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Interpharm 2011
Neue Wirkstoffe in der Entwicklung
Lasmiditan bei Migräne
Lasmiditan wird zur Akutbehandlung der Migräne entwickelt. Der oral anwendbare Serotoninrezeptoragonist bindet wie die Triptane an Serotoninrezeptoren, im Gegensatz zu diesen aber relativ selektiv an den Serotoninrezeptor-Subtyp 5‑HT1F.
Die bisher bei Migräne eingesetzten Triptane wirken agonistisch an den Subtypen 5-HT1D und 5-HT1B und verengen die Blutgefäße. Da die Migräne durch eine Gefäßerweiterung und lokale neurogene aseptische Entzündungen entsteht, ist dieser Effekt an Blutgefäßen im Gehirn erwünscht, nicht jedoch anderswo. Aus diesem Grund sind Triptane bei Gefäßerkrankungen wie der koronaren Herzerkrankung und Hirninfarkt kontraindiziert.
Lasmiditan besitzt eine andere Grundstruktur als die Triptane und hat keinen vasokonstriktorischen Effekt. Der Serotoninrezeptor-Subtyp 5‑HT1F, an den es bindet, spielt wahrscheinlich keine Rolle bei der Vasokonstriktion, sondern ist an der Fehlsteuerung der Schmerzleitungskaskade beteiligt.
Die Wirkung von Lasmiditan ist mit derjenigen von Triptanen vergleichbar, weshalb Lasmiditan als Schrittinnovation bewertet wird. Von der neuen Substanz können auch Patienten profitieren, die wegen des gefäßverengenden Effektes keine Triptane einnehmen dürfen.
Neuer Immunmodulator Tasocitinib
Tasocitinib ist ein neuer Wirkstoff zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis. Es wird oral eingenommen und wirkt über einen neuen Mechanismus als gezielter Immunmodulator.
Die heute bei der rheumatoiden Arthritis eingesetzten Basistherapeutika unterdrücken unterschiedliche zentrale Schritte der Immunreaktion. Dazu gehört die Förderung der Proliferation von B- und T-Lymphozyten, deren Aktivierung sowie die Freisetzung von lysosomalen Enzymen. Die für diese Zwecke eingesetzten Immunmodulatoren haben einen langsamen Wirkungseintritt, erhebliche Nebenwirkungen und eine relativ hohe Non-Responder-Rate, was bedeutet, dass viele Patienten zwar unerwünschte Wirkungen erleiden, aber nicht von der Therapie profitieren.
Ein neuer therapeutischer Ansatz ist die Blockade von Signaltransduktoren, sodass die Zelle keine proinflammatorischen Zytokine mehr freisetzt. Auf diese Weise wirkt Tasocitinib, denn es blockiert die Januskinase (JAK). Dieses Enzym phosphoryliert das Protein STAT, das daraufhin in den Zellkern wandert und die Synthese proinflammatorischer Zytokine hochreguliert.
Beim Menschen sind heute vier Januskinasen bekannt. Die JAK3 kommt vor allem in hämatopoetischen immunkompetenten Zellen vor. Wird sie unterdrückt, kommt es zur Immunsuppression. Tasocitinib besitzt eine Präferenz für JAK3. Es bindet an dessen ATP-Bindungsstelle und hemmt es kompetitiv.
Derzeit befindet sich Tasocitinib in Phase III der klinischen Prüfung. In Dosen von 5 und 10 mg zweimal täglich zeigte es eine gute antiinflammatorische Wirkung. Seine Halbwertszeit beträgt 2,5 Stunden.
Als unspezifische unerwünschte Wirkungen traten Kopfschmerzen und eine Erhöhung der Serum-Cholesterolwerte auf. Durch den immunsuppressiven Mechanismus kann sich eine Neutropenie mit einer erhöhten Infektionsgefahr entwickeln. Deshalb ist vor dem Einsatz von Tasocitinib eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung notwendig.
Pfizer prüft Tasocitinib derzeit im Rahmen eines klinischen Studienprogramms bei insgesamt mehr als 4000 Patienten mit rheumatoider Arthritis an 350 Prüfzentren in 35 Ländern. Zudem prüft Pfizer Tasocitinib zur oralen Anwendung auch bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis, bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Morbus Crohn und Colitis ulcerosa) sowie bei Patienten nach einer Organtransplantation.
TAK-875 bei Diabetes Typ 2
Der GPR40-Agonist TAK-875 wird zur Behandlung des Typ-2-Diabetes entwickelt.
GPR40 ist ein G-Protein-gekoppelter Rezeptor, der vor allem auf der Oberfläche pankreatischer B-Zellen vorkommt. Er wird durch mittelkettige Fettsäuren stimuliert und aktiviert, was zu einer vermehrten glucosestimulierten Insulinsekretion führt.
TAK-875 wirkt relativ selektiv auf diesen Rezeptor, bindet mit hoher Affinität und imitiert die Wirkung einer endogenen Fettsäure. Im Gegensatz zu Sulfonylharnstoffen wirkt TAK-875 nur nach der Nahrungsaufnahme, wenn sich freie Fettsäuren im Blut befinden. Folglich wird Insulin nur dann ausgeschüttet, wenn sich reichlich Glucose im Blut befindet, sodass das Risiko für eine Hypoglykämie gering ist. TAK-875 befindet sich in Phase II der klinischen Prüfung.
Linaclotide gegen Obstipation
Das oral applizierbare Peptid Linaclotide wird zur Behandlung der chronischen Obstipation und des Reizdarmsyndroms mit Obstipation entwickelt. Der neue Arzneistoff mit völlig neuer Struktur (Polypeptid) kann als Sprunginnovation betrachtet werden. Er wird oral eingenommen und entfaltet seine Wirkung in der Darmschleimhaut. Als Agonist der transmembranären Guanylatcyclase vom Typ C erhöht er dort die Konzentration von zyklischem GMP. In der Folge gelangen mehr Chloridionen ins Darmlumen; die Aufnahme von Natriumionen wird inhibiert.
Damit wirkt Linaclotide ähnlich wie bakterielle Toxine, die zu einer Diarrhö führen, beispielsweise die Toxine von E. coli oder das Choleratoxin.
Der neue Wirkstoff befindet sich in Phase III der klinischen Prüfung und könnte schon Ende 2011 auf den Markt kommen.
Zytostatikum Olaparib
Olaparib ist ein neuer maßgeschneiderter Wirkstoff gegen Krebs. Es wirkt als Inhibitor der Poly(ADP-Ribose)-Polymerase (PARP). Dieses Enzym unterstützt die DNA-Reparatur und fördert dadurch auch die Reparatur von (erwünschten) DNA-Schäden bei Krebszellen, die durch eine Chemotherapie entstehen. Olaparib hemmt die PARP und kann so die zytotoxische Wirkung einer Chemotherapie auf Krebszellen verstärken; wenn deren DNA-Schäden nicht repariert werden, gehen sie durch Apoptose zugrunde.
Es wurde bereits gezeigt, dass Olaparib als Monotherapeutikum das Tumorwachstum bei Patientinnen mit Brust- oder Ovarialkarzinom, die das Krebsgen BRCA1 oder BRCA2 aufweisen, verzögern kann. Bei BRCA-negativen Tumoren ist Olaparib nicht wirksam.
Derzeit werden weitere klinische Studien zur Kombination von Linaclotide mit Chemotherapeutika wie Platinverbindungen durchgeführt.
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DAZ 2011, Nr. 14, S. 95
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