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Daniel Bahr: "Apotheker sind Heilberufler"

BERLIN (lk). Er ist jung, smart und neben Philipp Rösler und Christian Lindner der Hoffnungsträger der FDP. Mehr noch: Mit 34 Jahren ist Daniel Bahr der jüngste Gesundheitsminister aller Zeiten. Für die Anliegen der Apotheker bewies Bahr bislang – zumindest rhetorisch – ein offenes Ohr. Apotheker sind für Bahr in erster Linie Heilberufler und erst danach Kaufleute. "Ausfransungen" nannte Bahr Pick-up-Stellen schon zu Oppositionszeiten als gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion – und wollte sie bekämpfen. Jetzt sitzt er selbst an den Hebeln der Macht.

Viel Arbeit liegt vor dem FDP-Youngster in Merkels Kabinett mit dem für auf Popularität bedachte Politiker undankbarsten Ressort: Die Pflegeversicherung muss renoviert werden. Das wird teuer für 80 Millionen Beitragszahler. Kaum einer wird begeistert Applaus spenden, aber viele werden die Verbesserungen für unzureichend halten. Da ist Durchhaltevermögen gefragt. Das bringt er mit.

Für die Apotheken stehen weitere spannende und wichtige Projekte in Bahrs Terminkalender. Bis zum Sommer soll ein Entwurf für das Versorgungsgesetz vorliegen. Da geht es zwar in erster Linie um die notleidende ärztliche Versorgung auf dem Land. Aber ABDA und KBV bohren seit einiger Zeit, ihr gemeinsames Arzneimittelkonzept der Wirkstoffverordnung darin gesetzlich zu verankern. Können sie Bahr davon überzeugen?

Und dann die Apothekenbetriebsordnung, das "Grundgesetz" der Apotheken: Was können die Pharmazeuten vom neuen Chef im Gesundheitsressort erwarten? "Es ist wichtig, dass beim Betreten einer Apotheke nicht der Eindruck entsteht, man sei in einer Drogerie mit angeschlossener kleiner Apotheke", sagte Bahr im DAZ-Interview im August 2010. Acht Gebiete stehen laut Bahr da auf der Agenda: "Die Stärkung der Beratungspflicht, Regelungen zu Rezeptsammelstellen, Qualitätsmanagement, was in anderen Bereichen des Gesundheitswesens ja schon Pflicht ist, die Präzisierung der Anforderungen an Arzneimittelherstellung und -prüfung, auch an die Apothekenräume. Ein Thema wird auch sein, die Bedingungen zwischen Versand- und Vor-Ort-Apotheken so abzustimmen, dass Nachteile der Vor-Ort-Apotheken beseitigt werden."

Klarstellen werde das BMG den Versorgungsauftrag, die Präsenz des Apothekenleiters, die Regelungen bei der Arzneimittelabgabe durch PTA und Regelungen für die erneute Ausgabe zurückgenommener Arzneimittel, so Bahr im Sommer 2010 im DAZ-Interview. Schon vor neun Monaten wollte sich Bahr nicht auf einen Zeitplan festlegen. Im Laufe des Jahres 2011 solle die neue ApBetrO aber fertig sein: "Ich glaube schon, dass wir das schaffen." Jetzt also drängt die Zeit.

Wort halten könnte Bahr als neuer Gesundheitsminister jetzt auch beim Pick-up-Thema. Apotheker dürften dem FDP-geführten Gesundheitsministerium durchaus "ein gewisses Vertrauen entgegenbringen", versprach Bahr in der DAZ: "Wir setzen uns für die inhabergeführte Apotheke ein. Wir waren immer gegen Pick ups." Trotz des an Verfassungsfragen im AMNOG gescheiterten Verbots weckte Bahr Hoffnungen: "Ich gebe trotzdem nicht auf." Fakt sei: "Der Versandweg war vom Gesetzgeber anders gedacht, er wollte die Zustellung direkt zum Endverbraucher."

Ebenfalls im DAZ-Interview im Juli 2008 bot Bahr, damals noch gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, eine Lösung an: "Durch eine Einschränkung des Versandhandelsbegriffs könnte man die Ausfransung des Versandes in Form der Abhol- und Bestellstellen unterbinden. Einen solchen Weg haben wir prüfen lassen und jetzt einen Antrag eingebracht." Jetzt kann er als Gesundheitsminister Wort halten und seinen eigenen Antrag realisieren.

Zwar ist Bahr der jüngste Gesundheitsminister aller Zeiten, politisch jedoch ein alter Hase: Vor 20 Jahren stieg der in Lahnstein geborene Rheinland-Pfälzer als Jungliberaler in die Politik ein und übernahm bald den Vorsitz der JuLis. Die Biografie des Liberalen verlief ohne Brüche: Bahr absolvierte eine Banklehre und studierte Volkswirtschaft und internationales Gesundheitsmanagement. 2002 zog Bahr für die FDP in den Bundestag ein. 2005 wurde er gesundheitspolitischer Sprecher und lieferte sich scharfe Wortgefechte mit der SPD-Ministerin Ulla Schmidt. Austeilen kann er aber auch an die Adresse des Koalitionspartners: "Wildsau" schimpfte Bahr auf dem Höhepunkt des Koalitionsstreits über die AMNOG-Reform über die Kollegen von der CSU.

Überhaupt: Gelernt hat Bahr das politische Handwerk noch von Jürgen W. Möllemann. Auf sich selbst aufmerksam gemacht hat Bahr nicht nur mit Haare raufenden und Grimassen schneidenden Wahlplakaten. Bereits als Vorsitzender der Jungen Liberalen schaffte es der Nachwuchspolitiker in die TV-Show von Harald Schmidt: "Lieber bekifft ficken als besoffen Auto fahren", juxte er dort locker im Sessel.

Das würde er heute sicher so nicht mehr sagen. Sicher auch nicht mehr wie im Jahr 2000 an einem kalten Novembertag halb nackt auf offener Straße vor dem Kanzleramt in einem Badezuber gegen die Benachteiligung der Jugend demonstrieren. Oder mit einem Videoprojektor den Schriftzug: "Kann man in diesem Haus bei 4,3 Millionen Arbeitslosen noch gut schlafen?" auf die Außenmauern des Kanzleramtes projizieren.

Die Beispiele aber zeigen eines: Der stets korrekt gekleidete Mann im Gesundheitsministerium kann auch anders, ist "vor nix fies". Gezielte Provokationen gehören für Bahr zu Stilmitteln der Politik. Der Mann verfügt über Machtbewusstsein und taktische Raffinesse. Das hat Guido Westerwelle jetzt erfahren müssen, an dessen Verzicht auf den FDP-Vorsitz er als NRW-FDP-Landesvorsitzender maßgeblich beteiligt war. Im Gesundheitsressort kann er jetzt unter Beweis stellen, dass er Politik konkret gestalten kann.



DAZ 2011, Nr. 20, S. 24

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