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Gesundheitswesen
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA)
Der G-BA "ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland. Er bestimmt in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für mehr als 70 Millionen Versicherte und legt damit fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der GKV erstattet werden. Darüber hinaus beschließt der G-BA Maßnahmen der Qualitätssicherung für den ambulanten und stationären Bereich des Gesundheitswesens." So steht es auf der Website des G-BA. Seine Beschlüsse sind als untergesetzliche Normen für alle Akteure der GKV bindend ("kleiner Gesetzgeber"; vgl. Abb. 1).
Rechtsgrundlage hierfür ist § 91 SGB V, der seit 01.01.2004 als Bestandteil des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) gültig ist. Der G-BA steht zwar formal unter der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), ist sonst aber juristisch und fachlich eigenständig und keine nachgeordnete Behörde. Gerade die fachliche Eigenständigkeit des G-BA gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit wurde im Mai 2009 vom Bundessozialgericht in Kassel in einem Urteil erneut bestätigt.
Zusammensetzung des G-BA
Der G-BA trifft alle Entscheidungen im Plenum, einem sektorenübergreifend besetzten 13-köpfigen Gremium (Abb. 2). Dieses ist paritätisch besetzt mit je fünf Leistungserbringern und Kostenträgern sowie drei Unparteiischen.
- Auf der Seite der Leistungserbringer sitzen je zwei Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sowie ein Vertreter der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV).
- Die Seite der Kostenträger vertritt der GKV-Spitzenverband.
- Die drei unparteiischen hauptamtlichen Mitglieder sind der Vorsitzende des G-BA und seine beiden Stellvertreter, zurzeit Dr. Rainer Hess, Dr. Harald Deisler und Dr. Josef Siebig. Sie tragen bei Stimmengleichheit zur Entscheidungsfindung im Plenum und in den vorbereitenden Unterausschüssen bei.
An allen Sitzungen des Plenums sind zudem fünf nicht stimmberechtigte Patientenvertreter beteiligt.
Der G-BA verfügt über eine gut besetzte Geschäftsstelle, die am 01. 01. 2010 von Siegburg nach Berlin umgezogen ist und von Dr. Dorothea Bronner geleitet wird.
Arbeitsweise des G-BA
Vor Beginn einer Beratung muss zunächst ein Beratungsantrag gestellt werden. Antragsberechtigt sind die unparteiischen Mitglieder des G-BA, der GKV-Spitzenverband, die KBV, die KZBV, die DKG und die Patientenvertreter. Außerdem können alle kassenärztlichen und kassenzahnärztlichen Vereinigungen und die Bundesverbände der Krankenhausträger entsprechende Anträge stellen. Die anschließende Methodenbewertung erfolgt nach evidenzbasierten Kriterien. Bei Änderungsvorschlägen, die die Belange Dritter betreffen, muss vor der endgültigen Beschlussfassung eine Anhörung stattfinden. Dabei hat die Stellungnahme betroffener Verbände einem Fragebogen zu folgen.
Um seinen Auftrag erfüllen zu können, braucht der G-BA wissenschaftliche Unterstützung von Forschungsinstituten, wie dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen in Köln (IQWiG) und dem Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH in Göttingen (AQUA), sowie von externen, z. T. privaten Beratungsfirmen. Nach Abschluss der Beratungen fasst der G-BA einen Beschluss, der dem Bundesgesundheitsministerium zur formalen Prüfung vorgelegt werden muss.
Der G-BA und die Apotheken
Beim G-BA betreffen vor allem die Unterausschüsse Arzneimittel, Qualitätssicherung, Sektorenübergreifende Versorgung, Veranlasste Leistungen und Bedarfsplanung unmittelbar die Apotheken (Abb. 2).
Besonders im Bereich der Arzneimittel-Richtlinien entfaltet der G-BA vielfältige Aktivitäten. Dabei haben manche Richtlinien weitreichende wirtschaftliche Auswirkungen auf die Apotheken.
Besonders die am 17. 07. 2009 in Kraft gesetzte neue Arzneimittel-Richtlinie, die in ihren Anlagen z. B. den weitgehenden Ausschluss von OTC-Arzneimitteln aus der Erstattungsfähigkeit für Kinder regelt, verfehlt ihre Wirkung nicht. In ihr werden des Weiteren relevante Dinge wie Lifestyle-Arzneimittel, Off-label-use, Aut-idem-Regelungen oder Festbetragsgruppierungen verbindlich geregelt.
Die Bedeutung des G-BA für die Apotheken kann also gar nicht überschätzt werden. Andererseits haben die Apotheker aber kaum Einfluss auf die Arbeit des G-BA. Nur über das Anhörungsverfahren, über die Beantwortung von Fragebögen und teilweise durch mündliche Anhörungen können sich die Apothekerverbände an der Meinungsbildung der Unterausschüsse beteiligen. Weder die Apothekerkammern noch die -verbände können eigene Anträge auf Beratung durch den Bundesausschuss stellen. Faktisch können die Apotheker nur reagieren, wenn sie gefragt werden, aber nicht von sich aus aktiv werden.
Ferner haben die Apotheker wenig Anteil an der Arbeit der beratenden wissenschaftlichen Institute, deren Einfluss auf die Entscheidungen des G-BA nicht unterschätzt werden sollte. Die Finanzierung der Institute ist entweder privatwirtschaftlich organisiert, wie beim AQUA, oder wird durch die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) getragen, wie beim IQWiG. Dagegen vergeben die Apotheker bisher kaum Forschungsaufträge und tragen auch nicht wesentlich zu deren Bearbeitung bei. Für die Bewertung der Stellung und des Ansehens der Apotheker im Gesundheitssystem ist diese Passivität negativ.
Künftige Position des Apothekers im Gesundheitswesen
In den kommenden Jahren ist zu erwarten, dass der G-BA, neben der zunehmenden Wahrnehmung seiner direkten Richtlinienkompetenz, vermehrt Beratungsaufträge zu systemrelevanten Verbesserungen vergeben wird. Dabei werden der Abbau der Sektorengrenzen und die Effizienzsteigerung der Leistungserbringer im Mittelpunkt stehen. Da auch in Zukunft die Qualität und die Kosten der Arzneimitteldistribution weiter hinterfragt werden, sollte die Apotheker ihre bisherige abwartende Haltung zugunsten einer aktiven Beteiligung am Meinungsbildungsprozess aufgeben.
Letztlich geht es um die Position des Apothekers im Gesundheitswesen. Halten wir uns weiterhin aus der konfliktreichen Diskussion um Kosten und Erstattungsfähigkeit heraus, steht unsere Kompetenz in Arzneimittelfragen zur Disposition. Wir werden zum reinen, wenn auch gut ausgebildeten Erfüllungsgehilfen der Arzneimitteldistribution und haben dann auch keinen wirklichen Anspruch auf Teilnahme an den Richtlinienentscheidungen des G‑BA. Nehmen wir aber unsere eigenen Ansprüche ernst, berufen wir uns auf unsere gute Ausbildung, unsere Fachkompetenz, engagieren wir uns zusätzlich verstärkt in der Erhebung evidenzbasierter Daten bei unseren Kunden und tragen so unseren Teil zur Fortentwicklung und Verbesserung unseres Gesundheitssystems bei, dann müssen wir uns auch einen Platz im G-BA sichern und einen ständigen Vertreter der Apothekerschaft fordern. (Entsprechendes gilt für die Regierungskommission zur nächsten Gesundheitsreform, bei deren Besetzung wieder kein Apothekenvertreter vorgesehen ist.) Dies kann offiziell nur der ABDA-Vorstand tun, unterstützt durch einen Beschluss der Delegiertenversammlung des Deutschen Apothekertages.
Beratender Verkäufer oder verkaufender Berater – das mag auf den ersten Blick nur eine Nuance sein. Für die Zukunft unseres Berufsstandes als Apotheker wird sie aber von entscheidender Bedeutung sein.
Autor
Dr. Franz Stadler
Sprecher des Gesundheitspolitischen Ausschusses der
Bayerischen Landesapothekerkammer
c/o Campus Apotheke
Bajuwarenstr. 7,
85435 Erding
InternetGemeinsamer Bundesausschuss |
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