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- DAZ 46/2010
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Arzneimittel und Therapie
Cholera-Epidemie in Haiti breitet sich aus
Nach dem verheerenden Erdbeben am 12. Januar dieses Jahres erlebt Haiti jetzt die zweite Katastrophe. In den letzten Wochen breitet sich die Cholera in dem mittelamerikanischen Inselstaat epidemieartig aus, zumindest in ihrem Umfang als Folge der völlig unzureichenden Hilfsmaßnahmen nach dem Erdbeben. Jetzt hat die Cholera die Hauptstadt Port-au-Prince erreicht. Berichten zufolge leben hier immer noch mehr als eine Million Menschen in Notlagern, in denen es an sanitären Einrichtungen und Trinkwasser mangelt. In der immer wieder von Wirbelstürmen heimgesuchten Stadt Gonaïves im Norden Haitis wurden 31 Leichen von an Cholera verstorbenen Menschen aus Sicherheitsgründen verbrannt.
Cholera und mangelnde hygienische Verhältnisse
Die Geschichte der Cholera-Epidemien ist immer wieder eng mit unzureichenden hygienischen Verhältnissen verbunden. Anfang der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts grassierte die Cholera in Afghanistan und breitete sich über Russland nach Hamburg aus, wo es 1892 zur letzten großen Cholera-Epidemie in Deutschland kam. Die Verbreitung des Erregers wurde durch fehlende Aufklärung der Bevölkerung und zu wenige Kläranlagen begünstigt und mehr als 8600 Menschen starben.
Die letzte größere Cholera-Epidemie im vergangenen Jahrhundert breitete sich 1991 von Peru nach Ecuador, Kolumbien, Mexiko und Nicaragua aus. Von den etwa 400.000 Erkrankten starben etwa 12.000. In Simbabwe und Südafrika sind nach Angaben der Vereinten Nationen bei der Cholera-Epidemie, die im August 2008 ausbrach, nahezu 98.000 Menschen erkrankt und über 4200 an der Erkrankung verstorben.
Auch aus Haiti wird von katastrophalen hygienischen Verhältnissen berichtet. In Port-au-Prince leben viele Menschen nach dem Erdbeben in Pappkartons oder Wellblechverschlägen oder in den Slums. Sie verrichten ihre Notdurft neben den behelfsmäßig nach dem Erdbeben errichteten Zelten. Behelfstoiletten werden heimlich abgebaut und das Holz für den Eigenbedarf verbraucht. Viele Angehörige stecken sich bei der Pflege der Erkrankten an. Trinkwasser und Seife fehlen vielerorts völlig.
Politische Lage in Haiti begünstigt Ausbreitung
Haiti galt bis zur Unabhängigkeit 1804 als reichste französische Kolonie. Heute gehört einem Prozent der Haitianer die Hälfte des Landes, Korruption und Rauschgifthandel sind allgegenwärtig. 85% der Bevölkerung verfügen über weniger als 1 Dollar pro Tag. Am 28. November wird in Haiti neu gewählt. Schon jetzt ist die alte Regierung nicht mehr präsent: Hilfslieferungen gelangen häufig nur unter großen Schwierigkeiten an ihren Bestimmungsort. Unterdessen hat Leonel Fernández Reyna, der Präsident der benachbarten Dominikanischen Republik, die internationale Gemeinschaft dazu aufgerufen, dringend Hilfe für Haiti zu leisten. Eine internationale Geberkonferenz hatte Haiti nach dem Erdbeben Wiederaufbauhilfe von langfristig rund zehn Milliarden Dollar zugesagt, bislang seien davon nur zehn Prozent eingetroffen [1].
Auch die Bundesrepublik hat weitere Hilfe zugesagt: Als Soforthilfe werden vom Auswärtigen Amt nun zusätzlich 200.000 Euro zur Verfügung gestellt. Diese Mittel werden in den betroffenen bzw. gefährdeten Gebieten im Departement Central, wo die Cholera ihren Ausgang genommen hat, und nun auch in Port-au-Prince selbst zur Trinkwasseraufbereitung und für Hygienemaßnahmen eingesetzt. Umgesetzt werden die Maßnahmen durch den Arbeiter Samariter Bund und World Vision Deutschland. Für humanitäre Soforthilfe in Haiti hat das Auswärtige Amt im laufenden Jahr insgesamt 5,3 Millionen Euro zur Verfügung gestellt [2].
Quelle
[1] www.latina-press.com, 14.11.2010
[2] www.auswaertiges-amt.de, 11.11.2010
Dr. Hans-Peter Hanssen
Cholera - Erreger, Verbreitung und BekämpfungsmaßnahmenDer Erreger Vibrio cholerae ist ein gramnegatives Bakterium aus der Gattung der Vibrionen. Das kommaförmige, stark bewegliche Stäbchenbakterium wächst aerob und fakultativ anaerob. Die Krankheit ist im Gangesdelta endemisch und breitete sich im 19. und 20. Jahrhundert in Pandemiewellen auf mehrere Kontinente aus. Länder mit niedrigem Hygienestandard sind von der Cholera vermehrt betroffen. In Europa gab es in der jüngsten Vergangenheit nur vereinzelte importierte Cholerafälle. In Deutschland wurden dem Robert Koch-Institut seit 2001 nur wenige importierte Cholerafälle gemeldet, 2008 und 2009 keine Erkrankungen an Cholera. Im Jahr 2007 erkrankten zwei Personen nach einer Indien-Reise [1]. Die Erregeraufnahme erfolgt hauptsächlich über kontaminiertes Trinkwasser oder Nahrungsmittel. Seltener ist die direkte Übertragung von Mensch zu Mensch, der wahrscheinlich das einzige Reservoir ist. Die klinische Symptomatik wird durch die Wirkung eines Exotoxins verursacht. Die Erkrankung beginnt mit plötzlichen Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall. Die massiven Durchfälle werden zunehmend wässrig (Reiswasserstühle), es kann zu Flüssigkeitsverlusten bis zu 20 l/Tag kommen. Die Patienten leiden unter starken Wadenkrämpfen, es kommt zu zunehmender Exsikkose, Elektrolytentgleisung und Azidose. Ohne Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution trüben die Patienten zunehmend ein und es kann zum Exitus aufgrund von Nierenversagen und Kreislaufschock kommen. Die Letalität der unbehandelten Erkrankung kann bis zu 60% betragen. Rasante Verläufe mit schwerer Dehydratation und Tod innerhalb einiger Stunden sind möglich. Bei rechtzeitiger Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution ist die Prognose gut. Die Therapie besteht im Wesentlichen im Ausgleich des Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushaltes (Glucose und Elektrolyte). Antibiotika spielen in der Therapie nur eine untergeordnete Rolle. Seit einigen Jahren ist ein relativ gut wirksamer oraler Cholera-Impfstoff verfügbar. Er hat vor allem Bedeutung zur Eindämmung von Ausbrüchen, z. B. bei Hilfseinsätzen in aktuellen Epidemiegebieten mit eingeschränkten hygienischen Bedingungen. Wichtigste Voraussetzung für die Verhütung bzw. Eindämmung von Cholera-Epidemien ist die Bereitstellung von sauberem Trinkwasser, eine sorgfältige Nahrungsmittelhygiene und die Verbesserung der Sanitärverhältnisse. [Quelle: Niedrig, M.; et al.: Steckbriefe seltener und importierter Infektionskrankheiten. Robert Koch-Institut, Berlin 2006; www.rki.de.] |
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