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Versandapotheke
"PillenVZ"
Die Meldung in Spiegel online vom 6. September 2010 lautet auszugsweise:
Besonders kreativ zeigen sich die Betreiber von "PillenVZ", auf ihrer Website listen sie "seriöse Online-Apotheken" auf, die Viagra und weitere Mittel gegen Erektionsstörungen verkaufen – rezeptfrei. Im nüchternen weiß-blauen Layout der Seite sticht das rote Logo der Stiftung Warentest heraus: "Potenzmittelapotheken im Test" steht da, fett gedruckt ist die Note "sehr gut" – in der Ausgabe 2/2010. Das Problem: In dieser Ausgabe, dem Februar-Heft, wurden keine Apotheken getestet, und auch keine Potenzmittel. Zuletzt hatten die Konsumwächter Viagra und Co. im September 2009 bewertet – allerdings ohne Noten zu verteilen. Für die Potenzpillen gab es lediglich die Urteile "mit Einschränkung geeignet" und "wenig geeignet".
Die Werbung auf "PillenVZ" ist also schlicht und einfach erfunden, der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hat die Betreiber deshalb abgemahnt und aufgefordert, das Logo innerhalb von zehn Tagen zu entfernen. Bislang ohne Erfolg, auch zwei Wochen nach der Abmahnung ist die Werbung auf der Seite unverändert. Im Impressum der Website steht eine Adresse in Panama, eine schriftliche Anfrage von Spiegel online blieb unbeantwortet, die angegebene Telefonnummer funktioniert nicht. [4]
Mittlerweile hat "PillenVZ" seinen Internetauftritt überarbeitet und das Siegel der "Stiftung Warentest" entfernt, um es durch ein vermutlich selbst entworfenes Gütesiegel "sicher einkaufen" zu ersetzen.
Unbeeindruckt von diesem Vorgang betreibt die "Potenzmittel Apotheke" (www.potenzmittelapotheke.org) noch heute die gleichen "Siegelmanipulationen" (Abb. 1). Ihre Anschrift "Columbusweg 20, NL-5928 LC Venlo" stimmt mit der Anschrift der "Europa Apotheek Venlo" überein, die eine behördliche Erlaubnis als Versandapotheke besitzt und beim DIMDI registriert ist. Die "Potenzmittel Apotheke" ist aber nicht beim DIMDI registriert und hat sich diese Adresse offensichtlich "geklaut" – neben der unrechtmäßigen Führung des "Stiftung Warentest"-Siegels ein weiteres Vergehen.
Seriöser Vermittler?
Zurück zu "PillenVZ". Es tritt wie eine unabhängige Vermittlerplattform für "seriöse Online-Apotheken" auf (Abb. 2), womit es vermutlich an das positive Image von Diensten wie Google anknüpfen will:
Im Internet gibt es zahlreiche Internetapotheken und Shops, die Potenzmittel wie Viagra, Cialis und Co. zu Spottpreisen anbieten. Darunter gibt es leider auch viele Anbieter, die nicht seriös sind oder aber auch keine sicheren Zahlungsarten anbieten. Daher hat PillenVZ für Sie die sichersten Anbieter ausfindig gemacht ...
Das Angebot soll möglicherweise die Kunden von Internet-Apotheken ansprechen, die bereits mit der Nutzung sogenannter Preissuchmaschinen – mit deren Hilfe der günstigste Preis für ein bestimmtes Medikament im "Dschungel" der Versandapotheken gefunden werden soll – vertraut sind. Als "vertrauensvolle Potenzmittel Internetapotheken" empfiehlt "PillenVZ" drei Firmen: "Pillendienst", "Phamadienst24" und "Meddirekt24".
Der Kunde erfährt dabei nicht ohne Weiteres, dass "PillenVZ" in Wirklichkeit selbst der Anbieter von Arzneimitteln ist. Möglicherweise hofft der Betreiber, auf diese Weise einer potenziellen Strafverfolgung entgehen zu können. Schon auf der Startseite von "PillenVZ" findet sich der Hinweis, dass die nach deutschem Recht verschreibungspflichtigen Mittel bei den als "vertrauensvoll" angepriesenen Internetapotheken rezeptfrei gekauft werden können ("kein Rezept notwendig").
Wenn man sich dann noch den Quelltext der Seite ansieht (z. B. bei IE8 über den Reiter "Seite" und "Quelltext anzeigen"), findet man als "keywords" im HTML-Code eindeutige "Lockwörter": Viagra, Cialis, Levitra, Potenzmittel, rezeptfrei, Shops mit Gütesiegel, günstig, online.
Wenn Sie eines dieser "keywords" in eine gängige Suchmaschine eingeben, wird u. a. die Seite von "PillenVZ" gefunden und angezeigt.
Die Angebote von "Pillendienst"
Die von "Pillendienst" (www.pillendienst.com, Abb. 3) angebotenen Produkte gehören zum üblichen Sortiment vieler Versandapotheken, mit dem entscheidenden Unterschied, dass hier neben dem "Original" von Viagra und anderen Präparaten auch deren "Generika", also schlicht Fälschungen, angeboten werden; da diese "Generika" jeweils den Namen des Originals tragen, wird der geltende Patentschutz missachtet. Die "Generika" sind als Blister ohne Umkarton abgebildet, wie sie an den Kunden versendet werden (Versand auch ohne Packungsbeilage?).
Zu den besonderen Produkten, die "Pillendienst" anbietet, gehört "Lida Daidaihua", ein Schlankheitsmittel der Firma Kunming Lida in Südchina (das zweite Wort verweist auf die TCM-Droge Bitterorangenblüten). Zoll, Verbraucherschützer, das Landesuntersuchungsamt Rheinland-Pfalz, das "arzneitelegramm" und das Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit NRW haben schon vor dem Produkt gewarnt [5, 6]. Es enthält den gesundheitsschädlichen Appetitzügler Sibutramin und ist seit Langem inkriminiert, aber der Staat hat es bisher unterlassen, durch grenzüberschreitende Abkommen die Verfolgung und den Vertrieb zu unterbinden.
Ist die Verordnung bei "Online-Konsultationen" rechtens?
"PillenVZ" fordert die Kunden auf, online einen Fragebogen mit zehn Fragen zu beantworten. "Durch die Auswertung dieser Fragen wird es uns ermöglicht, Ihnen das gewünschte Medikament zu übersenden." Dies ist eine "Online-Konsultation", die gemäß britischem Recht für die Verschreibung eines Arzneimittels ausreicht, nicht aber nach deutschem Recht.
Als Firmensitz von "PillenVZ" ist im Impressum eine Adresse in Großbritannien angegeben. Da das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Großbritannien auf der Liste der Länder führt, aus denen rechtmäßig Arzneimittel im Versandwege nach Deutschland eingeführt werden dürfen, wäre der Erwerb eines rezeptpflichtigen Arzneimittels nach erfolgter Online-Konsultation legal, wenn man das EU-Herkunftsland-Prinzip zugrundelegt. Allerdings erachtete das OLG Hamburg in einem Urteil zur Versandapotheke "DocMorris" das Marktort-Prinzip gemäß deutschem Recht auf ausländische Versandapotheken für anwendbar [7]. Dies müsste insbesondere immer dann Geltung entfalten, wenn die ausländische Versandapotheke – aufgrund des Angebots in deutscher Sprache an deutsche Kunden – eindeutig auf den deutschen Markt ausgerichtet ist.
Bei Anwendbarkeit des deutschen Rechts stellt das Versenden von Arzneimitteln aufgrund einer Online-Konsultation einen Verstoß gegen § 95 Abs. 1 Nr. 4 Arzneimittelgesetz (AMG) dar. Verschreibungspflichtige Arzneimittel dürfen in Deutschland nur im Anschluss an eine ärztliche Verschreibung abgegeben werden, wobei diese nach deutschem Recht nicht fernmündlich oder über das Internet erfolgen kann. So schreibt ärztliches Berufsrecht (§ 7 Abs. 3 der Musterberufsordnung der deutschen Ärzteschaft) vor, dass "Ärztinnen und Ärzte individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, weder ausschließlich brieflich noch in Zeitungen oder Zeitschriften noch ausschließlich über Kommunikationsmedien oder Computerkommunikationsnetze durchführen dürfen".
Gestützt wird dieses rechtliche Verständnis auch durch das deutsche Heilmittelwerberecht: Denn § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG) verbietet die Werbung für Fernbehandlung, d. h. die "Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht". Da das Angebot von "Pillendienst" diesen Vorgaben widerspricht, handelt es sich aus unserer Sicht um strafrechtlich relevantes Verhalten.
Wo ist der Firmensitz von "PillenVZ"?
Zudem sind wir der Frage nachgegangen, wo "PillenVZ" registriert ist. Auf seiner Website findet sich die Adresse:
Reproductive Health Medical Care Center
14-18 Priestgate
Darlington DL1 1NW, UK
Bei der Überprüfung erfüllt der Service "Google Street View" gute Dienste (maps.google.de, Eingabe "14 Priestgate Darlington"). Die fragliche Institution gibt es an dieser Adresse nicht, sondern nur ein "Early Learning Centre", d. h. eine Kindertages- und -bildungsstätte. Der Besuch eines solchen Centre, vermutlich unfreiwilliger Humor der Betrüger, wäre potenziellen Bestellern dringend anzuraten, damit sie von dem Vorhaben Abstand nehmen.
Geht man mit üblichen Internet-Tools der Identität (IP-Adresse) nach, findet man, dass sowohl Land als auch Stadt unbekannt sind. Der Anbieter verschleiert also bewusst seine Herkunft.
Sucht man etwas intensiver, so lässt sich feststellen – zumindest wenn die IP nicht mithilfe von Hacker-Tools "verschleiert" wurde – , dass der Server in Amsterdam steht, aber auch hier ist die Adresse des Anbieters gesperrt. Interessanterweise stehen unter "similar domains" altbekannte Adressen wie pillenpharm.com. Weiteres Suchen ergibt dann eine Registrierung der Domain in den USA:
Wiederum ist hier die Eigner-Mailadresse blockiert, aber zumindest hätte man für eine Strafverfolgung zwei Anhaltspunkte: den Standort des Servers in den Niederlanden einerseits und den Registration Service Provider "namecheap.com" andererseits.
Die "Generika" von "Pillendienst""Wir führen nicht nur die Original-Produkte, sondern auch Generika. Unter dem Begriff Generika versteht man preisgünstige Medikamente, die in jeder Hinsicht mit dem Original vergleichbar sind. Das einzige, was ihnen fehlt, ist der teure Markenname!" Quelle: www.pillendienst.com |
Fazit
Es fällt den illegalen Versendern immer wieder etwas Neues ein, die Methoden werden raffinierter und dreister, aber letzten Endes benötigt ein solches Geschäftsmodell stets den Verbraucher, der die offerierten Angebote annimmt. Die Masche ist im Grunde kontinuierlich die Gleiche. Zum – selbstgefährdenden – Verhalten der Verbraucher kommen noch der mangelnde Verfolgungsdruck durch die Behörden und der gesetzgeberische – seit der unseligen Öffnung des Versandhandels vorherrschende – Regelungsunwille hinzu.
Quellen[1] Schweim HG. Arzneimittel im Internet-Versandhandel – sicher!? Dtsch Apoth Ztg 2007;147:3058 – 3063.[2] Schweim JK, Schweim HG. Potenzmittel per E-Mail-Spam. Dtsch Apoth Ztg 2008;148:5517 – 5522.[3] Schweim JK, Schweim HG. Neue Sumpfblüte des Online-Versandhandels. Dtsch Apoth Ztg 2009;149:3386 – 3389.[4] www.spiegel.de/wirtschaft/service/0,1518,715881,00.html.[5] www.medizin.de/ratgeber/themen-a-z/d/dai-dai.html. [6]www.liga.nrw.de/_media/pdf/service/Publikationen/pub-arz/archiv.pdf[7] OLG Hamburg, Urteil v. 19.02.2009, 3 U 225/06.
Autoren Dipl. jur. Janna K. Schweim, M. Sc., Köln Prof. Dr. Harald G. Schweim, Universität Bonn, Drug Regulatory Affairs hschweim@uni-bonn.de
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