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Kongress
Zukunftsbausteine
Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein, ging in seiner Begrüßung auf die Notwendigkeit ein, die Zukunft selbst aktiv zu gestalten. Nach einhundert Tagen der schwarz-gelben Koalition zeichne sich ab, dass nicht mit einem kurzfristigen Gesundheitssparpaket zu rechnen sei. Der Koalitionsvertrag fordere vielmehr die heilberufliche Verantwortung des Apothekers, priorisiere eine flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln, spreche sich für eine Stärkung der Freiberuflichkeit und gegen Mehr- und Fremdbesitz sowie gegen Pick-up-Stellen aus. Politisch stehe ein nachhaltig finanzierbares Gesundheitswesen im Fokus. Dieses müsse, so forderte Preis, demografiefest, arbeitsmarkt- und konjunkturunabhängig sowie sozial gerecht sein.
Zum kürzlich ausgestrahlten Bericht von Report Mainz "Klamme Kassen – reiche Apotheker" merkte Preis an, dass eine solche tendenziöse, einseitige Berichterstattung nicht akzeptabel sei. Die Apotheker sollten sich durch solche mediale Darstellung jedoch nicht von ihrem Kurs als Arzneimittelexperten und glaubwürdige Heilberufler abbringen lassen. Auch das Sachverständigengutachten für das Gesundheitswesen unterstreiche die Bedeutung des Apothekers in der Versorgung und Durchführung des Medikamentenmanagements insbesondere älterer und chronisch kranker Menschen. Dies sei nur gemeinsam mit der Ärzteschaft umzusetzen und müsse weiterentwickelt, vielleicht sogar institutionalisiert werden, so Preis.
Ebenfalls für nicht nachvollziehbar stufte Preis das Verhalten der Krankenkassen bezüglich des Abschlages trotz eines inzwischen gefällten Schiedsgerichtsspruches ein. Seit über fünf Jahren habe es keine Honorarerhöhung für Apotheker gegeben, trotz sinkender Packungszahlen, steigender Personalkosten und die durch die Rabattverträge resultierende Mehrbelastung. Vielfach sei "der Frust bei vielen Apothekern groß". Deshalb forderte Preis deutlich ein Ende der Verzögerungstaktik.
Laumann: "Präsenzapotheke muss die Regel bleiben"
Arzneimittel sind erklärungsbedürftige Waren, daher dürfe man nicht zulassen, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel eine normale Handelsware werden. Und deshalb setze er sich dafür ein, dass die Präsenzapotheke die Regel bleiben müsse, so Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen in seinen politischen Grußworten zum Zukunftskongress.
Laumann fügte aber auch hinzu, dass bei der Abgabe der besonderen Ware Arzneimittel die diskrete Beratung im Mittelpunkt stehen müsse. Und er machte deutlich, dass zur besonderen Ware Arzneimittel eine besondere Atmosphäre in einer Apotheke gehöre, die dem heilberuflichen Anspruch des Apothekers gerecht werde.
Laumann setzte sich auch mit der Frage auseinander, inwieweit unser Gesundheitssystem noch sozial sei. Die Kernfrage für eine Gesundheitsreform: "Haben wir in Deutschland die Kraft, das System so zu verändern, um sicherzustellen, dass alle Menschen am medizinischen Fortschritt teilhaben können", so Laumann.
Er warnte davor, weiter in Richtung einer Zwei-Klassen-Medizin zu gehen. Er machte aber auch klar, dass die Menschen in Zukunft mehr Geld für die Gesundheit werden aufwenden müssen, wenn sie medizinischen Fortschritt für alle wollen. Vor diesem Hintergrund sei dann die Debatte zu führen, wie man die Finanzierung unseres Gesundheitswesens auf andere Füße stellen könne als sie nur vom Lohn abhängig zu machen. Es wird allerdings dabei bleiben, dass Gutverdienende und Gesunde mehr bezahlen müssen als Kranke. Er forderte die Apothekerinnen und Apotheker dazu auf, auch in ihren Offizinen mit ihren Kunden über diese Fragen zu sprechen.
Trends, Märkte, Zielgruppen
Demografische Zukunftsvisionen sind derzeit im Trend – aus dem Blickwinkel Märkte betrachtete Jeanette Huber vom Zukunftsinstitut, Kelkheim, das Thema. Megatrends seien im Gegensatz zu Moden epochal, dauerten also mindestens 50 Jahre an, seien ubiquitär in allen Lebensbereichen und global, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung, festzustellen. Ein solcher Megatrend sei beispielsweise die Zunahme des aktiven Bemühens um Gesundheit. In einer weltweit angelegten Studie gaben 83 Prozent der rund 31.000 Befragten aus 25 Ländern an, sich aktiv um den Erhalt von geistiger und körperlicher Fitness zu bemühen. Dieser Trend spiegelt sich vor allem im zweiten Gesundheitsmarkt wider: spezielle Lebensmittel, Gesundheitsschuhe, Antiallergiestaubsauger, gesunde Friteusen und anderes mehr.
Ein zweiter Megatrend, der weltweit deutlich zunehme, sei die Individualisierung. Das Herauslösen des Einzelnen aus dem engen sozialen Korsett des 19. Jahrhunderts erfolgte dank Wohlstand, Demokratie und globaler Mobilität im vergangenen Jahrhundert und führte zur Individualisierung. Selbst im Apothekenmarkt sei dies zu finden. Als Beispiele nannte Huber die verschiedenen Anwendungsformen von Raucherentwöhnungspräparaten oder die auf jede Lebenslage abgestimmte Palette von Vitamin- und Mineralstoffpräparaten.
Werteverschiebung in der Gesellschaft führe sogar zu neuen sozialen Gruppen. Im Jahr 2000 habe man erstmals "LoHas" (Lifestyle of Health and Sustainability) beschrieben (siehe hierzu auch den DAZ-Beitrag "Die Lohas – eine Zielgruppe für Apotheken" in DAZ 2009, Nr. 38). Dies stehe für Menschen, die Wert auf eine gesunde und zugleich nachhaltige Lebensweise legen – Bioprodukte in allen Lebensbereichen, Homöopathie und Phytopharmaka sind Trendthemen in dieser Zielgruppe.
Unterstützt wird dieser Trend zusätzlich, so Huber, durch die notwendig gewordene Selbstverantwortung bei Altersvorsorge und im Gesundheitsbereich. Die Folge für den Gesundheitsbereich manifestiere sich unter anderem auch in einem medialen Gesundheitsboom und besser informierten Kunden, die plötzlich auf Augenhöhe mit ihrem Arzt oder Apotheker ins Gespräch kommen möchten. Dies zeige sich auch in einer deutlichen Zunahme von Selbstmedikation und "Home-Diagnostik" – nicht nur Blutdruck und Blutzucker, auch Drogenscreening, Vaterschafts- und Gentests seien inzwischen ins Wohnzimmer eingezogen – sowie der größeren Bereitschaft von Menschen jenseits der 50 Sport zu treiben. Hierauf müsse sich die Apotheke der Zukunft einstellen. Eine Positionierung der Apotheke durch fachkundige Beratung sei ein wichtiges Differenzierungsmerkmal, jedoch müssten zukünftig mehr denn je auch andere Informationskanäle bedient werden.
Die "silberne Revolution", der Megatrend "Alter", werde derzeit lediglich durch demenzielle Erkrankungen negativ beeinflusst. Allerdings reagiere auch darauf der Markt, statt Facelifting werde nun verstärkt Brain-Tuning angeboten. Dazu gehören Sudoku, Computerspiele, insbesondere Produkte, die körperliche und geistige Betätigung miteinander verknüpften wie die Computerbewegungsspiele Wii. Auch mit dem Internet sei die Zielgruppe der Älteren inzwischen vertraut. Dennoch sei die Gruppe der über 60-Jährigen sehr heterogen, von aktiven, terminlich eingebundenen Senioren über die zweite Pubertät durchlebende bis hin zu eher weniger aktiven und unaufgeschlossenen Rentnern.
Apotheker sollten sich angesichts der Veränderungen in der Gesellschaft weniger als ein "Reparateur" der Gesundheit, sondern vielmehr als "Health-Coach" mit einem Gespür für die notwendige Individualisierung der Angebote verstehen, fasste Huber die Folgen der Megatrends für den Gesundheitsmarkt zusammen.
Tue Gutes – aber kommuniziere es auch
An der Podiumsdiskussion, die sich der Frage "Gesundheitswesen versus Gesundheitswirtschaft – hat Qualität als Wettbewerbsfaktor eine Chance?" widmete, nahmen Prof. Dr. Wolfgang Goetzke, Koordinator der gesundheitswirtschaftlichen Standortinitiative Health Cologne und der Gesundheitsregion Köln/Bonn, Wilfried Jacobs, Vorstandsvorsitzender der AOK-Rheinland/Hamburg, Kai Helge Vogel, Referent Gesundheitsmarkt der Verbraucherzentrale NRW, und Thomas Preis teil.
Qualität sei, so alle Diskutanten, ein Wettbewerbsvorteil. Allerdings werde zu wenig über die in Apotheken standardmäßig ablaufenden Vorgänge wie Interaktionschecks, Durchführung der Rabattverträge, Abklären von Nebenwirkungen an Patienten und Kunden vermittelt. Hier sollte die Apothekerschaft mehr Transparenz schaffen.
Für den OTC-Bereich wurde von allen die besondere Bedeutung der Beratung hervorgehoben – allerdings, das betonte Vogel, gebe es Menschen, die auf jeden Cent achten und deshalb die preiswerten Angebote der Versandapotheken bewusst nutzen müssten.
Preis machte in der Diskussion deutlich, dass Apotheker im Spagat zwischen Heilberuf und Händler vor allem die heilberufliche Säule als Standbein sehen. Deshalb beurteilte er die Forderungen nach einer weiteren Öffnung des OTC-Marktes als Experimentierfeld des Gesundheitswesens, wie von Professor Goetzke gefordert, als inakzeptabel.
Gendiagnostik: Punktmutationen können über Wirksamkeit entscheiden
Prof. Dr. Theo Dingermann, Universität Frankfurt, zeigte die Möglichkeiten der Gendiagnostik im Bereich der Arzneimittelsicherheit und die damit verbundenen Chancen für die Apotheke der Zukunft auf. Mittels der Gendiagnostik lassen sich neben Krankheitsrisiken – dies gehöre eindeutig in den Arbeitsbereich der Ärzte – auch Aussagen über die Verstoffwechselung von Arzneistoffen machen.
So ließen sich beispielsweise Non-Responder identifizieren, die wegen eines Enzymmangels ein Prodrug nicht in die wirksame Form überführen oder wegen einer zu stark ausgeprägten Enzymaktivität keine wirksamen Plasmaspiegel erreichen können. Aber auch Patienten, die für bestimmte Nebenwirkungen prädestiniert sind, lassen sich mittels der Gendiagnostik erkennen. Diese Kompetenz müsse, so forderte Dingermann, in der Apothekerschaft verankert werden. Auch wenn die Analytik selbst nicht in den Apotheken durchführbar sei, biete sich das Zentrallaboratorium der deutschen Apotheker (ZL) als Institut an, um zukünftig diese Dienstleitung in Apotheken zu implementieren. Er und der Leiter des ZL, Professor Schubert-Zsilavecz, würden sich für die Einführung der Gendiagnostik zur Detektion arzneimittelbezogener Risiken engagieren. Dafür benötigten sie jedoch die Unterstützung der gesamten Apothekerschaft.
Rabattverträge: Pharmazeutische Bedenken anmelden!
Apotheker können vom Austausch eines verordneten Rabattarzneimittels absehen, wenn sie pharmazeutische Bedenken haben, den Austausch vorzunehmen. Dr. Nina Griese vom Zentrum für Arzneimittelinformation und Pharmazeutische Praxis (ZAPP) gab einen Überblick, was unter dem Begriff der "pharmazeutischen Bedenken" zu verstehen ist und wie man in solchen Fällen vorgeht.
Apotheker können vom Austausch eines verordneten Rabattarzneimittels absehen, wenn sie pharmazeutische Bedenken haben, den Austausch vorzunehmen. Dr. Nina Griese vom Zentrum für Arzneimittelinformation und Pharmazeutische Praxis (ZAPP) gab einen Überblick, was unter dem Begriff der "pharmazeutischen Bedenken" zu verstehen ist und wie man in solchen Fällen vorgeht.
Der Rahmenvertrag, der die Vorgehensweisen beim Austausch von Rabattarzneimitteln regelt, sieht in § 4 Abs. 3 (mit Bezug auf die Apothekenbetriebsordnung § 17 Abs. 5) vor, dass der Apotheker vom verordneten Rabattvertragsarzneimittel abweichen darf, wenn der Abgabe im konkreten Fall pharmazeutische Bedenken entgegenstehen. Dies ist der Fall, wenn die Therapie des Patienten gefährdet ist. Beispiele hierfür sind
- problematische Arzneistoffe mit geringer therapeutischer Breite (z. B. Opioide)
- problematische Applikationsformen (TTS, Pflaster)
- problematische Dosierung mit Applikationshilfen (Tropfen)
- lebensbedrohliche Erkrankungen (maligne Tumorerkrankungen)
- zu befürchtende Noncompliance des Patienten (Ältere mit Polypragmasie)
- problematische Patientengruppen (neurologisch und psychisch Kranke)
- problematische Hilfs- und Zusatzstoffe (Allergie gegen Farb- oder Konservierungsstoffe).
Kommt der Apotheker im Einzelfall zu der Auffassung, dass die pharmazeutischen Bedenken einer Abgabe entgegenstehen, so sind diese zu dokumentieren, das Rezept erhält ein Sonderkennzeichen, außerdem ist der Fall im Apothekenteam zu kommunizieren (gute Apothekensoftware), damit bei einer möglichen Wiederholung einer solchen Verordnung alle Mitarbeiter so verfahren. Wie Griese anmerkte, werden die Fälle, in denen pharmazeutische Bedenken angemeldet werden, in aller Regel von den Krankenkassen akzeptiert.
Nachfolgend einige Beispiele, bei denen der Apotheker – abhängig vom Einzelfall – pharmazeutische Bedenken berücksichtigen sollte.
Problematisch kann der Austausch Fentanyl-haltiger Arzneimittel sein, wenn sie als TTS verordnet sind. Bei diesen Präparaten ist die unterschiedliche Beladung des Pflasters mit Wirkstoff zur berücksichtigen ebenso wie die Gesamtmenge und die Freisetzungsrate.
Zu Problemen kann es auch bei verordneten Wirkstoffen mit Injektionssystemen kommen, beispielsweise Insuline und andere Biologicals.
Gerade bei der Gruppe der Biologicals erhebt sich generell die Frage der Austauschbarkeit, da diese Arzneistoffe durch den Herstellungsprozess definiert sind: Biosimilars sind nicht Bioidenticals. Ein Betaferon beispielsweise ist mit dem Betaferon aus einem anderen Herstellungsprozess nicht bioidentisch, sondern nur ähnlich und darf trotz gleichen Wirkstoffnamens (Betaferon) nicht ausgetauscht werden. Nur wenn der Wirkstoff aus dem gleichen Herstellungsprozess stammt (Bioidentical), darf ausgetauscht werden. Da man dies anhand des Wirkstoffnamens nicht erkennen kann, verständigte man sich darauf, untereinander wirkstoffgleiche Bioidenticals in eine Anlage zum Rahmenvertrag aufzunehmen – nur sie dürfen im Rahmen der Erfüllung von Rabattverträgen ausgetauscht werden.
Aber: Ein Austausch bei Bioidenticals verbietet sich auch dann, wenn die Hilfsmittel zur Anwendung des Präparates (Devices, Injektionsbestecke etc.) zu unterschiedlich sind.
Ein Austausch kann auch bedenklich sein bei bestimmten Inhalationssystemen wie Sprays oder vor allem Pulverinhalatoren. Wie eine Untersuchung feststellte, wenden nur 21 Prozent der Patienten diese Applikationsformen ohne Fehler an. Kommt der Patient nicht damit zurecht, ist dadurch die Therapie gefährdet und ein Austausch verbietet sich. Arbeitsmaterialien hierzu finden sich auf der Homepage des ZAPP (www.abda.de/zapp.html).
Probleme kann es auch beim Austausch fester peroraler Arzneistoffe geben, insbesondere bei Retardarzneimitteln. Ein Beispiel hierfür ist die Verordnung von Metoprololtartrat in Präparaten mit einer Freisetzungskinetik erster nullter Ordnung. Ist das Präparat zur Behandlung der Hypertonie verordnet, ist ein Austausch mit anderen Präparaten gut möglich. Nicht so aber bei Verordnung zur Behandlung einer Herzinsuffizienz: Hier liegt nur eine Endpunktstudie mit Metoprololsuccinat in ZOK-Galenik vor. Ein Austausch gegen Metoprololtartrat-haltige Präparate ist problematisch.
Weitere Stoffe, bei denen möglicherweise pharmazeutische Bedenken angemeldet werden können, sind Retardpräparate mit Morphin und Tramadol. Bei diesen Arzneimitteln kommt es durchaus auf die Beachtung des richtigen Dosierungsintervalls an.
Ebenfalls von Bedeutung bei festen Peroralia: Sollen Präparate geteilt werden, muss beim Austausch darauf geachtet werden, ob sich auch das Rabattarzneimittel teilen lässt.
Weitere Beispiele, bei denen ein möglicher Austausch mit pharmazeutischem Sachverstand vorgenommen werden sollte, ist beispielsweise die Abgabe von Tabletten statt besonderer Formen wie Sublingual-Plättchen (z. B. Tavor Expidet) oder unterschiedliche Tropfenmengen aufgrund verschiedener Tropfer (z. B. Paspertin Tr. und MCP Tr.).
Griese betonte am Ende ihres Vortrags, dass der Apotheker bei den Rabattverträgen und möglicher pharmazeutischer Bedenken seiner pharmazeutischen Aufgabe nachkommen solle. Sorgen vor einer Retaxierung seien in diesen Fällen nicht begründet.
Betriebswirtschaft: Man sollte handeln!
Das vorläufige betriebswirtschaftliche Ergebnis 2009 für Apotheken lässt keine Jubelstimmung aufkommen. Wie Dr. Frank Diener, Treuhand Hannover vorrechnete, liegt es es bei – 0,2% gegenüber dem Vorjahr (siehe Tabelle). Es hätte besser sein können (etwa + 10.000 Euro pro Apotheke), wenn es zu einer Anpassung beim Kassenabschlag gekommen wäre.
Da die Krankenkassen die Entscheidung des Schiedsgerichts allerdings nicht akzeptieren und dagegen klagen, bleibt es zunächst bei einem Zwangsrabatt von 2,30 Euro (=1,93 Euro netto). Die Situation ist eigentlich untragbar, so Diener: "Niemand weiß jetzt und zu welchem Preis man Arzneimittel im letzten, in diesem und voraussichtlich auch im nächsten Jahr an die GKV abgibt.” Die Apotheke hat keine Planungssicherheit mehr.
Vorläufiges betriebswirtschaftliches Ergebnis
Januar – November 2009 | |||
Euro | Anteilig % | Veränderung % ggü. Vorjahr | |
GKV-Umsatz | 914.000 | 72 | |
OTC-Umsatz | 356.000 | 28 | |
Netto-Umsatz | 1.270.0000 | 100 | +3,1 |
Wareneinsatz | 940.000 | 74 | +3,2 |
Rohgewinn | 330.000 | 26 | +2,7 |
./. Personalkosten | 140.000 | 11 | +5 |
:/. sonstige Kosten | 113.000 | 8,9 | +1,9 |
Betriebsergebnis | 77.000 | 6,1 | - 0,2 |
Diener wies in seinem Vortrag auf massive Änderungen in der Branche hin. Von den 21.600 Apotheken in Deutschland werden aufgrund zunehmender Filialisierung nur noch 18.400 vom Inhaber selbst geführt. Die wirtschaftliche Entwicklung führt zu mehr mittleren (1 bis 2 Mio. Umsatz) und großen Betrieben (über 2 Mio.), die Zahl kleiner Apotheken (bis 1 Mio. Umsatz) nimmt ab. Deutlich zu sehen ist außerdem eine zunehmende Typenvielfalt. Neben der klassischen Einzelapotheke gibt es die Mehrbetriebsunternehmen (Filialapotheken), hochspezialisierte Apotheken mit besonderen Schwerpunkten (Homöopathie, Zytostatika), Apotheken in besonderen Lagen (Airport), drugstoreähnliche Apotheken, Versandapotheken, Franchise-ähnliche Modelle, regionale und bundesweite Kooperationen.
2010 sieht Diener folgende Einflussfaktoren auf die Apotheken zukommen:
• Stagnation im OTC-Umsatz
• Zunahme beim GKV-Umsatz
• sich verschlechternde Einkaufskonditionen
• Erhöhung im Tariflohn (+ 1,5%)
• angespannte Arbeitsmarktlage
• zusätzliche pharmapolitische Eingriffe wie medizinischer Innovationsdruck, GKV-Zusatzbeiträge, steigende Defizite im Sozialversicherungsbereich und ein medialer Druck auf die Apotheken.
Nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2010 wird die heiße Phase der Gesundheitsreform kommen, prognostizierte Diener.
Für eine typische Apotheke bedeutet dies: Selbst wenn sich in den nächsten Jahren aufgrund steigender Arzneimittelpreise und leicht steigender Verordnungszahlen der Nettoumsatz einer Apotheke erhöht, steigt der Rohgewinn nur mäßig, der Gewinn würde sich aufgrund der Kostenentwicklung allerdings rückläufig entwickeln.
Geschäftsmodelle aus Kundensicht denken
Das ruft nach Handlungsoptionen, so Diener. Infrage kommen beispielsweise eine Optimierungsstrategie mit stärkerem Controlling, Benchmarking, und einer Geschäftsprozessanalyse oder eine Expansionsstrategie (Filialisierung, Erschließen neuer Aktivitätsfelder wie Heimversorgung, Spezialrezepturen). Wichtig ist es, seine Geschäftsmodelle aus Kundensicht zu denken, so Diener. Stichworte hierzu sind der kundenfreundliche Internetauftritt, Flyer, Anzeigen, Optimierung von Schaufenster, Frei- und Sichtwahl und des Eingangsbereichs der Apotheke, Verbesserungen bei der Abgabe und Beratung, Botendienste.
Überlegt man den Aufbau einer Filiale, sollte dahinter eine Strategie stecken: Ist es sinnvoll, die Filiale wie die Hauptapotheke aufzubauen oder als Kontrastprogramm dazu (mit anderen Schwerpunkten)? Wie sollen Außenauftritt und die Innenorganisation aufgebaut werden? Wichtig, so Diener, ist: "Ein Konzept haben und nicht durchwursteln.”
Dies gilt auch für geplante Apothekenverkäufe, die es in den nächsten zehn Jahren vermehrt geben dürfte: 35% aller Apothekenleiter sind 55 Jahre und älter! Ein professioneller Apothekenverkauf sollte mehrere Jahre vorbereitet werden mit Optimierung der betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, Mietvertragslaufzeiten, Personal, Räume, Einrichtung und EDV, QMS, Marktauftritt und einer Standortabsicherung.
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