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"Klamme Krankenkassen – reiche Apotheker"
Der Beitrag wurde platziert in eine Zeit, in der ein braver GKV-Versicherter 8 (in Worten acht!) Euro Zusatzbeitrag im Monat bezahlen muss, während sich "reiche Apotheker" im Wintersportzelt eines Sponsors der "Deutschen Sikimeisterschaften der Apotheker" im Garmisch eine Ayurveda-Massage gönnen. Platziert in eine Zeit, in der Apotheken um eine 300 Millionen-Rückzahlung mit den Krankenkassen streiten und in der "Experten" wie die Professoren Glaeske und Lauterbach vorrechnen, dass man bei Verzicht auf ein Euro Apothekerhonorar gleich 1 Milliarde einsparen könnte und es keine Zusatzbeiträge geben müsste. Und passend in eine Zeit, in der gezeigt wird, dass es in einer Straße Hannovers schon mal 15 Apotheken gibt und Glaeske glaubt, man könnte ebenfalls sparen, wenn es in Deutschland rund ein Drittel (!) weniger Apotheken gäbe. Fein gemacht – aber unseriös und tendenziös. Selbst dem normalen Fernsehzuschauer wird hoffentlich aufgefallen sein, dass ein solcher Report die reinste Stimmungsmache ist und nichts mit fairem Journalismus zu tun hat. Aber wie gesagt, fairer Journalismus war wohl auch nicht die Absicht eines solchen Berichts, den Sie auch im Internet (sogar in einer XL-Version) ansehen können (www.swr.de/report), falls Sie ihn versäumt haben sollten und sich dies antun möchten.
Die "Report"-Story
Hier eine kleine Zusammenfassung der Sendung: Report ging es um die Frage, wie die Politik die Apothekerlobby schützt. "Die sichere Versorgung mit Arzneimitteln ist ein wichtiges Thema. So wichtig, dass es sogar hier im Koalitionsvertrag behandelt wird" heißt es im Vorwort, und weiter: "Doch wo die Grenze liegt zwischen einer sicheren Versorgung und einem unnütz-teuren Überangebot? Wir wollten es wissen." Der Auftakt: Skifahrende Apothekerinnen und Apotheker bei den Deutschen Skimeisterschaften der Apotheken vom Bayerischen Apothekerverband und der Sanacorp – "das ist echter Wettbewerb", kommentiert "Report". Blick ins Winterzelt des Sponsors: die Apotheker können nicht klagen. Gezeigt werden ein Apotheker und eine Apothekerin, die eine Ayurveda-Massage genießen. Sie werden gefragt, ob sie mit ihrer Apotheke finanziell über die Runden kommen. Klar, kommen sie, sogar ganz gut – "ein Beruf, der sich lohnt", schlussfolgert das "Report"-Team. Das sei ein Grund, warum an manchen Orten die Apotheken wie Pilze aus dem Boden schießen. Beispiel: Hildesheimer Straße in Hannover mit 15 Apotheken.
Jede dritte Apotheke zur Disposition stellen
Von Gesundheitsökonomen wie Glaeske will "Report" wissen, ob wir zu viele Apotheken haben. Glaeske: "Wenn man es sehr pauschal ausdrückt und eine gerade Zahl haben will, dann könnte man tatsächlich sagen, jede dritte Apotheke könnte man zumindest zur Disposition stellen." "Report" erklärt dem Zuschauer, dass es immer 5,80 Euro als Honorar gibt für jede einzelne Packung. Dazu Glaeske: "Wenn man es insgesamt betrachtet und dann fragt, bei welcher Pauschale hätten die Apotheker nach wie vor ein gutes Auskommen, dann haben wir auch in einem Gutachten festgestellt, dass 4,80 Euro ausreichen würden. Das wäre immerhin ein Euro weniger als derzeit. Und wenn man es einmal hochrechnet, und gleichzeitig hochrechnet, dass damit auch die Einkaufspauschale, die die Apotheker bekommen, getroffen wird, dann sind wir schnell bei einer Milliarde Einsparpotenzial."
Zusatzbeiträge wären abwendbar gewesen
"Report" rechnet weiter: bei Gesamtkosten von vier Milliarden für die Apotheken könnten die gesetzlichen Krankenkassen also ein Viertel der Kosten einsparen. Jetzt kommt Gesundheitspolitiker Lauterbach ins Spiel, der – so ein Zufall – "exakt dasselbe Einsparpotenzial errechnet hat. Er glaubt, "dass die Zusatzbeiträge [er meint die 8 Euro] durch konsequentes Sparen allein im Apothekenbereich schon abwendbar gewesen wären". "Report" folgert daraus, dass die Apotheker womöglich helfen könnten, Zusatzbeiträge zu verhindern. Doch davon wollten die Apotheker nichts wissen, denn Beratung in der Apotheke habe seinen Wert und sei zum Wohl des Patienten, anders als im Versandhandel.
"Pick-up-Stellen helfen dem Konsumenten"
Während also Apotheker glaubten, dass nur sie verantwortungsvoll Arzneimittel an den Patienten bringen könnten, gebe es den Versandhandel mit dem Ärgernis der Pick-up-Stellen in Drogeriemärkten. Dort könnten die Patienten Medikamente günstig bestellen und abholen – das setze die Apotheker unter Druck. Lauterbach, dazu befragt, weiß, dass der Wettbewerb über Pick-up-Stellen dem Konsumenten helfen würde, die Preise würden sinken, relevante Sicherheitsprobleme gebe es nicht und es wäre bequemer für viele Bürger. Dies sind laut "Report" jedoch ärgerliche Aussagen für Apotheker, sie forderten bereits 2008 in einem Papier, die Auswüchse des Versandhandels mit Arzneimitteln zu bekämpfen. Mit dem Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb sei dann "das Wunder" geschehen: hier fände sich die Lobby-Forderung nahezu wortgleich wieder.
ABDA-Abteilungsleiter Schulz darf dazu vor der Kamera bestätigen, dass sich in der Tat für Apotheker die Frage stellt, wie man Auswüchse des Versandhandels eindämmen kann – "das war und ist übereinstimmende Auffassung zwischen der Bundesregierung und der Apothekerschaft und weiteren Beteiligten".
Apotheker bei der Massage
"Report" wundert sich darüber, dass die FDP in diesem Fall der Apotheker "nicht das hohe Lied des Wettbewerbs singt", dass sogar der Koalitionsvertrag einen Passus enthält, wonach eine Änderung des bestehenden Fremd- und Mehrbesitzverbots abgelehnt werde. Glaeskes Kommentar dazu: "Die jetzige Politik schützt die Apotheker noch einmal besonders. Das heißt, es wird sozusagen der Standort der Apotheken und die Situation der Apotheken noch einmal weiter auch gestärkt und gefördert – insofern laufen, glaube ich, die meisten Apotheker heute mit einem gewissen strahlenden Lächeln durch die Gegend, weil politisch sie das Ganze für sich entschieden haben." Fazit von "Report": "Feste Preise, kaum Wettbewerb, alles bleibt wie es ist – die Apotheker können sich also ganz entspannt zurücklegen". Und "Report" lässt den Beitrag ausklingen mit Bildern von Apothekern bei der Massage im Wintersportzelt.
Mein Fazit: Wer nach dieser Sendung noch an einen sachlich-fairen Journalismus bei der ARD glaubt, ist selber schuld. Hier werden Personen befragt, vorgeführt, Filmsequenzen so zusammengeschnitten, damit ein bestimmtes Ziel erreicht wird. So war beispielsweise von der ABDA zu erfahren, wie die wenigen Sekunden des Statements von Martin Schulz zustande kamen: die Reporter zeichneten ein zwei (!) Stunden-Interview mit Schulz auf zu Themen, die in der Sendung berührt wurden. Für "Report" war hier sichtlich nichts Passendes dabei, was die Tendenz des Beitrags hätte unterstützen können. Genommen wurden die allerletzten Sekunden aus diesem Interview, in der Schulz nur erklären konnte, dass Bundesregierung und Apotheker gemeinsam Auswüchse des Versandhandels eindämmen wollen. Um nicht der Blockadehaltung beschuldigt zu werden, hatte die ABDA zuvor auf Anfrage von "Report" reichlich Informationsmaterial zur Verfügung gestellt und Kooperation signalisiert. Doch dies war "Report" wohl zu apothekerfreundlich.
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