Arzneimittel und Therapie

Gleichwertigkeit von Ranibizumab und Bevacizumab gezeigt

Eine kürzlich im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie ergab, dass die VEGF-A-Antikörper Ranibizumab und Bevacizumab bei der Behandlung der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) über ein Jahr gleichwertig sind. Dieser erste Direktvergleich beider Wirkstoffe war auch deshalb mit großer Spannung erwartet worden, weil das deutlich preiswertere Bevacizumab bisher nur für onkologische Indikationen zugelassen ist und sein Einsatz bei der AMD off label erfolgt.

Ranibizumab (Lucentis®) und Bevacizumab (Avastin®) werden bei Patienten, die unter altersbedingter feuchter Makuladegeneration leiden, direkt in den Glaskörper des Auges injiziert (intravitreale Anwendung). Beide richten sich gegen den Wachstumsfaktor VEGF-A (vascular endothelial growth factor), der in den Augen von AMD-Patienten die Angiogenese fördert. Durch das Wachstum neuer Blutgefäße und die damit verbundenen Blutungen bzw. Exsudationen verschlechtert sich deren Sehvermögen immer mehr, was bis zur Erblindung führen kann (siehe Kasten).


Steckbrief: Altersbedingte Makuladegeneration


Bei der Makuladegeneration handelt sich um eine Gruppe von Augenerkrankungen, die mit einem fortschreitenden Funktionsverlust des zentralen Gewebes der Netzhaut, der Makula lutea (Punkt des schärfsten Sehens, auch als "Gelber Fleck" bezeichnet) verbunden sind. Von der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) können per Definition Menschen ab dem 50. Lebensjahr betroffen sein. Bei der feuchten Form der AMD wachsen aus dem Kapillarnetz der Aderhaut Blutgefäße in die Gewebe unterhalb der Netzhaut (choroidale Neovaskularisation), was häufig mit Blutungen und Flüssigkeitsansammlungen verbunden ist. Schließlich kommt es zum Absterben von Netzhautzellen in der Makula und damit zu Beeinträchtigungen des Sehens im zentralen Gesichtsfeld. Die Lesefähigkeit der Betroffenen nimmt ab, Dinge werden verzerrt wahrgenommen. Da periphere Netzhautbereiche meist nicht betroffen sind, können sich AMD-Patienten oft noch gut orientieren und bei Dunkelheit sehen. Bei der trockenen Form der AMD ist der Sehschärfeverlust meist geringer. Hierbei kommt es zur Ablagerung von Stoffwechselendprodukten in der Netzhaut, die nicht mehr abgebaut werden können.

Nichtunterlegenheitsstudie konzipiert

Zwischen Ranibizumab und Bevacizumab gibt es eine Reihe von Unterschieden. Ranibizumab besitzt ein geringeres Molekulargewicht, da es kein kompletter Antikörper, sondern ein Antikörperfragment ist. Der Wirkstoff wird nach intravitrealer Injektion schneller eliminiert als Bevacizumab und besitzt zur Wirkungsverstärkung eine modifizierte VEGF-A-Bindungsstelle. Ranibizumab wird alle vier Wochen, Bevacizumab in der Regel seltener (ca. alle sechs Wochen) verabreicht. Ob diese Unterschiede Wirksamkeitsdifferenzen beider Substanzen zur Folge haben, wurde bisher noch nicht im Direktvergleich untersucht.

Die kürzlich veröffentlichte randomisierte, multizentrische, einfach verblindete Untersuchung war als Nichtunterlegenheitsstudie konzipiert worden. Sie schloss 1208 AMD-Patienten mit einem Mindestalter von 50 Jahren ein. Sie wurden in vier Behandlungsgruppen – zwei für Ranibizumab und zwei für Bevacizumab – eingeteilt. Ranibizumab wurde in einer Dosis von 0,50 mg in 0,05 ml Lösung in der einen Gruppe alle 28 Tage, in der anderen nach Bedarf verabreicht. Bedarfsorientierte Gabe bedeutete in diesen Fällen, dass eine Injektion nur dann gegeben wurde, wenn bei der regelmäßig durchgeführten Diagnostik Zeichen einer aktiven Neovaskularisierung wie Flüssigkeitsansammlungen, neue oder persistierende Hämorrhagien bzw. ein vermindertes Sehvermögen auftraten. Analog verfuhr man mit Bevacizumab (1,25 mg in 0,05 ml Lösung).

Primärer Endpunkt war die mittlere Veränderung des Sehvermögens nach einem Jahr, mit einem Nichtunterlegenheits-Limit von fünf Buchstaben auf der Sehtafel. Zu den sekundären Endpunkten zählten unter anderem auch die Behandlungskosten – in den USA liegen sie pro Dosis Ranibizumab bei 2000 US-Dollar und für Bevacizumab bei 50 US-Dollar.

Keine signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit

In allen vier Behandlungsgruppen kam es zu einer Visus-Verbesserung. Bei der monatlichen Injektion von Bevacizumab bzw. Ranibizumab verbesserte sich das Sehvermögen der Patienten um 8 bzw. 8,5 Buchstaben auf der Sehtafel. Bei der Injektion nach Bedarf betrug der Gewinn 5,9 (Bevacizumab) bzw. 6,8 Buchstaben (Ranibizumab). Bei Ranibizumab unterschieden sich die Ergebnisse nach monatlicher Injektion nicht von denen nach Bedarfsinjektion. Im Falle von Bevacizumab lieferte dieser Vergleich inkonsistente Ergebnisse. Die Ergebnisse einer Ranibizumab-Behandlung nach Bedarf waren denen der monatlichen Bevacizumab-Gabe äquivalent. Der analoge Vergleich zwischen Bevacizumab nach Bedarf und Ranibizumab monatlich ergab über ein Jahr inkonsistente Ergebnisse. Die mittlere Abnahme der Netzhautdicke war bei monatlicher Ranibizumab-Gabe größer (196 µm) als in den anderen Gruppen (152 bis 168 µm, p = 0,03).

Schwere UAW häufiger unter Bevacizumab

Die Rate an Todesfällen, Myokardinfarkten und Schlaganfällen war bei den Ranibizumab- und Bevacizumab-Patienten vergleichbar (p > 0,20). Jedoch lag das Risiko für schwere unerwünschte Wirkungen unter Bevacizumab signifikant höher als unter Ranibizumab (24,1% vs. 19,0%, risk ratio 1,29, 95% KI 1,01 bis 1,66). Allerdings handelte es sich bei den beobachteten Ereignissen um solche, die zuvor nicht unbedingt mit der Anwendung der Wirkstoffe in Zusammenhang gebracht worden waren wie z. B. Pneumonie, Harnwegsinfektionen oder Übelkeit und Erbrechen. Zudem war die Patientenzahl zu klein, um mit ausreichender statistischer Power Unterschiede feststellen zu können. Bei den ophthalmologischen Nebenwirkungen kam es am häufigsten zu Endophthalmitis, allerdings waren die Raten sehr niedrig (bei 0,04% der Ranibizumab- und 0,07% der Bevacizumab-Injektionen). Insbesondere die Nebenwirkungsunterschiede erfordern nach Ansicht der Autoren weitere und größere Vergleichsstudien. Da die aktuelle Studie noch nicht abgeschlossen ist, bietet auch sie die Möglichkeit, die Wirksamkeit und Sicherheit der Behandlung mit den beiden VEGF-A-Inhibitoren noch genauer zu untersuchen. Beispielsweise auch zu der noch nicht ausreichend beantworteten Frage, ob eine bedarfsorientierte Gabe anstelle des starren monatlichen Behandlungsschemas zu vergleichbaren Ergebnissen führt.


Quelle

The CATT (Comparison of age-related macular degeneration treatments trials) research group: Ranibizumab and Bevacizumab for neovascular age-related macular degeneration. N Engl J Med (2011), online publiziert am 28. April 2011, DOI: 10.1056/NEJM0a1102673.


Apothekerin Dr. Claudia Bruhn



DAZ 2011, Nr. 18, S. 40

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