Arzneimittel und Therapie

Neuer Therapieansatz verhindert HIV-1-Zellinfektion

Mit einem Fragment von Alpha-1-Antitrypsin, bezeichnet als VIR-576, kann das HI-Virus Typ 1 erfolgreich daran gehindert werden, in seine Zielzellen einzudringen. Eine soeben veröffentlichte Studie mit 18 HIV-Infizierten lässt auf eine hoch effektive Therapie hoffen, mit der die Viruslast in einer Größenordnung von 90% gesenkt werden kann.
Entry-Inhibitoren verhindern das Eindringen von HI-Viren in die Wirtszellen. Schon eingeführte Vertreter blockieren die Andockstellen auf den Wirtszellen und greifen damit auch in physiologische Funktionen des Wirtsorganismus ein. VIR-576 hemmt dagegen ein für das Andocken wichtiges Oberflächenprotein von HIV-1. Dieser Therapieansatz könnte sich damit als eine verträglichere Alternative erweisen.  Foto: Sebastian Kaulitzki - Fotolia.com

HI-Viren sind umhüllte Viren. Um in ihre Wirtszelle eindringen und sich dort vermehren zu können, müssen sie mit der Membran der Wirtszelle fusionieren. Schon lange ist man auf der Suche nach potenten Wirkstoffen, die diesen Prozess verhindern. Solche Wirkstoffe werden als Entry-Inhibitoren bezeichnet. Mit Enfuvirtid (Fuseon®) und Maraviroc (Celsentri®) stehen inzwischen zwei Vertreter dieser Gruppe für die HIV-Therapie zur Verfügung. Sie verhindern das Eindringen durch Blockade von Rezeptoren auf der Wirtszelle.

Andocken verhindert

Forscher um Prof. Dr. Frank Kirchhoff vom Universitätsklinikum Ulm und Prof. Dr. Reinhold Schmidt von der Medizinischen Hochschule Hannover haben jetzt einen neuen Typ von Entry-Inhibitoren entwickelt. Sie haben herausgefunden, dass ein aus 20 Aminosäuren bestehendes, natürlich im Blut vorkommendes Alpha-1-Antitrypsin-Fragment, bezeichnet als Virus Inhibitory Peptide (VIRIP), an das Oberflächenprotein und Fusionspeptid gp41 von HIV-1 bindet und auf diese Weise das Andocken der Viren an die Wirtszelle verhindern kann. Mit einem weiterentwickelten Derivat des VIRIP, dem VIR-576 haben sie nun 18 HIV-Infizierte über zehn Tage behandelt. VIR-576 wurde in drei verschiedenen Dosierungen intervenös infundiert. Mit der höchsten Dosierung (5 g pro Tag) konnte die durchschnittliche Viruslast im Plasma von über 10.000 HIV-1-RNA-Kopien pro ml um 1,23 log10 -Kopien pro ml und damit um über 90 % reduziert werden.

Nebenwirkungsarme Alternative?

Schwerwiegende Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Das wird damit begründet, dass VIR-576 nicht wie die schon zugelassenen Entry-Inhibitoren menschliche Zellen zum Ziel hat, sondern nur mit dem Oberflächenprotein gp41 des HI-Virus interagiert. Ein weiterer Vorteil: auch Viren, die gegen andere Hemmstoffe resistent sind, werden durch VIR-576 erfasst. Da das Fusionspeptid gp41 ein für die Vermehrung der HI-Viren essenzielles Peptid ist, das gegenüber Mutationen relativ stabil ist, gehen die Forscher von einer geringen Gefahr einer Resistenzentwicklung aus.

Allerdings weist VIR-576 noch entscheidende Nachteile auf. So handelt es sich um ein kleines Peptid, das im Körper sehr schnell abgebaut wird und daher in relativ großen Mengen injiziert werden muss. Daher sollen nun nichtpeptidische gp41-Hemmer entwickelt werden. Bis zur Zulassung solcher oral verfügbarer Fusionshemmer werden zwar noch einige Jahre vergehen, doch eignet sich der Ansatz auch für die Bekämpfung anderer Viren wie Influenza-, Masern-, Hepatitis- oder Ebola-Viren, die mit der Membran ihrer Wirtszelle fusionieren müssen.


Quelle

Forssmann WG, et al.: Short-Term Monotherapy in HIV-infected Patients with an Virus Entry Inhibitor Against the gp41 Fusion Peptide. Sci Transl Med 22. Dezember 2010; Vol 2 Issue 63, p63re3

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DAZ 2011, Nr. 1, S. 46

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