große Sorgen haben. Aber sie argumentieren, dass die im freien Markt zwischen einzelnen Großhandlungen und Apotheken individuell ausgehandelten Bezugskonditionen wegen der Sparmaßnahmen des AMNOG nicht verändert werden dürften. Der Großhandel müsste die ihm zugedachte Margenkürzung durch Rationalisierungen auffangen. Diese Forderung läuft ins Leere, wir sind wirklich der falsche Ansprechpartner.
DAZ: Es gibt also keine Rabatte des Großhandels mehr für Apotheken?
Trümper: Mit dem GMG 2004 wurden die Vergütungen für Apotheken und Großhandel grundlegend neu geordnet. Die Großhandelsmarge wurde von 12,5 auf 6,2 Prozent halbiert, was dem Großhandel in der Marge ca. 900 Mio. Euro entzog. Hintergrund dieser Maßnahme war, dass der Gesetzgeber zeitgleich die Vergütung der Apotheken nach seiner Meinung auskömmlich geregelt hat. Unsere Rabatte wurden damals den Apotheken zugeschlagen. Das wollen heute zwar viele nicht mehr wahrhaben, aber die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hat ausdrücklich mit der Neuordnung festgestellt: "Diese Rabatte wurden bei der Neufestsetzung in die Vergütung für die Apotheken eingerechnet." So heißt es in einem Schriftsatz des Bundesrates. Der Gesetzgeber hatte die Absicht, dass gar keine Rabatte mehr gegeben werden. Es gibt kein Grundrecht der Apotheken auf Rabatte des Großhandels.
DAZ: Das betrifft aber nur Rx-Produkte …
Trümper: So ist es. Zum gleichen Zeitpunkt wurde darüber hinaus die Anwendung der Arzneimittelpreisverordnung für OTC-Produkte aufgehoben. Eine freie Preisbildung bzw. die Möglichkeit von Rabatten in diesem Segment sollte so auf Großhandels- und Apothekenstufe ermöglicht werden. Tatsächlich erwirtschaftet der Großhandel im Rahmen seiner Handelstätigkeit zusätzliche Erträge, die er an die Apotheken weitergeben kann und dies auch tut. Explizit sind dies Skonti in Verbindung mit entsprechenden Zahlungskonditionen, die der Großhandel erhält. Rabatte, Werbekostenzuschüsse und Boni sind aber nur bei nicht taxpflichtigen Artikeln erlaubt.
DAZ: Im OTC-Bereich wird es also weiterhin Rabatte des Großhandels geben. In welcher Höhe?
Trümper: Das hängt von der Möglichkeit des Großhandels ab, solche Erträge zu erwirtschaften. Dabei muss man beachten, dass die Zusatzerträge im Wesentlichen im OTC- und Randsortiment, nicht aber im Rx-Sortiment erwirtschaftet werden. Zusatzerträge stehen auf der Einnahmenseite des Großhandels. Aber auch auf der Kostenseite gab es negative Entwicklungen. Durch steigende Umsätze ist auch das Finanzierungsvolumen für den Großhandel größer geworden und damit nehmen die Finanzierungskosten zu.
DAZ: Normalerweise freuen sich Unternehmen über steigende Umsätze.
Trümper: Das stimmt. Aber lassen Sie mich diese wesentliche Finanzierungsfunktion des pharmazeutischen Großhandels – die selbst den Beteiligten in der Distributionskette kaum bekannt ist – kurz erläutern. Aktuell haben die Warenlager aller Phagro-Mitglieder einen Wert von ca. 1,9 Mrd. Euro. Da die Großhändler ihre Rechnungen sehr schnell begleichen, Apotheken aber bis auf wenige Ausnahmen ihre Warenrechnungen erst im Folgemonat nach Erhalt der Rezeptabrechnungen bezahlen, finanziert der Großhandel zusätzlich die Außenstände, die nach Schätzung bei 2,5 Mrd. Euro liegen dürften. Das Gesamtvolumen von 4,4 Mrd. Euro erfordert Finanzierungsaufwendungen von etwa 180 Mio. Euro. Hingegen haben die Apotheken kontinuierlich ihre Warenlager abgebaut, was sie nur vor dem Hintergrund der Lieferleistung des Großhandels tun konnten, und damit ihre eigenen Finanzierungskosten gesenkt.
Weitere Kostentreiber sind die Energiekosten, sowohl durch höhere Benzin- und Dieselpreise, aber auch durch die überproportionale Zunahme an Kühl- und Kühlkettenpräparaten. Dadurch wächst nicht nur der Energieverbrauch, sondern es steigen auch die Kosten für Kühleinrichtungen in den Lagerhallen und in der Transportkette.
DAZ: Der DAV beklagt Rabattkürzungen des Großhandels, die über die per Gesetz verordnete Margenkürzung hinausgehen. Was sagen Sie dazu?
Trümper: Das mag in Einzelfällen stimmen. Wir haben 21.400 Apotheken in Deutschland und 21.400 individuelle Rabattkonditionen. Die Rabattkürzungen orientieren sich an der Struktur der Apotheken. Bei hohen Rabatten wurde mehr gekürzt als bei Apotheken mit einer engen Rabattstruktur. Neben der Margenkürzung beeinträchtigen auch andere Entwicklungen die Fähigkeit des Großhandels, Rabatte zu gewähren, z. B. die Lager- und Warenwertentwicklung. Das Preismoratorium kostet uns allein 40 bis 50 Millionen Lagerwertgewinne. Die können wir jetzt nicht mehr als Konditionen an die Apotheken weitergeben. Mir ist klar, dass das die Apotheken als übermäßige Kürzung empfinden. Aber wir können nicht anders.
DAZ: Das AMNOG hat Apotheken und Großhandel schwer gebeutelt. Was ist jetzt zu tun, damit sich die Situation wieder verbessert?
Trümper: Unser Fehler in den AMNOG-Verhandlungen war aus meiner Sicht, dass Großhandel und Apotheken zu spät gemeinsam gegenüber der Politik aufgetreten sind. Es sollte uns daher für die Zukunft eine Lehre sein, dass sich Großhandel und Apotheken nicht auseinander dividieren lassen. Wobei jeder für seine Interessen kämpfen wird. Als Pharmagroßhändler können wir nicht für die Lage der Apotheken sprechen und umgekehrt. Das ist klar.
DAZ: Zugespitzt heißt das doch: Der Phagro kümmert sich um den Großhandel und kann an die Apotheken keine Rabatte mehr geben.
Trümper: Grundsätzlich können wir weiter Rabatte geben. Bei OTC- und Freiwahlprodukten sind sie auch notwendig, weil hier die Apotheken mit den Drogeriemärkten im Wettbewerb stehen. Als freie Händler wollen wir auch Rabatte geben. Aber um es auf den Punkt zu bringen: Wenn Apotheken jetzt zu wenig verdienen, dann müssen sie die Politik ansprechen und mit den Krankenkassen verhandeln. Der pharmazeutische Großhandel ist die falsche Adresse.
DAZ: Herr Dr. Trümper, wir danken Ihnen für das Gespräch!
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