Seite 3

Millionen und Milliarden sparen – bei Apotheken

Peter Ditzel

Schon bei der Formulierung der Gesetzeszeilen zum Kassenabschlag (Wortlaut siehe Kasten) musste klar gewesen sein: da ist der Zoff gleich mit beschlossen. Eine solche Regelung kann mit Sicherheit nicht als ein positives Beispiel für eindeutige Gesetzestexte herhalten. Die Formulierung ruft geradezu nach einer Auseinandersetzung zwischen den betroffenen Parteien, den Krankenkassen und den Apothekern. Was heißt "leistungsgerecht"? Welche "Art und Umfang der Leistungen und Kosten der Apotheken" sind zu berücksichtigen und was heißt hier "wirtschaftliche Betriebsführung"? Es liegt auf der Hand, dass die Krankenkassen, denen ein Rabatt zusteht, bei Neuverhandlungen keinen Cent weniger haben wollen, im Gegenteil, und die andere Seite, die Apotheker, den Rabatt an die Kassen so weit wie möglich drücken wollen, gut begründet mit gestiegenen Leistungen, gestiegenen Kosten und das natürlich bei nachweislich wirtschaftlichster Betriebsführung.

Als die Apotheken im vierten Quartal 2008/09 ihre Forderungen auf eine Anpassung des Kassenabschlags anmeldeten, machten die Kassen – wie vorhergesehen – unmissverständlich klar, dass sie einen niedrigeren Rabatt nicht akzeptieren wollten. Die Verhandlungen begannen, die Odyssee des Kassenabschlags nahm ihren Lauf. Und zog sich über ein Jahr hin. Und ist bis heute noch nicht zu Ende. Eine Schiedsstelle wurde einberufen, die nach mehr als zähem Ringen noch vor Weihnachten zu einem Schiedsspruch kam, der den Krankenkassen in keiner Weise goutierte: Für 2009 sollte der Kassenabschlag rückwirkend auf 1,75 Euro gesenkt werden, den Apotheken wurde damit eine Rückzahlung von rund 300 Mio. in Aussicht gestellt. Manche "Apothekenfreunde" sprachen von "Weihnachtsgeschenk für Apotheker". Unterstützt von Scharfmachern auf der Oppositionsseite der Politik (der SPD-Fraktionsvorsitzende Steinmeier und andere kritisierten die Millionenrückzahlung für Apotheker heftig) ließen die Kassen unverhohlen durchblicken, dass sie sich mit diesem Schiedsspruch wohl nicht abfinden werden. Eigentlich ein Unding. Da ist im Gesetz für strittige Fälle explizit eine Schiedsstelle vorgesehen, die in diesem Fall auch beide Seiten akzeptierten. Dachte man, aber weit gefehlt. Da es zu Ungunsten der Krankenkassen ausging, legten sie Widerspruch ein. Doch das ließ sich der Deutsche Apothekerverband (DAV) nicht gefallen.

Mit einem Eilantrag auf sofortige Vollziehung des Schiedsspruches ging er gegen diesen Widerspruch vor. Das Gericht lehnte diesen Eilantrag jedoch ab, auch der vom DAV beantragte Rechtsschutz half nicht – die aufschiebende Wirkung der Klage der Krankenkassen konnte nicht außer Kraft gesetzt werden – sprich: eine Entscheidung über die Rückzahlung wird vor den Gerichten ausgetragen. Der DAV will zwar noch Beschwerde dagegen beim Landessozialgericht einlegen – ob’s hilft?

Anhand dieses Szenarios erhebt sich die berechtigte Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, eine Schiedsstelle vorzusehen, wenn deren Entscheidung nicht akzeptiert wird.

Dass eine Millionenrückzahlung nicht in die derzeitige Landschaft klammer Kassen und heiß diskutierter Beitragserhöhungen für Versicherte passt, ist nicht Schuld der Apotheken: die Abschlagsanpassung ist schon seit einem Jahr überfällig. Aber natürlich werden diese Vorgänge nun nicht mehr getrennt betrachtet, sondern von Kritikern zu einer populistisch-medialen Neidsoße vermischt und gegen die Apotheken verwendet werden.

Die Fernsehsendung Report Mainz am 1. Februar gab einen Vorgeschmack: Apothekerfreunde Lauterbach und Glaeske sehen Milliarden-Einsparpotenziale bei Apotheken, mit denen sogar die Zusatzbeiträge der Krankenkassen verhindert werden könnten. Glaeske schwebt ein Kassenabschlag von 3,30 Euro vor – mit anderen Worten: wenn der Apotheker 4,80 pro abgegebenes Rx-Arzneimittel erhält, hätten die Apotheken immer noch ein gutes Auskommen. Wir werden uns also warm anziehen müssen. Ein kalter Kampagnen-Journalismus könnte uns bevorstehen.


Peter Ditzel

Regelung zum Kassenabschlag

(§ 130 Abs. 1, SGB V)

"Der Abschlag nach Satz 1 1. Halbsatz [meint: die Kassen erhalten 2,30 Euro Rabatt für jedes abgegebene verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel] ist erstmalig mit Wirkung für das Kalenderjahr 2009 von den Vertragspartnern in der Vereinbarung nach § 129 Abs. 2 [im "Rahmenvertrag"] so anzupassen, dass die Summe der Vergütungen der Apotheken für die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel leistungsgerecht ist unter Berücksichtigung von Art und Umfang der Leistungen und der Kosten der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung."

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.