Gesundheitspolitik

Bundeskartellamt legt angeblichen Gehe-Boykottaufruf zu den Akten

Aber kein "Freispruch erster Klasse" für die Apothekerverbände

Berlin (ks). Das Bundeskartellamt hat seine Kartellverfahren gegen Apotheker eingestellt. Damit müssen die ABDA, der Landesapothekerverband Baden-Württemberg, der Berliner Apotheker Verein und der Thüringer Apothekerverband nun doch kein Bußgeld wegen ihres angeblichen Boykottaufrufes gegen den Pharmagroßhändler Gehe zahlen. Das Gleiche gilt für den ABDA-Präsidenten Heinz-Günter Wolf, die Vorsitzenden der Landesverbände sowie den ehemaligen ABDA-Kommunikationschef Thomas Bellartz, der seinerzeit noch Leiter des Hauptstadtbüros der Pharmazeutischen Zeitung war.

Das Bundeskartellamt hatte der ABDA, den Landesapothekerverbänden und den fünf Einzelpersonen vorgeworfen, im Zusammenhang mit der Übernahme der holländischen Versandapotheke DocMorris durch die Gehe-Mutter Celesio zum Boykott des Großhändlers aufgerufen zu haben. Im Juli 2009 verhängte die Behörde gegen sie Geldbußen in Höhe von insgesamt 1,22 Millionen Euro. Dagegen hatten die Betroffenen Einspruch erhoben. "Die gegen die ABDA erhobenen Vorwürfe haben sich als haltlos erwiesen und sind nun vom Bundeskartellamt selbst zurückgenommen worden", kommentierte ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz die Entscheidung der Behörde. Er betonte: "Wir werden unsere Mitglieder auch in Zukunft unabhängig vertreten und ihre Interessen in politischen Debatten wahrnehmen. Und auch die Interessen der Verbraucher werden wir weiterhin ganz offen vertreten."

LAV sieht sich bestätigt

Auch beim LAV ist man nicht überrascht, aber sicherlich erleichtert über die Entscheidung des Bundeskartellamtes. "Wir waren uns vom ersten Augenblick an sicher, dass wir als Interessenvertretung der baden-württembergischen Apotheker richtig gehandelt haben und der Vorwurf des Boykottaufrufes nicht haltbar sein wird", so LAV-Geschäftsführerin Ina Hofferberth. Einer der damaligen Kritikpunkte der Apothekerschaft war die erste genehmigte DocMorris-Apotheke in Fremdbesitz in Saarbrücken. Mittlerweile hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass das in Deutschland geltende Fremdbesitzverbot für Apotheken zulässig ist und besagte Saarbrücker Apotheke unrechtmäßig betrieben wurde. Hofferberth: "Unserer Ansicht nach besteht für einen Berufsverband im Gesundheitswesen für den Schutz der Verbraucher und der Apotheker geradezu die Pflicht, solche Ereignisse und Entwicklungen dezidiert zu beobachten, zu bewerten und gegebenenfalls auch öffentlich zu kritisieren. Unsere Argumente und unser Handeln waren nötig und unbedingt berechtigt."

Einstellung "aus Opportunitätsgründen"

Einen "Freispruch erster Klasse" können die Apothekerverbände allerdings nicht für sich verbuchen. "Die Einstellung erfolgte aus Opportunitätsgründen", hieß es aus dem Bundeskartellamt. Gänzlich von der Unschuld überzeugt ist die Behörde nicht – doch angesichts der bestehenden Gemengelage sah sie sich letztlich veranlasst, die Verfahren zu beenden. Schließlich liegen die verfahrensgegenständlichen Handlungen inzwischen über vier Jahre zurück, die Bußgeldbescheide mehr als zwei Jahre. Zudem hat sich die damals öffentlich ausgetragene Kontroverse um das Fremdbesitzverbot zwischenzeitlich beruhigt. Die Behörde verwies darauf, dass die Entscheidung des EuGH nur kurze Zeit vor Erlass der Bußgeldbescheide ergangen sei, "so dass damals die weitere Entwicklung noch nicht absehbar war".



AZ 2011, Nr. 37, S. 8

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