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Willkommen in der Merkel-CDU
Willkommen in der Merkel-CDU: In Karlsruhe vollzogen die Delegierten der Christlich Demokratischen Union einen Generationswechsel, wählten um die Kanzlerin eine neue Führungsmannschaft. Erwartungsgemäß wurde Angela Merkel als CDU-Vorsitzende im Amt bestätigt. Angesichts des katastrophalen ersten Regierungsjahres der Union-FDP-Koalition erhielt Merkel mit 90,4 Prozent ein nahezu perfektes Ergebnis: Alles deutlich darüber wäre nicht ehrlich gewesen. Deutlich weniger wäre als Misstrauenserklärung verstanden worden.
Vor allem aber hält die CDU-Chefin trotz des leichten Dämpfers ihre neuen Stellvertreter auf Distanz: Für Wulff wurde Ursula von der Leyen mit 85,12 Prozent zur CDU-Vize gewählt. Mit Merkel kämpfte von der Leyen für die Modernisierung des Frauen- und Familienbildes der CDU. Für Jürgen Rüttgers wählten die Delegierten Norbert Röttgen zu Merkels Stellvertreter. Röttgen, neuer CDU-Landeschef in NRW und Bundesumweltminister, gilt als Merkel-Anhänger und Befürworter von schwarz-grünen Bündnissen auch auf Bundesebene. Er erhielt 88,2 Prozent. An die Stelle von Roland Koch tritt Volker Bouffier, Kochs Nachfolger im hessischen CDU-Landesvorsitz und im Ministerpräsidentenamt. Bouffier gilt als letzter ausgewiesener Konservativer in der obersten Führungsriege der CDU. Er erhielt wie von der Leyen 85,12 Prozent. Wiedergewählt als CDU-Vize wurde Annette Schavan mit dem schlechtesten Ergebnis von nur 64,17 Prozent. Damit wurde die Stellvertreterriege in Karlsruhe fast vollständig neu mit Merkel-Gefolgsleuten besetzt.
Die Zäsur
NRW-Wahlverlierer Jürgen Rüttgers legte ebenso seinen CDU-Vize-Posten nieder wie Roland Koch. Der ehemalige Ministerpräsident von Hessen wechselte kürzlich in die Wirtschaft auf den Vorstandvorsitz des Baukonzerns Bilfinger + Berger. Christian Wulff schied mit seiner Wahl zum Bundespräsidenten ebenfalls aus seinen Parteiämtern aus. Mit Koch und Wulff verließen damit die letzten CDU-Politiker die Parteiführung, die eigentlich gemeinsam mit Matthias Wissmann, Günther Oettinger und Friedrich Merz die Macht in der CDU nach Ende der Ära Helmut Kohl unter sich aufteilen wollten. Einige von ihnen gehörten zum sogenannten "Anden-Pakt", einem lockeren Bündnis von ehrgeizigen CDU-Nachwuchspolitikern in den 90er Jahren. Die meisten von ihnen standen Angela Merkel bei ihrer ersten Wahl zur CDU-Vorsitzenden im Jahr 2000 skeptisch bis ablehnend gegenüber. In Karlsruhe sprach Merkel angesichts dieses Personalumbruchs selbst von einer "Zäsur". Die alte, westdeutsche, vom rheinischen Kapitalismus geprägte CDU ist endgültig Geschichte.
Nun fokussieren sich in der CDU aber die Augen noch intensiver auf Angela Merkel, ostdeutsch, protestantisch und vor allem machtpolitisch-pragmatisch. Sie muss es nun alleine richten, die CDU aus dem Umfragetief führen. Endlich einmal Wahlen überzeugend gewinnen, damit das Murren in der Partei verstummt, das in Karlsruhe nur durch Wahlkampfrhetorik übertönt wurde. Mit einer energisch-kämpferischen Rede hat die CDU-Vorsitzende Angela Merkel der wachsenden Schar von Kritikern in den eigenen Reihen vorerst den Wind aus den Segeln genommen. Aber was kommt danach?
Noch mal neu erfinden?
Die CDU steckt hoffnungslos im historischen Umfragetief. Und am 27. März 2011 stehen in Baden-Württemberg schwierige Landtagswahlen bevor. Mit ungewöhnlich scharfen Attacken auf die Opposition suchte Merkel die Offensive und neue Motivation für die CDU. Merkel, die Kämpferin. Wieder nur eine neue politische Maske der Machtpolitikerin? Als Radikalreformerin eroberte sie in Leipzig die Kanzlerkandidatur. Aber was ist aus Kopfprämie und Bierdeckelsteuer geworden? Als Klimakanzlerin tanzte Merkel später übers internationale Parkett der Diplomatie und besichtigte schmelzende Eisberge vor Grönland. Als Krisenkanzlerin garantierte Merkel allen Deutschen ihre Spargroschen, ohne zu wissen, woher sie das Geld dafür im Ernstfall hätte nehmen sollen. Kann sich Angela Merkel jetzt, auf dem Zenit ihrer Macht in der CDU, noch einmal neu erfinden, um die CDU wieder in für eine Volkspartei angemessene Höhen von 40 Prozent plus x zu führen?
Mehr Führung gefordert
In Karlsruhe blieb Merkel Antworten darauf, inhaltliche Botschaften zur künftigen Regierungspolitik jedoch schuldig. Sie will sich nicht festlegen, abwarten, wohin sich die Dinge entwickeln. Das gilt für Steuerreform ebenso wie für die Abschaffung der Wehrpflicht. So lange zögern, bis sich die Mehrheiten selbst herausschälen. Inhaltlich legt sich Angela Merkel nur dort fest, wo es keine Mehrheiten zu organisieren gilt. Beispiel Präimplantationsdiagnostik (PID): ein klares Nein der Kanzlerin. Aber da ist die Abstimmung im Bundestag längst vom Fraktionszwang befreit. Merkel muss nicht um ihre Position kämpfen, keine Niederlage fürchten. So werden die Stimmen nicht verstummen, die mehr Führung einfordern, Merkels System des pragmatischen Lavierens für die schlechten Umfragewerte verantwortlich machen.
Verliert die CDU mit Stefan Mappus im März in Baden-Württemberg erneut einen Ministerpräsidenten, stellen sich in der CDU neue Fragen. Die Riege von Merkels Kronprinzen hat sich in Karlsruhe für den Fall der Fälle bereits in Stellung gebracht. Ursula von der Leyens Ehrgeiz jedenfalls reicht über den neuen CDU-Vize-Posten hinaus. In jeder Generation werde nur einer Kanzler, antwortete sie kürzlich bemerkenswert knapp. In der Union habe sie dies als Kampfansage aufgenommen, gerichtet an die Adressen von Norbert Röttgen und Shootingstar Karl-Theodor zu Guttenberg von der CSU. Als neuer NRW-Landeschef hat Röttgen bereits seine Machtposition ausgebaut. Dass seine Ambitionen über das Ministerpräsidentenamt in Düsseldorf weit hinausreichen, daran zweifelt in der CDU niemand. "Im Raum für Kronprinzen herrscht ja allmählich Gedrängel", spottet einer von Merkels engeren Gefolgsleuten.
In Karlsruhe hat sich die CDU neu aufgestellt – mit Merkel an der Spitze – und blickt bereits über die Ära Merkel hinaus.
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