Interpharm 2011

Professor Haucaps Argumente zogen nicht

Einen schweren Stand hatte Prof. Dr. Justus Haucap, der Vorsitzende der Monopolkommission, bei der Podiumsdiskussion auf der Wirtschafts-Interpharm zum Thema "Brauchen wir weniger Apotheken?" Im ersten Teil der Diskussion beschäftigten sich neben Haucap Prof. Dr. Andreas Kaapke und DAZ-Herausgeber Dr. Klaus G. Brauer ausführlich mit der Wettbewerbssituation der deutschen Apotheken. Einig waren sich die Diskutanten, dass neben dem Standort einer Apotheke die Beratungsqualität über den wirtschaftlichen Erfolg entscheidet.
Foto: DAZ/Reimo Schaaf
Heftig fiel die Diskussion zum Thema "Brauchen wir weniger Apotheken" auf der Wirtschafts-Interpharm aus. Prof. Dr. Justus Haucap (li.) von der ­Monopolkommission hatte gegenüber Moderator Dr. Klaus G. Brauer und Prof. Dr. Andreas Kaapke (re). einen schweren Stand.

Als Beispiel für die unterschiedlichen Anteile von Preis- und Beratungswettbewerb im Einzelhandel brachte Haucap den Liter Milch in Gespräch. Milch sei Standardprodukt mit geringem Beratungsbedarf. Bei einer Flasche Wein sei der Beratungsbedarf dagegen bereits ausgeprägter. Haucap: "Deswegen gibt es wenig Milchhandlungen, aber viele Weinhandlungen."

Im Gegensatz zu früheren Aussagen räumte Haucap bei der Podiumsdiskussion ein, dass die Patienten bei Arzneimitteln ebenfalls Beratung erwarten: "Bei Medikamenten ist es ja so, die Leute wollen doch Beratung." Diese Aussage führte zu einem Zwischenruf von DAZ-Herausgeber und Diskussionsleiter Brauer: "Ach, das ist jetzt eine schöne Feststellung: Haucap sagt, die Menschen brauchen bei Arzneimitteln Beratung." In einem Interview habe er dies kürzlich mit dem Hinweis auf viele standardisierte Produkte im Apothekensortiment noch verneint.

Im weiteren Verlauf der Diskussion plädierte der Vorsitzende der Monopolkommission mehrfach dafür, die Apotheken wie andere Einzelhändler einem stärkeren Preiswettbewerb auszusetzen. Davon verspricht sich der Ökonom, versteckte Effizienzreserven zu aktivieren. Bis zu 448 Millionen Euro Einsparpotenzial sieht Haucap in einer grundlegenden Reform des Apothekenhonorars. Bis zu 1000 Apotheken müssten dann ihre Türen schließen. Wie schon im Gutachten der Monopolkommission für die Bundesregierung kritisierte der Wissenschaftler insbesondere mangelnden Wettbewerb und Überregulierung. Nach dem Reformvorschlag Haucaps sollen sowohl die Zuzahlungen der Patienten für verschreibungspflichtige Medikamente komplett gestrichen werden wie auch Fixbetrag, Logistikpauschale und Zwangsrabatt zwischen Krankenkassen und Apothekern. Stattdessen soll eine Apothekentaxe von maximal zehn Euro eingeführt werden, welche jeder Apotheker selbst festlegen kann.

Der Vorschlag Haucaps löste bei der Podiumsdiskussion eine lebhafte Debatte aus: "Was ist der Treiber ihrer Überlegungen", fragte Professor Kaapke, "Ich verstehe Ihr Motiv nicht." Brauer fragte nach den Konsequenzen: "1000 Apotheken weniger, das sind fünf Prozent. Welche Einsparungen wären damit möglich?" Es gehe einem Ökonomen darum, mit bestimmten Ressourcen das Bestmögliche herauszuholen für die Gesellschaft, rechtfertigte Haucap seinen Ansatz. Gerade im Gesundheitswesen seien die Mittel knapp und Effizienzsteigerung geboten.

In manchen Bereichen gebe es eine Überversorgung mit Apotheken, argumentierte Haucap. Sein Modell der Apothekentaxe führe vor allem für städtische Apotheken zu mehr Wettbewerb. Apotheken auf dem Land könnten davon sogar profitieren, weil diese eine höhere Apothekentaxe durchsetzen könnten. Es sei gerechter, über den Preiswettbewerb dafür zu sorgen, dass Apotheken in der Stadt schließen müssten, aber auf dem Land erhalten blieben. DAZ-Herausgeber Brauer wandte ein, dass durch die Schließung von fünf Prozent der Apotheken der Arzneimittelverbrauch nicht sinke. Dieser Umsatz werde auf die verbleibenden Apotheken verteilt. "Welche Kosten könnten denn gespart werden?", fragte Brauer. Die variablen Kosten (etwa 70 Prozent) nicht, da die Packungszahl insgesamt nicht sinke. Haucap stimmt zu. Also seien nur 30 Prozent als Sparpotenzial anzusetzen, rechnete Brauer vor. Wenn fünf Prozent der Apotheken verschwänden, ließen sich auf diesem Weg nur 1,5 Prozent der Fixkosten sparen. Brauer: "Das Maximale, das sie einsparen können, wenn sie 1000 Apotheken kaputtmachen, sind 1,5 Prozent. Das ist unter dem Skontosatz."

Foto: DAZ/Reimo Schaaf

Kaapke ging noch einen Schritt weiter. Es sei "doch weltfremd" anzunehmen, dass die Umverteilung der Arbeit auf weniger Apotheken dort nicht zu einer Kapazitätsaufstockung und damit zu zusätzlichen Kosten führe. 1,5 Prozent Kostenersparnis bei den Apotheken brächten nur 60 Millionen Euro, ergänzte Brauer. Gerade habe die Bundesregierung aber mit der Apothekenabgabe den Apotheken 200 Millionen Euro "aufgebrummt". Brauer warf Haucap daraufhin vor, sich im Apothekenmarkt nicht genau auszukennen und zitierte eine französische Lebensweisheit: "Ein Urteil abzugeben, ohne genau sich auszukennen, das ist wie lügen." Haucap wirkte etwas sprachlos und vermochte nicht, die von Brauer und Kaapke präsentierten Rechnungen zu entkräften.

Professor Kaapke attackierte vor diesem Hintergrund Haucaps Aussagen zum Apothekenmarkt im letzten Monopolgutachten: "Sie müssen sehen, wer das sagt. Wenn das ein ganz normaler Professor für Volkswirtschaftslehre sagt, dann ist das eine Meinung. Hier sagt das aber der Vorsitzende der Monopolkommission." Deswegen sei die Aufmerksamkeit besonders ausgeprägt. Deshalb müsse er sich der Kritik anders stellen, "als wenn dies Harry Meisenkaiser absondert". Das Apothekenpublikum quittierte Kaapkes Rhetorik mit lautem Beifall: "Wer sich aus dem Fenster lehnt, erzeugt Gegenwind."

Haucap versuchte tapfer, sein Model zu rechtfertigen: "Was haben wir jetzt?". Das AMNOG biete den Apotheken keine Möglichkeit, Kostenvorteile weiterzugeben. Es gebe durchaus profitable Apotheken, die in der Lage seien Kostenvorteile (Haucap: "Woher auch immer.") an die Kunden weiterzuleiten.

"Mit welchem Anreiz", wollte Kaapke wissen. Warum sollten Apotheken ihre im stark regulierten Markt mühsam erarbeiteten Vorteile weitergeben. "Wo ist denn da der Anreiz?" In einer Marktsituation sei das die freie Entscheidung der Apothekeninhaber, antwortete Haucap.

Ein versöhnliches Ende fand die lebhaft-kontroverse Diskussion dennoch: Getreu der Maxime des französischen Philosophen Voltaire – Es mag falsch oder gar verdammenswert sein, was meine Gegner sagen. Aber ich werde mich immer dafür einsetzen, dass meine Gegner sagen dürfen, was sie sagen wollen. – überließ DAZ-Herausgeber Klaus G. Brauer Professor Haucap das Schlusswort. Der nutzte die Gelegenheit: Es gehe keinem Ökonomen darum, möglichst viele Apotheken kaputtzumachen. Es gehe den Volkswirten darum, den Ordnungsrahmen so zu gestalten, dass der Verbraucher optimal versorgt werde. Ressourcen so zu verwenden, dass der Verbraucher möglichst viel davon erhalte.


lk

DAZ.TV


Einen Zusammenschnitt der Interpharm-Diskussionsrunde "Brauchen wir weniger Apotheken" finden Sie im Bereich DAZ.TV



DAZ 2011, Nr. 13, S. 56



Zurück zum Inhaltsverzeichnis "Interpharm 2011"

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.