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Arzneimittel und Therapie
Erste Erfahrungen mit Asenapin bei Manie
Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt: So würde mancher die typische Symptomatik einer bipolaren Störung (BPS) beschreiben. "Doch so einfach ist es nicht", betonte Prof. Dr. Peter Bräunig, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Vivantes Humboldt-Klinikum in Berlin. Nur 22% der bipolaren Störungen werden überhaupt erkannt, davon werden knapp 90% behandelt. Die übrigen werden gar nicht oder fehldiagnostiziert, am häufigsten als Angststörung oder Major Depression. Besonders problematisch ist die Differenzierung zur unipolaren Depression. Denn die Diagnose BPS steht und fällt mit dem Auftreten der Manie. Eine Hypomanie, wie sie für Bipolar-II-Störungen typisch ist, wird aber häufig nicht als solche interpretiert. Auch die Anfangsdiagnose einer Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung (ADHD) kann sich später als bipolare Störung entpuppen, selten auch eine vermeintliche Borderline-Störung. In der Regel vergehen zehn bis zwanzig Jahre bis zur Diagnosestellung und damit bis zu einer adäquaten Behandlung.
Typisch: ausgeprägte Angstsymptomatik
Bipolare Störungen, deren Lebenszeitprävalenz in der EU bei 2,6 bis 6% liegt, beginnen häufig schon in jungen Jahren. Dabei gilt die "Dreier-Regel": Ein Drittel zeigt schon vor dem 13. Lebensjahr unspezifische Symptome, ein weiteres Drittel bis zum 20. Lebensjahr und das letzte Drittel bis zum 30. Lebensjahr. Dabei gilt: Je früher die Symptome beginnen, umso schlechter ist die Prognose. Typisch ist eine ausgeprägte Angstsymptomatik. "Sie bleibt lebenslang die wichtigste Komorbidität", so Bräunig. Und sie ist ein Treiber für Rezidive. Die Folgen für die Patienten sind weitreichend. Ihre Lebensqualität ist massiv beeinträchtigt. Das mittlere Alter der Frühberentung liegt bei 45 Jahren, die Suizidmortalität ist mit 15% sehr hoch. Wichtig wären deshalb eine frühe Diagnose und eine adäquate Therapie.
"Einzigartiges Rezeptorbindungsprofil"
Mit Asenapin steht ein neues atypisches Neuroleptikum zur Verfügung, das sich laut Prof. Dr. Walter E. Müller, Direktor des pharmakologischen Instituts für Naturwissenschaftler, Frankfurt, durch ein "einzigartiges, extrem breites Rezeptorbindungsprofil" auszeichnet. Die atypischen Eigenschaften der Substanz lassen sich im Wesentlichen auf eine sehr viel stärkere Blockade von 5-HT2a -Rezeptoren im Vergleich zu Dopamin-D2 /D3 -Rezeptoren zurückführen. Strukturchemisch leitet sich Asenapin von Mirtazapin ab. Dabei wurden die Rezeptoreigenschaften von Mirtazapin durch eine hoch potente antagonistische Wirkung an Dopamin-Rezeptoren angereichert, während die Bindungsqualitäten zu nebenwirkungsträchtigen Rezeptoren wie dem Histamin-H1 - und dem Muskarin-M1 -Rezeptor deutlich reduziert wurden, erläuterte Müller. Das Ergebnis ist ein "Multirezeptor-Antagonist", da fast alle wesentlichen Rezeptoren im dopaminergen, serotonergen und noradrenergen Bereich des Gehirns antagonistisch beeinflusst werden. Asenapin zeigt aufgrund seines Rezeptorprofils eine gute Wirksamkeit gegen die Manie, bei gleichzeitig guter Verträglichkeit: So geht etwa der sehr starke Antagonismus an 5-HT2a -Rezeptoren mit einer geringen Rate extrapyramidalmotorischer Beschwerden einher. Die schwache Blockade von H1 -Rezeptoren erklärt die relativ geringe Sedierung und die geringe Gewichtszunahme, so Müller. Anticholinerge Nebenwirkungen fehlen.
HinweisAsenapin wird sublingual appliziert. Um eine ausreichende Resorption zu gewährleisten, sollte der Patient in den ersten zehn Minuten nach der Einnahme auf Essen und Trinken verzichten. |
Rascher Wirkeintritt
Da bei oraler Applikation die Bioverfügbarkeit aufgrund eines ausgeprägten First-pass-Effektes schlecht ist, steht Asenapin als Sublingualtablette zur Verfügung. Dadurch kommt es zu einem schnellen Anfluten des Wirkstoffs und zu einem raschen Eintritt der Wirkung. Dies zeigen auch die klinischen Studien, in denen Asenapin mit Placebo und dem Atypikum Olanzapin verglichen wurde. In zwei doppelblinden Monotherapiestudien, zunächst über drei Wochen, reduzierte Asenapin (n = 189) die manischen Symptome. Der Gesamtwert der Young Mania Rating Scale war signifikant besser als Placebo (n = 103) und ähnlich gut wie Olanzapin (n = 188). Prof. Dr. Dieter Naber, Hamburg, betonte das schnelle Ansprechen auf Asenapin bereits ab dem zweiten Tag der Therapie. Die Fortführung der Untersuchungen als doppelblinde Nicht-Unterlegenheitsstudien über insgesamt 52 Wochen belegte die Äquieffektivität von Asenapin und Olanzapin auch in der Langzeitbehandlung. In einer Kombinationsstudie konnte durch die zusätzliche Gabe von Asenapin bei Patienten, die auf Lithium oder Valproat nur unzureichend ansprachen, nach drei und zwölf Wochen eine deutlichere Verbesserung der Manie erreicht werden als unter einer Fortführung der jeweiligen Monotherapie.
Begrenzte Gewichtsveränderung
Die Inzidenz von Somnolenz, motorischen Nebenwirkungen und sexuellen Funktionsstörungen war gering. Besonders hob Naber die begrenzte Gewichtsveränderung in den Langzeitstudien hervor. So war unter Asenapin nur bei 20% eine Gewichtszunahme um mindestens 7% zu verzeichnen, unter Olanzapin bei 38%. Die zu Beginn der Behandlung auftretende Sedierung, die bei der Manie zunächst auch gewünscht ist, hält nur ein bis zwei Wochen an.
QuelleProf. Dr. Peter Bräunig, Berlin; Prof. Dr. Dieter Naber, Hamburg; Prof. Dr. Walter E. Müller, Frankfurt: Einführungspressekonferenz "Neue Perspektiven für Patienten mit Bipolaren Störungen – Sycrest® ", Hamburg, 13. April 2011, veranstaltet von der Lundbeck GmbH,
Apothekerin Dr. Beate Fessler
"Man muss den Patienten motivieren, das Medikament langfristig einzunehmen!"
Wir sprachen mit Prof. Dr. Dieter Naber, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, über die Therapiemöglichkeiten bei bipolaren Störungen und die Vor- und Nachteile von Asenapin.
DAZ: Welchen Stellenwert hat die medikamentöse Therapie bei bipolaren Störungen?
Naber: Die Pharmakotherapie ist zumindest zu Beginn der Erkrankung die erste Wahl, sollte dann aber mit einer Psychotherapie kombiniert werden. Wir haben mittlerweile eine ganze Menge verschiedener Medikamente zur Auswahl, die eine individuell sehr unterschiedliche Verträglichkeit zeigen und teilweise mit schwerwiegenden Nebenwirkungen einhergehen. Die Herausforderung besteht nun darin, für den einzelnen Patienten das im Hinblick auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen passende Medikament zu wählen. Es lässt sich aber schlecht vorhersagen, wie der einzelne Patient reagiert. Manchmal braucht es einige Wochen, um die Verträglichkeit festzustellen. Um die Wirksamkeit zu beurteilen, benötigt man mindestens einige Monate. Man muss hier den Patienten motivieren, das Medikament langfristig einzunehmen. Voraussetzung dafür ist die Krankheitseinsicht beim Patienten. Insbesondere bei jungen Menschen, die erst ein- oder zweimal eine Episode durchlebt haben, ist sie begrenzt. Sie leben häufig in dem Glauben, dass sie das Medikament nicht brauchen und es ohne geht – was manchmal auch der Fall ist, aber leider nicht immer.
DAZ: Mit Asenapin steht nun eine neue, weitere Therapieoption bei BPS zur Verfügung. Sehen Sie darin einen Zugewinn für BPS-Patienten?
Naber: Wir können froh sein eine neue Substanz zur Auswahl zu haben. Die Wirksamkeitsdaten aus den klinischen Studien zur Mono- und Kombinationstherapie mit Asenapin sind gut und insbesondere auch die Daten zur Verträglichkeit. Im klinischen Alltag muss sich dies natürlich erst noch erhärten. Unter der bisher zur Verfügung stehenden Medikation zeigen sich vor allem folgende Nebenwirkungen in der Langzeitbehandlung: Gewichtszunahme, sexuelle Funktionsstörungen und motorische Nebenwirkungen. Nach den bisherigen Untersuchungen scheint Asenapin hinsichtlich dieser Nebenwirkungen relativ wenig problematisch zu sein. Viele Patienten erhalten auch eine Kombinationstherapie, weil ein Medikament alleine manchmal nicht ausreicht. Sicherlich ist auch da Asenapin eine sinnvolle Alternative.
DAZ: Herr Professor Naber, vielen Dank für das Gespräch!
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