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Verstoß gegen das Fremdbesitzverbot
Bereits seit 2005 ist der Rechtsstreit zwischen einem Apotheker aus Magdeburg und dem für die Erteilung der Betriebs- und Versandhandelserlaubnis zuständigen Landesverwaltungsamt anhängig. Am 14. Oktober entschied das OVG Sachsen-Anhalt, dass die Versandhandelserlaubnis für die Zur Rose-Versandapotheke rechtswidrig und daher aufzuheben ist.
Das Verwaltungsgericht Halle hatte die Klage in der Vorinstanz als unzulässig abgewiesen. Es sah den Kläger nicht "in seinen Rechten verletzt", wie es die Verwaltungsgerichtsordnung für die Anfechtung eines Verwaltungsaktes voraussetzt. Das OVG widerspricht dieser Einschätzung: Die subjektiven Rechte eines Versandapothekers aus Art. 12 GG (Berufsfreiheit) und Art. 3 GG (Gleichheitssatz) seien schon dann verletzt, wenn einem Konkurrenten ein erheblicher Wettbewerbsvorteil dadurch verschafft werde, dass ihm entgegen §§ 7, 8 S. 1 und 11a Apothekengesetz (ApoG) das Betreiben einer Versandapotheke erlaubt werde, ohne dass der Kläger seiner eigenen Bindung wegen in gleicher Weise reagieren könne. Dass dem Inhaber der Zur Rose-Versandapotheke, dem Apotheker Ulrich Nachtsheim, der in diesem Verfahren Beigeladener ist, ein derartiger Wettbewerbsvorteil verschafft werde, könne weder offensichtlich noch eindeutig ausgeschlossen werden, so das OVG.
Selbstständige Leitung Fehlanzeige
Die Richter halten die Klage gegen die Erteilung der Versandhandelserlaubnis auch für begründet. Wie sich aus dem Vertrag, der die Leistungsbeziehungen zwischen dem beigeladenen Apotheker und der Zur Rose Pharma GmbH – dem deutschen Ableger des gleichnamigen Schweizer Arzneimittelversenders – regelt, ergebe, werde gegen apothekenrechtliche Vorschriften verstoßen. Konkret gegen die Pflicht zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung (§ 7 ApoG), die Vorschriften zur Organisationsform (§ 8 ApoG – Fremdbesitzverbot) und die Anforderungen zur Erteilung einer Versandhandelserlaubnis (§ 11 a ApoG). Daher hätte die Erlaubnis zum Arzneimittelversand nicht erlaubt werden dürfen. Es könne "keine Rede davon sein, dass der Beigeladene die Versandapotheke Zur Rose in rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen, nicht einmal in pharmazeutischen Fragen, selbstständig und eigenverantwortlich leitet", heißt es im Urteil. Vielmehr betreibe die Zur Rose GmbH als Kapitalgesellschaft die Versandapotheke mit – und verstoße damit gegen das Fremdbesitzverbot. Soweit dem Apotheker in den Vereinbarungen ein "Weisungsrecht" eingeräumt werde, erzeugten die Regelungen "nur den Schein einer Kontrolle des Beigeladenen über die von seiner Apotheke aus betriebenen Tätigkeiten".
Tatsächlich sind die vertraglichen Vereinbarungen sehr weitgehend. In ihr verpflichtet sich die GmbH zu einer Reihe von Dienstleistungen. Dazu zählen etwa die Einrichtung eines Call-Centers, das sich um die Aufnahme und Weiterleitung der Bestellungen, die Beantwortung von Fragen zum Lieferstatus und Reklamationen, die nicht die pharmazeutische Beratung betreffen, kümmert. Zudem geht es um Marketingkonzepte, die Etablierung der Marke, die Datenerfassung und -lieferung. Auch eine Vergütung der GmbH ist hierfür vorgesehen. Das Gericht sieht durch den Vertrag nahezu sämtliche Tätigkeiten einer Versandapotheke auf die Zur Rose GmbH als Dienstleister – oder von dieser beauftragte Dritte – ausgelagert. Dem Apotheker obliege dem Vertrag zufolge nur noch die pharmazeutische Endkontrolle der zu versendenden Arzneimittel, die Auslösung des Versands und die Beratung und Information bei Abgabe der Arzneimittel sowie bei Reklamationen. Dabei gebe es keine unmittelbare rechtliche Beziehungen zwischen dem Personal des Dienstleisters und dem Versandapotheker. Dies sei nicht mit dem Leitungsgebot des Apothekengesetzes vereinbar. Durch die Bindung der pharmazeutischen Tätigkeit an die Verantwortlichkeit des besonders ausgebildeten Apothekenleiters, so betont das Gericht, solle ein hohes fachliches Niveau gewährleistet und einer Kommerzialisierung des Arzneimittelvertriebs entgegengewirkt werden.
Ein wesentliches Indiz dafür, dass die Zur Rose Pharma GmbH die Versandapotheke mitbetreibt, sei zudem die Vertragsbestimmung, dass bei einer Kündigung des Vertrages nicht etwa der GmbH untersagt werde, das Unternehmenskonzept Versandapotheke mit einer anderen Apotheke fortzuführen, sondern dem Apotheker. "Derjenige, dem solche Schutzrechte eingeräumt werden, ist kein untergeordneter Dienstleister, sondern der Betreiber oder wenigstens Mitbetreiber der gemeinsamen Unternehmung Versandapotheke", heißt es im Urteil.
Revision angekündigt
Die Revision gegen das Urteil wurde zugelassen. Nachtsheim hat bereits angekündigt, dass die Zur Rose Pharma GmbH das Rechtsmittel auch einlegen wird. In einer Presseerklärung teilte er mit, die Zur Rose Apotheke sei "nach wie vor der Auffassung, dass die Versandhandelserlaubnis vom Landesverwaltungsamt in absolut rechtmäßiger Art und Weise erteilt worden ist". Die Hypothesen und die rechtliche Würdigung des OVG sind nach Nachtsheims Worten schlicht "unzutreffend". Er geht davon aus, dass die Revision dies bestätigen wird. Bis es zu einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts kommt, kann allerdings einige Zeit ins Land gehen. Und bis dahin kann die Apotheke in Halle weiterhin Arzneimittel versenden.
Urteil im VolltextDas Urteil im Volltext finden Sie im Internet unter "DAZ.online Recht" |
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